Es stand nach langer Zeit mal wieder einer meiner „gefürchteten“ Tagesausflüge mit dem Zug auf dem Programm. Als Ziel hatte ich Aachen auserkoren.
Eine „witterungsbedingte Störung“ beeinträchtigt den Bahnverkehr bei Rohrbach auf der Strecke Richtung Nürnberg. Der ICE 612, mit dem es um 07:28 Uhr Richtung Köln geht, nimmt aber den Weg über Stuttgart, so dass mich das nicht betrifft. Zuerst regnet es, kurz vor Frankfurt kommt die Sonne raus. Die Fahrt bis Köln verläuft dann auch unspektakulär, wenngleich vor allem im Bereich der „Westerwald-Achterbahn“ nur leidlich pünktlich. Von 10 Minuten zum Umsteigen in Köln bleiben noch 3 übrig, was aber ausreicht, um durch die Unterführung auf den anderen Bahnsteig zu wechseln. Die Doppelstockwagen des Regionalexpresses nach Aachen sind nur spärlich besetzt, auch dieser Fahrtabschnitt verläuft unspektakulär. Im Bereich Langerwehe – Stolberg gibt es an den Strecken der Euregio lustige Signalbauformen. Besonders die Vorsignale gefallen mir. Leider sind diese vom fahrenden Zug aus nicht fotografierbar.
Aufgrund des strahlenden Sonnenscheins entschließe ich mich, das Kulturprogramm mit dem angeblich um das Jahr 800 errichteten Dom auf später zu verschieben und mir zunächst die sanfte Hügellandschaft des Dreiländerecks Deutschland-Niederlande-Belgien westlich vom Stadtgebiet Aachens zu erwandern. Eine mögliche Route habe ich am Vorabend von der Couch aus recherchiert und im Mobiltelefon abgespeichert. In Anbetracht der Temperaturen gerät dies zu einer schweißtreibenden Aktion, und irgendwie habe ich auch die Streckenlänge und den damit verbundenen Zeitaufwand unterschätzt. Bevor Missverständnisse aufkommen, es ist eine wunderschöne Wanderung mit entspannten Pausen, aber um 16:45 Uhr bin ich erst am Grenzübergang an der Vaalser Straße, das ist noch ziemlich genau 5 km vom Aachener Hauptbahnhof entfernt, für die Rückfahrt angepeilt ist entweder der Regionalexpress um 17:18 Uhr oder der um 17:51 Uhr, ich bin konditionsmäßig schon ziemlich geplättet (nach 12 km Wanderung in den Füßen), und von der Innenstadt gesehen habe ich auch noch nichts.
Glücklicherweise steht gerade ein Linienbus abfahrbereit an der Haltestelle an der Grenze, so dass ich für 2,65 € auf einem Sitzplatz im angenehm klimatisierten Bus einem abgespeckten Kulturprogramm entgegeneilen kann. Die Zeit reicht zumindest für eine kurze Besichtigung des Doms von außen, die Kühlung der Arme im Brunnen am Münsterplatz, den Kauf eines kleinen Mitbringsels für die bessere Hälfte daheim und die Ergänzung der Getränkevorräte beim örtlichen Lebensmittelvollsortimenter. Die Kurzvisite am Dom kann mich nicht von der von mir vertretenen Ansicht abbringen, dass der Dom in Wirklichkeit etwa 300 Jahre jünger ist als in den Geschichtsbüchern steht und Karl der Große von der katholischen Kirche frei erfunden wurde, um ihren Machtanspruch im Mittelalter irgendwie begründen zu können.
Rechtzeitig wieder am Bahnhof eingetroffen verlasse ich den zuerst bestiegenen Wagen des 17:51 Uhr-Zuges sofort wieder. Der nächste Wagen ist dann angenehm gekühlt statt saunamäßig geheizt. Die fahrplanmäßigen 11 Minuten in Köln zum Umstieg in den ICE 203, mit dem es bis Mannheim gehen soll, stehen mir fast vollzählig zur Verfügung. Von kurzzeitig angedachten Experimenten wie einer Kurzvisite des Kölner Doms sehe ich aber lieber ab, sondern steuere stattdessen zielstrebig das Bistro des hinteren Zugteils an. Schwäbische Maultaschen? Nach einem kurzen Blick in die neben der Speisekarte ausliegende Auflistung der Inhalts- und Zusatzstoffe verwerfe ich den Gedanken schnell. Bayerischer Schweinsbraten? Gibt es hier in jeder heruntergekommenen Dorfboazn besser und günstiger. Also fällt die Wahl auf Penne Tomate-Gorgonzola und ein Tafelwasser. Warum schmeckt das Tafelwasser in dem nur mäßig sauberen Glas nach Meerrettich? Ich tue es vorsorglich als Einbildung meinerseits ab. Warum finde ich in der Nudelpampe so gar nichts, was an Gorgonzola erinnert? Meine freundliche Bedienung versichert, sich nicht im Packerl vergriffen zu haben, und berechnet daher nicht die um 1 € günstigere Tomatensauce, sondern das, was ich bestellt hatte. Auf ein Trinkgeld hat sie dafür vergeblich gehofft, es gibt ausnahmsweise keinen Cent von mir.
