Verkehrswende. Eine kommunale Aufgabe.

Alles über Stadtverkehr, was woanders nicht passt, wie z.B. Verkehrsverbünde
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JNK
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Beitrag von JNK »

Ich würde gerne mal den Artikel von Martin Randelhoff in die Runde schmeißen und Eure Meinungen dazu hören:
Die Verkehrswende. Eine hauptsächlich kommunale Aufgabe.

Ich finde, da ist einiges Wahres dran, doch die Frage ist, wie kriegt man die Lokalpolitik, die sich doch deutlich von den genannten Beispiel in Struktur und Aufbau unterscheidet, dazu, neue Wege zu gehen. Und zwar ganzheitlich.
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Entenfang
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Beitrag von Entenfang »

Interessant ist es auf jeden Fall, und dem Großteil würde ich auch zustimmen.

Die Sache hat nur einige Haken:

Stichwort Bürgerbeteiligung/Abstimmung über Verkehrskonzepte:

Ich bin absolut dagegen, über jedes Verkehrsprojekt eine Volksabstimmung zu machen, denn das würde bedeuten, viele Leute zu befragen, die vom Thema 0 Ahnung haben. Mach mal eine Umfrage im Bekanntenkreis (natürlich nicht unter Verkehrsinteressierten und -informierten) über ein beliebiges Verkehrsprojekt, und jede Wette, über 90% würden eine der folgenden Antworten geben:
1. Davon habe ich persönlich doch gar nichts, also bin ich dagegen. (oder sogar: ...also ist das Projekt unsinnig)
2. Och nö, nicht schon wieder Baustelle.
3. Das kostet ja viel zu viel.
4. Bisher ging es doch auch ohne. Warum braucht man das jetzt?

Das ist keine gute Grundlage für Volksabstimmungen. Aber Bürgerbeteiligung ist sehr wichtig und sollte auch verstärkt stattfinden. Viel besser würde ich es finden, wenn man regelmäßig Informationsveranstaltungen anbieten würde, bei denen die Interessierten über Planungen informiert werden, darüber diskutieren und Änderungs/Verbesserungsvorschläge einbringen können. (z.B. Kann man die Haltestelle nicht lieber 100m weiter nördlich legen, oder die Tram lieber über Straße x statt Straße y bauen...)
Es sollte aber auch eine reale Möglichkeit geben, die Planungen zu beeinflussen und nicht nur eine Alibi-Veranstaltung sein, die sowieso keinen Einfluss auf die Planungen hat. Keinesfalls sollte es dazu kommen, dass immer nur nach Gründen gesucht wird, warum eingebrachte Vorschläge unmöglich sind. Damit hätte man die 90%, die es eh nicht interessiert und die nicht informiert sind, außen vor gelassen und könnte stattdessen mit den Interessierten und Informierten eine sinnvolle Diskussion ohne die 4 Argumente von weiter oben machen. Falls es dann zu Protesten gegen das Projekt kommt, kann man auf die Veranstaltung verweisen und fragen, warum man denn nicht dabei war und seine Änderungswünsche eingebracht hat. Vielleicht würde das auf Dauer auch den Anteil der Interessierten und Informierten erhöhen und das wäre sehr positiv. (z.B. Warst du schon mal auf der Veranstaltung? Da kannst du deine Änderungsvorschläge einbringen)


Probleme sehe ich auch dabei, die Verkehrsplanung komplett an die Kommunen zu übergeben.
Vorteile sind auf jeden Fall, dass man "die Probleme vor Ort" kennt und eine Stadtbus- oder Radwegeplanung auf Bundesebene macht wohl auch wenig Sinn. Eine Gefahr stellt meiner Meinung nach die Kleinstaaterei dar, die ja teilweise jetzt schon existiert *hust* elektrische Sackgasse in Hof *hust* - und das ist immerhin Landesebene. Außerdem würden sich Großprojekte nie durchsetzen lassen, denn wer will schon eine Autobahn oder eine NBS vor der Nase haben und was würden ICEs bringen, die in jedem Dorf halten?
Als größtes Problem sehe ich den Bändchen-Durchschneide-Wahn an. Leider oberstes Ziel vieler Kommunalpolitiker ist es, irgendwelche Neubauten zu eröffnen, da kann man sich schließlich profilieren. Wenn das dann allerdings dazu führt, dass wichtige Instandhaltungsmaßnahmen zugunsten von sinnlosen Neubauten vernachlässigt werden (Kassel-Calden, die beliebte Umgehungsstraße...), ist die Verkehrswende auf kommunaler Ebene nahezu unmöglich umzusetzen. Für viele Projekte ist einfach eine Planung "von oben" besser.
Wo man tatsächlich etwas auf kommunaler Ebene erreichen könnte, wäre beispielsweise bei Neubaugebieten. Anstatt Gewerbeparks und Shopping Malls auf die grüne Wiese zu bauen, fernab jeder ÖV-Anbindung, könnte man diese in Bahnnähe ausweisen oder von vornerein für eine gute Anbindung sorgen. Anstatt erst das Neubaugebiet und dann die ÖV-Anbindung zu bauen, sollte man es genau umgekehrt machen. Als schönes Beispiel könnte man die Tram nach Neuperlach nennen, die quasi auf die grüne Wiese gebaut wurde. Schade, dass das schon 40 Jahre her ist.
Denn wenn die ÖV-Anbindung bereits beim Einzug existiert, wird evtl. gar kein (weiteres) Auto mehr angeschafft. Wenn das allerdings bereits passiert ist, ist es schwierig zu ändern. Denn das Geld ist investiert und die Macht der Gewohnheit schützt vor Änderungen. Besser eine Weile leer durch die Gegend fahren, aber von Beginn an eine gute ÖV-Anbindung haben und Anreize weg vom Auto schaffen.
[Anreize zur Abschaffung des eigenen PKWs] haben natürlich auch Folgen für die Verkehrsmittelwahl im Fernverkehr zur Folge. Eine Verkehrswende muss daher auf kommunaler Ebene eingeleitet werden!
Das finde ich wirklich interessant und sehr gut überlegt.

