Abends um sieben startet die Fahrt nach Krakau. Dank der Nichtmehrexistenz des Dresden-Wroclaw-Express steht uns ein kleiner Umweg bevor. Nachdem wir schon um den zwölften Exkursionsteilnehmer gebangt haben, schaffen wir es doch alle pünktlich zur Abfahrt in den EC. Eigentlich hatten wir geplant, es uns nach der tschechischen Grenze im Speisewagen gemütlich zu machen und die Happy Hour zu genießen. Leider sind wir nicht die einzigen, die am Vorabend eines Feiertages unterwegs sind. Der EC ist ziemlich voll und der Speisewagen bis zum letzten Platz gefüllt. Währende wir beratschlagen, was wir tun wollen, gehen wir dem überforderten Kellner ziemlich auf die Nerven, denn wegen uns gibt es fast keine Durchkommen mehr. Die Stimmung ist angespannt und ein Großteil begibt sich wieder zurück zu unseren Plätzen im vordersten Wagen. Ich bin aber zu hungrig, um so schnell aufzugeben und setze mich mit einem weiteren Hungrigen an einen Tisch zu einer jungen Frau dazu. Wie befürchtet, ist die halbe Karte ausverkauft und vom Rest kann oder will er den Großteil nicht zubereiten, weil der Koch überfordert ist. Also nur eine Gulaschsuppe gegen den größten Hunger.
Eine mittelalte Frau ruft den Kellner und deutet auf ihr Essen. Es folgt eine kleine Diskussion. Offensichtlich versteht er nicht und die Frau tippt mit ihrer Zeigerfingerspitze in die Soße und präsentiert das Ergebnis. Anscheinend versteht er immer noch nicht. Sie berührt seinen Zeigerfinger, aber er sieht es wohl immer noch nicht ein. Da nimmt sie seinen Zeigerfinger uns tunkt ihn in die Soße. Was auch immer mit der Soße los war, jedenfalls nimmt der Kellner den noch halb gefüllten Teller mit.
Nach einem außerplanmäßigen Lokwechsel in Decin und ein bisschen Stop and Go haben wir +15 eingesammelt. Die Umsteigezeit von 36 Minuten in Prag schrumpft dahin. Nach dem Essen begeben wir uns zurück zum Rest, wir müssen fast den ganzen Zug durchlaufen. Es sind einige Saufgruppen unterwegs, die sich grandios daneben benehmen und wegen verschüttetem Bier stinkt es in einem Wagen furchtbar.
In Prag geht ein Großteil schnurstracks in den Supermarkt, denn der Hunger hat mittlerweile stark um sich gegriffen. Außerdem will ein Getränkevorrat für die anschließende Nachtzugfahrt angelegt werden. Dank Gulaschsuppe verzichte ich auf dem Supermarkt und packe stattdessen mein Stativ aus.

Der Prager Hbf wirkt zu dieser Zeit ein wenig wie ein Einkaufszentrum nach Ladenschluss.


Schon ist es an der Zeit, zum Bahnsteig zu gehen. Der Kurswagen nach Krakau ist fast ganz am Ende. Wir haben zwei Sechserabteile in einem modernisierten ÖBB-Liegewagen, aber erstens ist der Zug ziemlich leer und zweitens der Schaffner gut drauf, sodass wir uns auf drei Abteile verteilen dürfen. Während wir uns auf dem Gang unterhalten, kommt ein junger Mann vom Typ Interrailer in unseren Wagen. „Hey guys, do you know if they sell drinks?“ „Sure, the conductor sells beer. Just few compartments down the corridor“, klären wir ihn auf. „Aber er hat doch gar nicht gesagt, was er trinken will“, wendet jemand ein.
„Der sieht nicht so aus, als würde er etwas anderes als Bier wollen…“
„Anything you like. I have beer, wine, Coke, ...“ dröhnt es aus dem Schaffnerabteil.
Wenig später kommt der Schaffner mit einigen Blatt Papier und Stiften in der Hand zu uns.
„Ok Leute, I have these questions und sechs pencils. Danke.“ Wir nehmen die Fragebögen und die Stifte.
Liebe Freunde,
um den Service von JLV zu verbessern…
Na das verspricht ja lustig zu werden.
Bei der Frage nach Freundlichkeit des Schaffners ist jedenfalls das Kreuz bei „Exzellent“ sicher.
Mein Abteil legt sich zeitig zu Ruhe und da ich leider mittwochs schon unmenschlich früh um 7:30 Uhr zur Vorlesung antanzen darf, schließe ich mich da an. Das Bett ist hart und ziemlich kurz. Dennoch geht mir mal wieder das Motto „Reisen statt Fliegen“ durch den Kopf.
Rumms. Bruuuuuuum. Quiiiiiiietsch. Rummms.
Dodong. Ladies and gentlemen, the international Euronight train to Kosice, departing at two thirty-seven, is ready for departure. Dodong.
Klack klack klack klack.
Irgendjemand muss mit Stöckelschuhen den Bahnsteig mehrfach auf und ab gehen.
Dodong. Ladies and gentlemen, the international Euronight train to Krakow Glowny, departing at three thirty-five, is ready for departure. Dodong.
In Bohumin herrscht mitten in der Nacht Hochbetrieb.
Ein Abteil weiter ist immer noch keine Ruhe eingekehrt.