Der Zug nähert sich Mannheim, meinem persönlichen Umsteige-Waterloo, das mich in der Vergangenheit noch selten weniger als 90 Minuten Verspätung gekostet hat. Heute sollen es 91 Minuten werden, was ich aber noch nicht ahne, bis ich aufgrund der Verspätung und der auf von 7 Minuten auf knapp 1 Minute zusammengeschmolzenen Umsteigezeit mal die Bahn-App auf dem Mobiltelefon bemühe. Oha, mein Anschluss, der ICE 693, ist wegen eines Stellwerksausfalls bei Nörten-Hardenberg (das Kaff ist bekannt von der derzeit großen Baustelle auf der Autobahn A7) mit +70 angekündigt. Also, nach dem Ausstieg erst einmal die Möglichkeiten checken: Der ICE 771 nach Stuttgart ist mit +80 angekündigt, der ICE 615 nach München eine Stunde später ist pünktlich, und dann gibt es da noch den IC 2213 nach Stuttgart, ebenfalls pünktlich, mit dem ich zwar in Stuttgart nicht den ICE 615 nach München erreiche (wodurch ich immerhin eine halbe Stunde eher im Bett liegen würde), weil der IC den Umweg über Heidelberg nimmt, aber für den verspäteten ICE 693 sollte es auf alle Fälle reichen. Auf diese Weise könnte ich mir mal anschauen, wie die Bpmz nach Durchlaufen des Modernisierungsprogrammes denn nun so ausschauen. Um es vorweg zu nehmen, brauchbar, aber Wunder darf man keine erwarten.
Nur, wie überbrücke ich nun die Wartezeit? Mobiles Internet zücken, was gibt es Interessantes im Umfeld des Bahnhofs: Nichts. Mannheim hat wohl durchaus interessante Ecken zu bieten, aber nicht in direkter Bahnhofsnähe. Allenfalls müsste irgendwo ein Tunnelhilfszug abgestellt sein, den spare ich mir aber. Hausnummern der Quadrate in der Abenddämmerung besichtigen? Nein, ich bevorzuge ein schönes großes Eis. Und warte. Der ICE 693 hat inzwischen dazu gewonnen und ist nun mit +100 angekündigt. Nach einer knappen Stunde Wartezeit besteige ich endlich den IC 2213 nach Stuttgart, der insbesondere hinten (wer will in einem Zug nach Stuttgart schon hinten sitzen?) sehr spärlich gefüllt ist, außer mir sitzen noch drei Leute im ganzen vorletzten Wagen. Zügig geht es voran. Für wenige Minuten. Bis 5 km vor Heidelberg ein anderer IC überholt. Egal, ich habe ja in Stuttgart genügend Zeit zum Umsteigen. Das denke ich nicht nur, es wird sich auch bewahrheiten, wenngleich mir in Wiesloch-Walldorf ernsthafte Zweifel kommen. Der Zug kommt außerplanmäßig im dortigen Bahnhof zum stehen. Der Schaffnerrufton ertönt, kurz darauf die Durchsage vom Lokführer, der Zugbegleiter möge doch bitte die Schaltschrankanzeige beachten. Wenn ich mich richtig entsinne, ist das die codierte Durchsage dafür, dass die Notbremse gezogen wurde. Nach 8 Minuten aufatmen, der Zug wird abgefertigt, nach einer weiteren Minute geht es, nun mit +14, weiter, man entschuldigt den Stopp mit einem technischen Defekt.