Dass die Verdrängung des MIV für mehr Lebensqualität sorgt, wird in dem Video über New York sehr eindrucksvoll gezeigt. Für solche Projekte dürfte daher auch die Akzeptanz sehr hoch sein.
Doch die Frage ist, wie kriegt man die Lokalpolitik, die sich doch deutlich von den genannten Beispiel in Struktur und Aufbau unterscheidet, dazu, neue Wege zu gehen.
Das ist meiner Meinung nach eine der größten Herausforderungen hierzulande der nächsten Jahr(zehnt)e.
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Beitrag von DumbShitAward »

Was der Autor komplett übersieht ist die Finanzierung. Gerade wenns um etwas größeres geht, dann ist ohne Bund und Länder wohl nicht viel zu machen, und da man sich bekanntlich im föderalen Wahnsinn nichts, aber auch gar nichts gönnt, wird selbst wenn man es schafft Bürgerbeteiligung, die dann auch noch konstruktiv ist (alleine das ist vielfach schon ein Widerspruch), zu etablieren, das Geld fehlen.

Das solche Sachen wie der Fern- und auch Regionalverkehr komplett bzw. eher Bundessache sind, versteht sich von selbst.
Lektion 73 in unserer Serie "Rechtsstaat für Anfänger", heute: §81 StGB

Wer es unternimmt, mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen oder die auf dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland beruhende verfassungsmäßige Ordnung zu ändern, wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren bestraft.
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Beitrag von 146225 »

Entenfang @ 6 Jan 2014, 16:21 hat geschrieben:Aber Bürgerbeteiligung ist sehr wichtig und sollte auch verstärkt stattfinden. Viel besser würde ich es finden, wenn man regelmäßig Informationsveranstaltungen anbieten würde, bei denen die Interessierten über Planungen informiert werden, darüber diskutieren und Änderungs/Verbesserungsvorschläge einbringen können. (z.B. Kann man die Haltestelle nicht lieber 100m weiter nördlich legen, oder die Tram lieber über Straße x statt Straße y bauen...)

Es sollte aber auch eine reale Möglichkeit geben, die Planungen zu beeinflussen und nicht nur eine Alibi-Veranstaltung sein, die sowieso keinen Einfluss auf die Planungen hat. Keinesfalls sollte es dazu kommen, dass immer nur nach Gründen gesucht wird, warum eingebrachte Vorschläge unmöglich sind. Damit hätte man die 90%, die es eh nicht interessiert und die nicht informiert sind, außen vor gelassen und könnte stattdessen mit den Interessierten und Informierten eine sinnvolle Diskussion ohne die 4 Argumente von weiter oben machen. Falls es dann zu Protesten gegen das Projekt kommt, kann man auf die Veranstaltung verweisen und fragen, warum man denn nicht dabei war und seine Änderungswünsche eingebracht hat. Vielleicht würde das auf Dauer auch den Anteil der Interessierten und Informierten erhöhen und das wäre sehr positiv. (z.B. Warst du schon mal auf der Veranstaltung? Da kannst du deine Änderungsvorschläge einbringen)
Prinzipiell bin ich geneigt, Dir uneingeschränkt zuzustimmen, sehe dann aber noch das Risiko, dass solche Veranstaltungen auch zum Sammelbecken der "Gegen alles!" - Fraktionäre werden können, dann diskutierst Du stundenlang nur über Parkplätze, Grundstückseinfahrten und Ampel-, Vorfahrts- bzw. Abbiegeregelungen inklusive der damit jeweils verbundenen dominanten Egoismen. "Mir doch wurscht ob es die neue Tram für alle gibt, ich will MEINEN PARKPLATZ!!!" - das ist leider nach meiner Erfahrung gar nicht so selten. Leute, die sich bereits im Vorfeld mit den Plänen auseinandergesetzt haben, und wirklich sinnvolles zur Sache beitragen könnten, laufen dann Gefahr, in diesem Geschrei unterzugehen. Was Du also für diese Veranstaltungen zwingend brauchst, ist ein großes und gemischtes, erfahrenes Projektteam, welches ausgewogen moderieren kann und in der Lage ist, komplexe Sachverhalte allgemeinverständlich für alle darzustellen.

Bürgerentscheide bekommen in diesem Zusammenhang in diesem Deutschland von mir ebenfalls ein ganz klares Nein - wir haben in Aachen gesehen, wie leicht es ist, mit dubiosen Argumenten und diffusen Ängsten eine sinnvolle Sache auf Jahrzehnte zum Nachteil der eigenen Stadt zu blockieren.

Richtig ist aber im Gesamtkomplex, dass ein Bewusstseinswandel und eine Veränderung zum Status quo (ante) von unten kommen muss - von woher auch sonst?
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Beitrag von JNK »

Entenfang @ 6 Jan 2014, 16:21 hat geschrieben:Stichwort Bürgerbeteiligung/Abstimmung über Verkehrskonzepte:

Ich bin absolut dagegen, über jedes Verkehrsprojekt eine Volksabstimmung zu machen, denn das würde bedeuten, viele Leute zu befragen, die vom Thema 0 Ahnung haben.
Man muss auch damit leben können, wenn die Mehrheit die eigene Vorstellung nicht teilt. Alles andere ist eine Frage des Prozesses, der Information und der Moderation. In Wuppertal gab's neulich 'ne Bürgerversammlung zur Idee der Vollsperrung der B7 in der Innenstadt während einer Baumaßnahme (lange Geschichte). Der Moderator war der Gutachter der Berechnungen des Verkehrs-Ressorts. Dann kam eine Wortmeldung aus dem Publikum, vom Vizepräsident der IHK, der darauf Hinwies, dass es in der Innenstadt ja nicht nur Einzelhandel gebe, sondern auch Dienstleister, wie Sonnenstudios, die erreichbar bleiben müssten. Darauf erwiderte der Gutachter flapsig, dass "die paar Perlen" auch nach Solingen fahren könnte. Die Stimmung war danach nocj kritischer als zuvor, der Gutachter komplett unglaubwürdig. Sowas muss man vermeiden. und auch aus Aachen kann man lernen. (Campus-Bahn = für nichtsnutzige Studenten)
Probleme sehe ich auch dabei, die Verkehrsplanung komplett an die Kommunen zu übergeben.
Innerörtliche Verkehrsplanung ist komplett bei den Kommunen.
Als größtes Problem sehe ich den Bändchen-Durchschneide-Wahn an. Leider oberstes Ziel vieler Kommunalpolitiker ist es, irgendwelche Neubauten zu eröffnen, da kann man sich schließlich profilieren.
Ob ich jetzt einen verkehrsberuhigten Innenstadtplatz eröffne oder die Hochstraße am selben Ort ist egal, Bändchen kann man in beiden Fällen durchschneiden.
DumbShitAward @ hat geschrieben:Was der Autor komplett übersieht ist die Finanzierung. Gerade wenns um etwas größeres geht, dann ist ohne Bund und Länder wohl nicht viel zu machen, und da man sich bekanntlich im föderalen Wahnsinn nichts, aber auch gar nichts gönnt, wird selbst wenn man es schafft Bürgerbeteiligung, die dann auch noch konstruktiv ist (alleine das ist vielfach schon ein Widerspruch), zu etablieren, das Geld fehlen.
Die Frage ist doch eher welche Töpfe man abgreift. Die Nordbahntrasse (Radweg auf der ehemaligen Rheinischen Strecke in Wuppertal) wird zu einem nicht kleinen Teil aus EU-Mittel bezahlt, die Beleuchtung kommt aus einem Bundeswettbewerb zu LED-Technik und und und.
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JNK
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Beitrag von JNK »

146225 @ 6 Jan 2014, 20:42 hat geschrieben: Richtig ist aber im Gesamtkomplex, dass ein Bewusstseinswandel und eine Veränderung zum Status quo (ante) von unten kommen muss - von woher auch sonst?
Ja, eben. Die Frage ist nur wie kann man so etwas initiieren und verstärken.
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Beitrag von Cloakmaster »

Tja, das ist die Gretchenfrage. Siehe München: Ich finde, die Stadt hat einen guten bis sehr guten ÖPNV - auch ohen 5-Minuten-Takt bei der Tram, und ohne stabilem 10er bei der S-Bahn. Ok er erstickt inzwischen fst am eigenen Erfolg, aber das zeigt doch nur, wie gut das System funktioniert. Und trotzdem ist in München die Zahl der Auto pro Einwohner überdurchscnittlich hoch - 0,8 private Kfz je Einwohner schwirren mir im Kopf rum. Ich glaube nicht, daß man mit einem massiven Ausbau, sagen wir einen stabilen und zuverlässigen 10-Minuten-Takt bei der S-Bahn sowie stabiler und verlässlicher 5-Minuten-Takt auf allen Tram und U-linien, nebst entsprechendem Busangebot ein wirklich nennenswerte Anzahl Menschen dazu bringen kann, das Auto abzuschaffen - allenfall kann man jüngere dazu bringen, sich erst gar keines anzuschaffen, vorerst zumindest. Von der Umsetzungsproblematik mal ganz abgesehen. Und eine massiver Straßenrückbau? Ich weiß nicht. Den mittleren Ring würde ich nicht zurück bauen wollen, eine verlehrlicher Lebensader halte ich dann doch für unerlässlich. Und daneben haben wir gar nicht soo viele Straßen, welche man - den Beispielbildern folgend komplett autofrei machen könnte. Den Bahnhofsvorplatz könnte ich mir noch ganz gut autofrei vorstellen, aber zB den Stachus? Also Abriß des Altadtringes?? Ich weiss nicht.

In Berlin sehe ich da eher Möglichkeiten, Inndenstast-Straßen derart auszuradieren. Aber in Berlin ist die Zahl der privaten Autobesitzer im Vergleich zu München - relativ gesehen - geradezu verschwindend gering. (0,4 Autos, also rund die Hälfte? Nagelt mich nicht auf die Zahlen fest, ich habe sie nicht verifiziert)
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Beitrag von 146225 »

Cloakmaster @ 6 Jan 2014, 21:33 hat geschrieben: Ich glaube nicht, daß man mit einem massiven Ausbau, sagen wir einen stabilen und zuverlässigen 10-Minuten-Takt bei der S-Bahn sowie stabiler und verlässlicher 5-Minuten-Takt auf allen Tram und U-linien, nebst entsprechendem Busangebot ein wirklich nennenswerte Anzahl Menschen dazu bringen kann, das Auto abzuschaffen - allenfall kann man jüngere dazu bringen, sich erst gar keines anzuschaffen, vorerst zumindest.
Als momentaner Effekt hilft das nur in der Begrenzung des Zuwachses - will sagen, der Zuwachs an neuen Autos und Autofahrten verlangsamt sich und kommt irgendwann mittelfristig zum Stillstand. Zu einer Verringerung des Kfz-Aufkommens kommt es dann erst langfristig als nachlaufender Effekt.