Es bleibt also genügend Zeit, in Stuttgart nicht vorne aussteigen zu müssen. Ich erspare mir also die Pilgerreise von Wagen 4 zu Wagen 17, sondern lege den Weg am fast menschenleeren Bahnsteig zurück. Der ICE 693 erreicht mit nach wie vor +100 Stuttgart. In Ulm sind es dann +98, ich habe genügend Lesestoff im Rucksack. +91 in Augsburg, +90 in Pasing, wieder +91 am Münchner Hauptbahnhof, weil natürlich die Einfahrt nicht frei ist. Die vorletzte U-Bahn ist seit ein paar Minuten weg, die nächste fährt 25 Minuten später. Zuzüglich Standzeiten wegen der Anschluss-Sicherung um diese Tages- äh Nachtzeit. Um es kurz zu machen, um 01:35 Uhr bin ich daheim, befreie mich noch schnell vom gröbsten Schweiß des Tages, und falle totmüde ins Bett.
22.07.2014, Tagesausflug nach Aachen
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Jo, manchmal ist vieles Glücksache. Ich habe gestern spontan aus dem Bauch raus entschieden, vom 129 in [acronym title="FFLF: Frankfurt am Main Flughafen Fernbahnhof <Bf>"]fflf[/acronym] auf den 615 zu wechseln statt in [acronym title="FF: Frankfurt (Main) Hbf <Bf>"]ff[/acronym] auf den 377. Diese völlig ungeprüfte Bauchentscheidung hat mir in [acronym title="RM: Mannheim Hbf <Bf>"]rm[/acronym] den Anschluss auf den 4815 gesichert, weil der 615 auf die Minute pünktlich war, der 377 von Berlin her aber mit irgendwas um die +30 unterwegs... B-)
Dafür hatte gestern früh der 616 gleich mal entspannte +46 wegen "technischer Störung am Zug" (schrottiger 403er), also heilig ist nix.
Dafür hatte gestern früh der 616 gleich mal entspannte +46 wegen "technischer Störung am Zug" (schrottiger 403er), also heilig ist nix.
München kann jeder. Duisburg muss man wollen!
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Da gab es keinen Hinweis durch das Zub? An dieser Stelle (wahrscheinlich ists die falsche) auch mal ein dickes Lob an den Servicechef des 1594 - der hat sich wirklich vorbildlich um seine Reisenden gekümmert!146225 @ 24 Jul 2014, 05:55 hat geschrieben: Jo, manchmal ist vieles Glücksache. Ich habe gestern spontan aus dem Bauch raus entschieden, vom 129 in [acronym title="FFLF: Frankfurt am Main Flughafen Fernbahnhof <Bf>"]fflf[/acronym] auf den 615 zu wechseln statt in [acronym title="FF: Frankfurt (Main) Hbf <Bf>"]ff[/acronym] auf den 377.
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Sehr gutes Beispiel. EU-Gelder in extrem teure HGV-Trassen mit monströsen Bahnhöfen und ziemlich wenigen Fahrgästen verbaut und abseits dieser Trassen fast nichts.munichworld @ 26 Jul 2014, 08:40 hat geschrieben: Vorallem wenn man in Spanien Zug gefahren ist weiß man wie wohltuend das ist auch auf die Fahrpreise bezogen
Mein Bahnjahr 2023
Zurückgelegte Strecke: 28.430 km - Planmäßige Gesamtreisezeit: 18,3 Tage - Gesamtverspätung (analog FGR): 1436 min - Planmäßige Reisegeschwindigkeit: 65 km/h - Durchschnittliche Fahrzeitverlängerung aufgrund von Verspätung: 5,5% - Fahrtkosten: 8,9 Cent/km - Anschlussquote (alle Anschlüsse einer Verbindung mit min. 1 Umstieg erreicht): 84,1%
Zurückgelegte Strecke: 28.430 km - Planmäßige Gesamtreisezeit: 18,3 Tage - Gesamtverspätung (analog FGR): 1436 min - Planmäßige Reisegeschwindigkeit: 65 km/h - Durchschnittliche Fahrzeitverlängerung aufgrund von Verspätung: 5,5% - Fahrtkosten: 8,9 Cent/km - Anschlussquote (alle Anschlüsse einer Verbindung mit min. 1 Umstieg erreicht): 84,1%
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Mei, in Spanien ist nicht umsonst das Hauptverkehrsmittel der Bus. Eine teure, lahme und Fahrgastgängelnde RENFE mit Mini-Netz kann dem nicht wirklich was entgegensetzen.munichworld @ 26 Jul 2014, 08:40 hat geschrieben: Ja es ist ja langsam aber sicher auch bekannt das unsere Bahn leider auf Verchleiß fährt. Vorallem wenn man in Spanien Zug gefahren ist weiß man wie wohltuend das ist auch auf die Fahrpreise bezogen