Nur: Auch um etwas langfristig zu erreichen, muss man irgendwann einmal anfangen. Jeder Weg beginnt mit dem ersten Schritt.
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Beitrag von 218217-8 »

Cloakmaster @ 6 Jan 2014, 21:33 hat geschrieben:Ich glaube nicht, daß man mit einem massiven Ausbau, sagen wir einen stabilen und zuverlässigen 10-Minuten-Takt bei der S-Bahn sowie stabiler und verlässlicher 5-Minuten-Takt auf allen Tram und U-linien, nebst entsprechendem Busangebot ein wirklich nennenswerte Anzahl Menschen dazu bringen kann, das Auto abzuschaffen - allenfall kann man jüngere dazu bringen, sich erst gar keines anzuschaffen, vorerst zumindest.
Erstens wäre Letzteres schon ein wichtiger Schritt, wahrscheinlich sogar der langfristig wichtigere, meinst Du nicht? Und zweitens gibt es häufig noch den Zweitwagen, der ja bspw. gerne für Einkaufsfahrten oder als "Mamas Taxi" für die Kleinen dient, während der Erstwagen auf dem Parkplatz der Arbeitsstelle des (Ehe)Partners acht Stunden unbewegt sich die Reifen platt steht. Wenn der Ersatz des Zweitwagens ansteht, wird heute im Gegensatz zu früher zunehmend häufiger darüber nachgedacht, ob man den wirklich noch braucht (steigende Spritpreise, zunehmend problematischere Verkehrsverhältnisse, steigendes Umweltbewusstsein, ...). Bei guter ÖPNV-Anbindung pendelt Papa dann künftig vielleicht doch per ÖPNV zur Arbeit, damit Mama den Wagen nutzen kann. Oder Papa fährt weiterhin mit dem Wagen, die Kids sind per ÖPNV mobil und Mama geht mit dem Fahrrad einkaufen. Um es der Einfachheit halber mit der traditionellen Rollenverteilung zu beschreiben.
Cloakmaster @ 6 Jan 2014, 21:33 hat geschrieben:Und eine massiver Straßenrückbau? Ich weiß nicht. Den mittleren Ring würde ich nicht zurück bauen wollen, eine verlehrlicher Lebensader halte ich dann doch für unerlässlich. Und daneben haben wir gar nicht soo viele Straßen, welche man - den Beispielbildern folgend komplett autofrei machen könnte. Den Bahnhofsvorplatz könnte ich mir noch ganz gut autofrei vorstellen, aber zB den Stachus? Also Abriß des Altadtringes?? Ich weiss nicht.
Schon in den siebziger Jahren konnte sich das von jeder heutigen Fußgängerzone vorher keiner vorstellen, und es ging doch! Und was ist das Autoland schlechthin? Richtig, die USA. Und selbst dort ist in Sachen Straßenrückbau inzwischen Bemerkenswertes passiert. Auch in riesigen Städten, die im Verkehr regelrecht ersticken. Hast Du auf der im OP verlinkten Seite das Streetfilm-Video angesehen? Dort sieht man Beeindruckendes. Ich kenne den Times Square noch in seinem Zustand vor dem Umbau. Ich bin dem Thema Verkehrsberuhigung gegenüber eigentlich schon positiv gestimmt. Trotzdem sage ich Dir, ich hätte die Entwicklung am Times Square vor dem Umbau nie für möglich gehalten!
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Beitrag von Cloakmaster »

Nur, daß die USA ein - gerade im Vergleich zu München - massives Defizit im ÖPNV-Angebot hatten bzw haben, und ein masssives Über-Angebot an Strraßen. Und das sehe ich in München so nicht.
Ob das Hinauisschiebebn des ersten Autos von 18-20 auf ca 22-25 Jahre ein sooo großer Wurf ist, weiß ich auch nicht so recht. Es muss da noch mehr Faktoren geben, welche sich nicht so einfach erklären lassen. siehe Vergleich München/Berlin. Ich halte München ÖPNV-mässig für besser aufgestellt, als Berlin - und trotzdem hat es in München relativ mehr Autos als in Berlin.
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Beitrag von Entenfang »

Cloakmaster @ 7 Jan 2014, 04:31 hat geschrieben: Ich halte München ÖPNV-mässig für besser aufgestellt, als Berlin - und trotzdem hat es in München relativ mehr Autos als in Berlin.
Autobesitz hängt ja auch noch von anderen Faktoren als ÖPNV-Qualität ab.
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Beitrag von GSIISp64b »

"Die USA" sind alles andere als homogen.
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Beitrag von Rohrbacher »

Cloakmaster @ 7 Jan 2014, 04:31 hat geschrieben:Ob das Hinauisschiebebn des ersten Autos von 18-20 auf ca 22-25 Jahre ein sooo großer Wurf ist, weiß ich auch nicht so recht. Es muss da noch mehr Faktoren geben, welche sich nicht so einfach erklären lassen. siehe Vergleich München/Berlin. Ich halte München ÖPNV-mässig für besser aufgestellt, als Berlin - und trotzdem hat es in München relativ mehr Autos als in Berlin.
Entenfang @ 7 Jan 2014, 17:23 hat geschrieben:Autobesitz hängt ja auch noch von anderen Faktoren als ÖPNV-Qualität ab.
Klar, wie hoch ist die Hartz IV-Quote in Berlin und in München? Allein dass die Leute in München im Schnitt wohlhabender sind, lässt die Auto-Quote steigen. Berlin ein gutes Stück größer als München, das fördert den Autoverkehr auch nicht gerade. Dann ist München eine Stadt, die als Industriestandort vor allem durch BMW eine stärkere Identifikation mit dem Auto hat als Berlin, das im Gegensatz zum Millionendorf eher für einen ich nenne es mal alternativen Lebensstil bekannt ist. In West-Berlin haben sich jahrelang allerlei Künstler und Alternative gesammelt, die sind nicht so die traditionellen Autofans und in Ost-Berlin war das Angebot an Autos nicht so arg groß. Da ist der Unterschied unabhängig von der Qualität des ÖPNV eigentlich kein Wunder.

Andererseits haben auch in Zürich, einer Stadt deren Einwohner mindestens so wohlhabend sind wie in München und nur grob 10 bis 15% der Größe Berlins hat, fast 50% der Haushalte kein eigenes Auto.
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Beitrag von 146225 »

JNK @ 6 Jan 2014, 21:07 hat geschrieben: Ja, eben. Die Frage ist nur wie kann man so etwas initiieren und verstärken.
Darüber nochmals nachdenkend möchte ich noch anfügen, dass man dabei aber auch dann das Verständnis für Zusammenhänge und den Blick fürs Ganze noch schärfen sollte. Es ist für Verkehrssysteme aller Art nämlich nicht unbedingt hilfreich, wenn Gemeinderäte nicht über ihre Stadtgrenze hinaus denken können, der eine Landrat nix mit dem anderen vom Nachbarkreis spricht, sich Bürgermeister untereinander bekriegen wegen "falscher" Parteibücher etc.pp.

Der objektive Blick auf Gegebenheiten, Anforderungen und Möglichkeiten verlangt auch hin und wieder Zurückhaltung bei eigenen Eitelkeiten. Ob das machbar ist?
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Beitrag von Bayernlover »

Als wäre die Zahl der Autobesitzer so entscheidend. Wichtig ist doch, wie viel damit gefahren wird. Und obwohl München mit den höchsten Autoanteil hat, hat der ÖPNV hier einen der höchsten Nutzungsgrade überhaupt.

Im Endeffekt ist das nur ein Parkplatzproblem, wobei ich da München als weniger schlimm ansehe als Berlin (Parkraumbewirtschaftung sei Dank).
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Beitrag von 218217-8 »

Cloakmaster @ 7 Jan 2014, 04:31 hat geschrieben:Nur, daß die USA ein - gerade im Vergleich zu München - massives Defizit im ÖPNV-Angebot hatten bzw haben, und ein masssives Über-Angebot  an Strraßen.
Da gebe ich Dir Recht. Aber nur wenn man die USA im Gesamten betrachtet. Es gibt viele Städte und Regionen, wo das voll und ganz zutrifft.

Es gibt aber - im völligen Widerspruch zum gängigen Klischee - auch in den USA Städte, in denen das Gleiche gilt wie in vielen deutschen Großstädten: ohne Auto lebt man besser! Parkplätze sind dort nämlich rar und teuer, auf den (obwohl reichlich vorhandenen) Straßen gibt es viel Stau, und der ÖPNV ist gut genug, um ohne Auto leben zu können. Wenn vielleicht auch nicht auf Münchner Niveau.
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Beitrag von FR16 »

JNK @ 5 Jan 2014, 23:17 hat geschrieben:Ich würde gerne mal den Artikel von Martin Randelhoff in die Runde schmeißen und Eure Meinungen dazu hören:
Die Verkehrswende. Eine hauptsächlich kommunale Aufgabe.

Ich finde, da ist einiges Wahres dran, doch die Frage ist, wie kriegt man die Lokalpolitik, die sich doch deutlich von den genannten Beispiel in Struktur und Aufbau unterscheidet, dazu, neue Wege zu gehen. Und zwar ganzheitlich.
Ich finde die Überlegungen in dem Artikel etwas undifferenziert. Gerade einem Verkehrswirt müsste doch geläufig sein, dass es ganz verschiedene Arten von Verkehr gibt: auf jeden Fall Fußgänger, Rad-, Straßen- und Schienenverkehr sowie Luft- und Schiffahrt. Und mindestens Straßen- und Schienenverkehr als Regional- und Fernverkehr, Luft- und Schiffahrt dagegen nahezu ausschließlich als Fernverkehr. Außerdem Personen- und Güterverkehr. In der Verkehrswirtschaft gibt es sicher noch weitere Differenzierungen. Auf welche dieser Verkehrsarten bezieht sich der Autor? Aus den Beispielen kann man zwar herauslesen, dass der Schwerpunkt wohl beim lokalen Straßen- und Radverkehr liegt, aber ob er z.B. auch die Planung von Flug- oder Seehäfen den Kommunen übergeben will, wird nicht klar. Und es wird doch niemand ernsthaft z.B. die Planung der ICE-Strecke München-Berlin allen am Weg liegenden Kommunen in die Hand geben wollen? Selbst im regionalen Kontext ist die Zusammenarbeit schon schwierig genug, wie z.B. die immer wieder auftretenden Reibungen im MVV zeigen.

Mehrfach wiederholte Forderungen sind das Setzen von Zielen und das Festlegen von Maßnahmen zu ihrer Erreichung. Aber da liegt doch nicht das Problem. Ziele werden wohl genug gesetzt, die Schwierigkeit liegt bei der Umsetzung, d.h. vor allem Finanzierung.
Eine nachhaltige und dauerhafte Transformation städtischer Verkehrssysteme ist mit entsprechender Unterstützung aus der Bevölkerung und der Politik sehr gut umsetzbar. Voraussetzung ist jedoch das Setzen entsprechender Ziele, die sowohl langfristig wie auch kurzfristig (1-2 Jahre) erreicht werden sollen.
Das halte ich für eine Binsenweisheit, der wohl niemand ernsthaft widersprechen wird. Die Kunst besteht darin, das in die Praxis zu übertragen.

Als weitere Forderung kann ich nur noch die Umsetzung des skizzierten Prozesses erkennen. Aber vieles davon gibt es doch schon, z.B. ist die Überwachung von Maßnahmen natürlich vorgesehen, aber scheitert in der Praxis eben oft an politischen Interessen oder der Arbeitskultur von Behörden. Und ob es wirklich sinnvoll ist, separate Verkehrs- und andere Entwicklungspläne usw. ein einem "Superplan" zusammenzufassen wage ich zu bezweifeln. Ebenso halte ich die geforderte, in meinen Augen exzessive Bürgerbeteiligung weder für notwendig noch für sinnvoll (angeblich wird in Freiburg ja über jeden Spielplatz abgestimmt). Informationsmöglichkeiten zu Verkehrsprojekten gibt es bereits genug, nur geht eben keiner hin oder liest sich was durch. Und wozu es führt, wenn uninformierte und womöglich von Egoismen gesteuerte Wähler über wichtige Projekte abstimmen, wurde weiter oben schonmal thematisiert. Der angestrebte Prozess scheint mir dort, wo er über Bestehendes hinausgeht, eher neue Bürokratie und Risiken zu schaffen (und am Rande bemerkt: was hat die Schulabbrecherquote mit Verkehrspolitik zu tun?).
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Beitrag von chris232 »

218217-8 @ 7 Jan 2014, 22:56 hat geschrieben: Es gibt aber - im völligen Widerspruch zum gängigen Klischee - auch in den USA Städte, in denen das Gleiche gilt wie in vielen deutschen Großstädten: ohne Auto lebt man besser! Parkplätze sind dort nämlich rar und teuer, auf den (obwohl reichlich vorhandenen) Straßen gibt es viel Stau, und der ÖPNV ist gut genug, um ohne Auto leben zu können. Wenn vielleicht auch nicht auf Münchner Niveau.
Rein interessehalber: Wo denn z.B.?

@Cloakmaster: Wieso findest du den ÖPNV in München besser als in Berlin? Mein größtes Argument für ein Auto, nämlich der fehlende Nachtverkehr, würde in Berlin eher entfallen.
Eisenbahnen sind in erster Linie nicht zur Gewinnerzielung bestimmt, sondern dem Gemeinwohl verpflichtete Verkehrsanstalten. Sie haben entgegen dem freien Spiel der Kräfte dem Verkehrsinteresse des Gesamtstaates und der Gesamtbevölkerung zu dienen.
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Daher hat die Bahn dem Gemeinwohl und nicht privaten Profitinteressen zu dienen, begreifen Sie es doch endlich mal!
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Beitrag von MVG-Wauwi »

chris232 @ 8 Jan 2014, 14:22 hat geschrieben: Rein interessehalber: Wo denn z.B.?
Neben der obligatorisch zu nennenden Ostküstenmetropole New York würde ich auch San Francisco dazuzählen - dort gibt es ein sehr dichtes und weitläufiges Netz, das selbst an der Peripherie gut funktioniert.
Bestens öffentlich gefahren sind wir auch San Diego. Auf vergleichbarem Niveau sollten sich Städte wie Dallas und Denver bewegen. Und selbst in L. A. kann man sich einigermaßen öffentlich fortbewegen, wenn man denn will.
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Beitrag von Cloakmaster »

chris232 @ 8 Jan 2014, 14:22 hat geschrieben: @Cloakmaster: Wieso findest du den ÖPNV in München besser als in Berlin? Mein größtes Argument für ein Auto, nämlich der fehlende Nachtverkehr, würde in Berlin eher entfallen.
Naja, "fehlend" ist der Nachtverkehr in München nun auch wieder nicht. Als ich zuletzt in Berlin nachts per ÖPNV unterwegs war, musste ich auch ein gutes Stück von der nächst bedienten Nacht-Haltestelle zu meinem eigentlichen Ziel laufen., Tagsüber war der Fussweg bedeutend kürzer, wogegen ich 'zu Hause' eine Nachttram-Haltestelle direkt vor der Tür hatte.

Ich finde den ÖPNV in Berlin - Im Vergleich zu München wohlbemerkt! - zum einen ziemlich langsam, und zum anderen zu stark verästelt. Man kommt zwar von überall nach überall, muss aber lange Fahrzeiten und teils mehrfache Umstiege in Kauf nehmen, um dorthin zu gelangen. Natürlich spielt dabei eine Rolle, daß Berlin einfach deutlich grösser ist, als München. Dabei sind die Umsteigewege im Vergleich zu München geradezu indiskutabel schlecht. Dazu die "Nachwehen" der deutschen Teilung, welche auch an der ÖPNV-Entwicklung nicht spurlos vorbeigehen konnte, und damit einige Verkehrswege nicht immer optimal mit den Verkehrsbedürfnissen korrelieren.
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Beitrag von Ligsalz »

Bayernlover @ 7 Jan 2014, 21:22 hat geschrieben: Als wäre die Zahl der Autobesitzer so entscheidend. Wichtig ist doch, wie viel damit gefahren wird. Und obwohl München mit den höchsten Autoanteil hat, hat der ÖPNV hier einen der höchsten Nutzungsgrade überhaupt.

Im Endeffekt ist das nur ein Parkplatzproblem, wobei ich da München als weniger schlimm ansehe als Berlin (Parkraumbewirtschaftung sei Dank).
Und hier offenbart sich ja ein IMHO zentraler Ansatzpunkt für eine Optimierung. Die meisten Autos stehen bekanntlich 23 Stunden am Tag herum, brauchen dafür aber massiv Platz. Verschenkten Platz, wenn man will. Schränkt man das Angebot an Parkplätzen stärker ein als es beispielsweise das Parkraummanagement in München derzeit macht, werden sicherlich einige Menschen überlegen, ob sie zumindest den Zweitwagen aufgeben oder gar ganz auf ein Kfz verzichten werden. Die Folge: Mehr Platz auf den Straßen für den verbleibenden fließenden (motorisierten) Verkehr, dem man dann sogar mittel- bis langfristig weitere Spuren für Busse, Taxen und natürlich Radler abzwacken könnte.

Oder anders formuliert: So lange in Autobesitzer in der Regel morgens in sein direkt vor der Haustür geparktes Auto steigen und damit quasi bis an seinen Schreibtisch fahren kann, werden keine Veränderungen eintreten, selbst steigende Anschaffungs- und Betriebskosten werden hier nicht viel ändern (siehe die drastisch gestiegenen Benzinpreise der letzten zehn Jahre). Erst wenn Autos nicht mehr der bequemste Weg sind, werden die Menschen umsteigen.
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Beitrag von Bayernlover »

Ligsalz @ 8 Jan 2014, 16:00 hat geschrieben: Die meisten Autos stehen bekanntlich 23 Stunden am Tag herum
Es geht noch drastischer: Im Regelfall steht mein Auto von Sonntag Abend bis zum nächsten Wochenende nur herum, trotzdem komme ich auf ca. 20-25.000km/Jahr. Was ist die Alternative? Mietwagen? Car-Sharing? Vergiss es, viel zu unflexibel und für die Masse an Kilometern auch viel zu teuer.
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Beitrag von Hans Mayerson »

Ligsalz @ 8 Jan 2014, 16:00 hat geschrieben:Erst wenn Autos nicht mehr der bequemste Weg sind, werden die Menschen umsteigen.
Dann müsstest Du den Gebrauch von Autos aber sehr stark unbequem machen. Etwa eine Parkplatz erst ab fünf Kilometer von der Wohnung entfernt. Ein Thalkirchener bekommt einen Einstellplatz in Hadern zugewiesen und umgekehrt :lol:

Weder der ÖPNV noch das Fahrrad können alle Verkehrsbedürfnisse abdecken. Dogmen gehören zu einer Religion, haben aber nichts mit Stadt- und Verkehrsplanung zu tun.

Allen Planern sie angeraten, sich auf ein vernünftiges Miteinander aller Verkehrsteilnehmer zu besinnen.

Dazu gehören Schienenwege oder Busspuren genau so, wie Radwege sowie Straßen und Parkflächen für Autos. Parkraum kann man in Innenstädten (auch in Wohngebieten) unterirdisch bauen, so dass die Wege für Fußgänger und Radfahrer frei bleiben.

Wichtig ist aber für alle Verkehrsmittel, das der Weg zum Ziel nicht allzu weit ist. Das heißt: Ausreichend kurze Haltestellenabstände im ÖPNV und ausreichend (unterirdischen) Parkraum für Autos. Dann klappt es auch mit der Akzeptanz.

Woran es in vielen (deutschen) Städten mangelt, sind kurze Haltestellenabstände. Je länger der Weg zu Haltestelle ist, desto größer ist die Bereitschaft, mit dem Auto zu fahren. Also muss man da ansetzen und nicht, das Autofahren (noch) unbequemer zu machen.
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Beitrag von Boris Merath »

Cloakmaster @ 7 Jan 2014, 04:31 hat geschrieben: Ich halte München ÖPNV-mässig für besser aufgestellt, als Berlin - und trotzdem hat es in München relativ mehr Autos als in Berlin.
Das ist ja kein Wunder, wenn die Zahlen nicht stimmen, Bei 0,8 privater PKW pro Einwohner muesste ja jeder Einwohner ueber 18 ein Auto haben - da sieht man auf den ersten Blick dass das nicht stimmen kann.

Es sind 652 000 PKW in Muenchen, und zwar alle, nicht nur die privaten. Die Zahlen fuer Berlin habe ich nicht recherchiert.
Bis zur vollzogenen Anbringung von ausreichenden Sandstreuapparaten an allen Maschinen haben die Bahnwärter bei aufwärtsgehenden Zügen auf stärkeren Steigungen die Schienen ausgiebig mit trockenem Sand zu bestreuen und für die Bereithaltung eines entsprechenden Vorrathes zu sorgen.

Fahrdienstvorschrift bayerische Staatsbahnen 1876
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Beitrag von Entenfang »

Dann müsstest Du den Gebrauch von Autos aber sehr stark unbequem machen. Etwa eine Parkplatz erst ab fünf Kilometer von der Wohnung entfernt.
Es würde doch schon reichen, in einigen Straßen im Zentrum alle Parkplätze am Seitenstreifen abzuschaffen und stattdessen als Fahrradstreifen auszuweisen. Dann wäre der Radverkehr sicherer und attraktiver und die Tram/der Bus schneller, weil die Zuckelei hinter Radfahrern nicht mehr existieren würde. Dadurch würde es auch weniger Parkplätze geben, Folge davon, geringere Wahrscheinlichkeit auf einen Parkplatz in Zielortnähe und damit längere Fußwege.
Weder der ÖPNV noch das Fahrrad können alle Verkehrsbedürfnisse abdecken.
Korrekt. Wir diskutieren hier aber auch nicht über die Abschaffung vom MIV generell.
Allen Planern sie angeraten, sich auf ein vernünftiges Miteinander aller Verkehrsteilnehmer zu besinnen.
Ja. Aber der MIV hat keinen Anspruch auf 80% des Straßenbereichs.
Parkraum kann man in Innenstädten (auch in Wohngebieten) unterirdisch bauen, so dass die Wege für Fußgänger und Radfahrer frei bleiben.
Dagegen ist nichts einzuwenden. So lange man dann nicht verpflichtet wird, einen überteuerten Stellplatz zur Wohnung dazuzukaufen.
Wichtig ist aber für alle Verkehrsmittel, das der Weg zum Ziel nicht allzu weit ist. Das heißt: Ausreichend kurze Haltestellenabstände im ÖPNV und ausreichend (unterirdischen) Parkraum für Autos. Dann klappt es auch mit der Akzeptanz.
Der unterirdische Parkraum kostet aber einiges beim Bau und Betrieb. Diese Kosten müssen irgendwie wieder reingeholt werden.
Woran es in vielen (deutschen) Städten mangelt, sind kurze Haltestellenabstände.
Wie kommst du denn so pauschal darauf?
Es gibt Schnellbahnen, die dazu dienen, schnell größere Entfernungen zurückzulegen. Für die Feinerschließung gibt es Bus und Tram. Hohe Durchschnittsgeschwindigkeit und kurzer Haltestellenabstand ist bisschen schwierig umzusetzen. Übrigens hat man die Neubaustrecken der Münchner Tram (Parkstadt Schwabing und St. Emmeram) extra auf kurze Haltestellenabstände ausgelegt, um die Fußwege kurz zu halten.
Je länger der Weg zu Haltestelle ist, desto größer ist die Bereitschaft, mit dem Auto zu fahren.
Das ist vollkommen richtig. Zu lange Fußwege sind einer der besten Möglichkeiten, die Leute von der ÖPNV-Nutzung abzuhalten.
Also muss man da ansetzen und nicht, das Autofahren (noch) unbequemer zu machen.
Nutzen des gewünschten Verhaltens erhöhen oder Kosten dafür senken, also ÖPNV verbessern oder Fußwege verkürzen.
Nutzen des unerwünschten Verhaltens senken oder Kosten dafür erhöhen, also mehr Tempo 30, weniger Parkplätze, Innenstadtmaut.

Beides zusammen hat den größten Effekt.
Mein Bahnjahr 2024
Zurückgelegte Strecke: 30.060 km - Planmäßige Gesamtreisezeit: 16,1 Tage - Gesamtverspätung (analog FGR): 626 min - Planmäßige Reisegeschwindigkeit: 78 km/h - Durchschnittliche Fahrzeitverlängerung aufgrund von Verspätung: 2,7% - Fahrtkosten: 10,6 Cent/km - Anschlussquote (alle Anschlüsse einer Verbindung mit min. 1 Umstieg erreicht): 87,5%
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Beitrag von 218217-8 »

chris232 @ 8 Jan 2014, 14:22 hat geschrieben:Rein interessehalber: Wo denn z.B.?
Sehr gute ÖPNV-Erfahrungen habe ich gemacht in Boston, San Francisco, New York und Chicago. Auch in LA und Las Vegas hat sich viel getan. In allen diesen Städten kann man ganz gut ohne Auto auskommen.
Wenn man von dort aus Ausflüge in die Umgebung machen will, kann das je nach Region natürlich schon wieder etwas anders aussehen.
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Beitrag von Hans Mayerson »

Entenfang @ 8 Jan 2014, 23:04 hat geschrieben:Nutzen des gewünschten Verhaltens erhöhen ....
Du schon bist Du wieder in einem Dogma gefangen.

Freitagsgebet, Sabbat, sonntäglicher Kirchenbesuch?

Welche "Kirche"? Sunnitische oder Schiitische Moschee? Orthodoxe oder eine eher "weltliche" Synagoge? Und wie sieht es mit den Christen aus? Römisch-Katholisch oder diverse evangelischen Gruppen?

Ich weiß, das hat mit Verkehrsplanung nichts zu tun. Aber ein Zusammenhang mit Deinen Gedanken ist schon in gewisser Weise erkennbar. Man kann ein Dogma auch auf politische Überzeugungen übertragen, auch ohne Religion.

Nach Deinem Dogma scheint der ÖPNV die einzig "richtige Fortbewegungsart" (neben Fußwegen und Fahrrad) zu sein. Wenn ich mich irre, so bitte ich um Vergebung.
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Beitrag von 218217-8 »

Hans Mayerson @ 8 Jan 2014, 21:34 hat geschrieben:Woran es in vielen (deutschen) Städten mangelt, sind kurze Haltestellenabstände. Je länger der Weg zu Haltestelle ist, desto größer ist die Bereitschaft, mit dem Auto zu fahren.
Ja und nein. Oder anders gesagt, es kommt darauf an:
Es ist immer ein Kompromiss aus kurzen Haltestellenabständen und kurzer Fahrzeit. Wenn ich es mit einer der beiden Disziplinen "übertreibe", geht es immer auf Kosten der anderen. In größeren Städten kann man verschiedene Produkte anbieten, die entweder schnell sind oder oft halten. Außerdem werden in größeren Städten weitere Wege zur Haltestelle akzeptiert als in kleineren Städten, weil die Reisezeiten durch die größeren Entfernungen allgemein länger sind.
In kleinen Städten, wo man aus dem Wohngebiet in zehn Minuten in die Innenstadt gelaufen ist, ist es natürlich wenig attraktiv, wenn die nächste Haltestelle zu Fuß acht Minuten von meinem Haus entfernt liegt.
Beispiel für eine (kleine) Stadt mit recht kurzen Haltestellenabständen: Neckarsulm.
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Beitrag von GSIISp64b »

Hans Mayerson @ 9 Jan 2014, 00:18 hat geschrieben: Nach Deinem Dogma scheint der ÖPNV die einzig "richtige Fortbewegungsart" (neben Fußwegen und Fahrrad) zu sein. Wenn ich mich irre, so bitte ich um Vergebung.
Moment. Das Einzige, was die Bevorzugung von ÖPNV gegenüber dem Auto deiner bisherigen Argumentation nach zum Dogma macht, ist, dass du Autos lieber als den ÖPNV magst.
Dauerhaft abwesend, und ich komme nicht mehr wieder.
Cloakmaster
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Beitrag von Cloakmaster »

Boris Merath @ 8 Jan 2014, 22:12 hat geschrieben:
Ich halte München ÖPNV-mässig für besser aufgestellt, als Berlin - und trotzdem hat es in München relativ mehr Autos als in Berlin.
Das ist ja kein Wunder, wenn die Zahlen nicht stimmen, Bei 0,8 privater PKW pro Einwohner muesste ja jeder Einwohner ueber 18 ein Auto haben - da sieht man auf den ersten Blick dass das nicht stimmen kann.

Es sind 652 000 PKW in Muenchen, und zwar alle, nicht nur die privaten. Die Zahlen fuer Berlin habe ich nicht recherchiert.
652000 Pkw auf wie viele Einwohner über 18? Ich habe noch die Gesamtzahl von 1,3 Mio Einwohnern in München im Kopf wie gesagt ich wohne schon eine Zeitlang nicht mehr in der Heimat. 1.3 Mio vom vom Säugling bis zum Greis, bedeutet wohl, daß die Zahl der Menschn im erwerbsfähigen Alter (18-65) wohl unter einer Million zu finden ist. Vielleicht waren es auch Haushalte statt Einwohner, so gernau weiss ich das auch nicht mehr. Auch diese Zahl dürfte relativ deutlich unter einer Million liegen, und schon kommt man der 0.8 als Faktor entsprechend näher.

Während der Tagesspiegel 289 Pkw auf 1000 Einwohner für Berlin, und 322 für München meldet, nennt "Bild" 319 Für den Zulassungsbereich "B-" (Rang 50) und 467 für den Bereich "M-" (Rang 9) Die Ränge 1-8 gehen an kleinere Städte, Spitzenreiter ist Bochum (508)

Man sieht also: Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast. Der Trend ist dennoch klar: Die Autodichte in München ist höher als die in Berlin. Und nichts anderes war meine von dir zitierte, und als falsch bezeichnete Kernaussage.
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