218217-8 @ 7 Oct 2016, 23:48 hat geschrieben:Naja, ganz so ist es auch nicht. Möglich ist eine solche "feindliche Übernahme" nur zum Ablauftermin der Genehmigungen.
Aus der SZ:
"Die Strategie der Bahn: Sie wartete nicht etwa die turnusmäßige Ausschreibung der Stadt Pforzheim ab, sondern nutzte eine Sonderregelung im Personenbeförderungsgesetz (...) Demnach können Unternehmen vor Beginn der Ausschreibung die Übernahme von Netzen beantragen, wenn sie diese ohne öffentliche Zuschüsse betreiben."
Der Wert, der dahinter steht, ist der, dass mit Steuergeldern sparsam umgegangen wird. Nicht derjenige mit den besten Beziehungen o.ä. soll gewinnen, sondern derjenige, der am wenigstens Steuergelder dafür benötigt. Und eigenwirtschaftlich = keine Steuergelder ist da natürlich der Idealfall.
So ist es aber nicht. Der Busbetrieb läuft formal eigenwirtschaftlich, dennoch kaufen die öffentlichen Schulträger mit Steuergeldern Schülerzeitkarten, außerdem stehen dem Unternehmer gewisse Ausgleichszahlungen zu, z.B. die Differenz zu Verbundtarifen. Fahre ich als VU eigenwirtschaftlich, lege ich den Tarif fest, den ich mir bei der Aufsicht genehmigen lasse, da kann mir die Stadt nicht reinreden. Der Verbundtarif kostet für eine gewisse Strecke 3 Euro, die tatsächlichen Kosten bzw. ein theoretischer kostendeckender Haustarif lägen bei 4 Euro, also legt die Stadt 1 Euro drauf. Das ergibt dann im Jahr die bisherigen x Millionen Defizit, die man bisher einfach als Subvention in den städtischen Betrieb gesteckt hat. Jetzt kommt aber ein neues VU und sagt, es fährt eigenwirtschaftlich, erhöht aber langsam auf einem genehmigten Tarif von 5 Euro. Um den Verbundtarif wie bisher zu halten muss die Stadt jetzt statt 1 Euro ganze 2 Euro drauflegen oder den Verbundtarif anheben...
Konkretes Beispiel: Eine Schülermonatskarte beim subventionierten Stadtbus meiner Kreisstadt kostet 21,75 Euro. Bei Schülern, die Anspruch auf Beförderung haben, zahlt der Kreis dieses Ticket. Als ich noch zur Schule ging, das war 2004, hat das Schülermonatsticket für vergleichbare Strecken auf einer nicht subventionierten Privatlinie bereits an die 40 Euro gekostet! Nähmen wir mal an, das wäre heute auch noch so, dann zahlt beim Stadtbus die Stadt pro Monat statistisch glaube ich etwa 10 Euro an Subvention allgemein, der Landkreis zahlt 21,75 Euro für den Rest. Unter'm Strich etwa 32 Euro Steuergelder im Monat für ein Schülerticket. Bei meiner Privatlinie gibt's keine allgemeine Subvention, der Bus fährt ja eigenwirtschaftlich. Das Ticket hat mir der Kreis trotzdem bezahlt, also 40 Euro Steuergelder. Wo spart da jetzt der Steuerzahler?
Man muss aufpassen, ob das große ganze betrachtet wird oder nur ein Ausschnitt. Die Genehmigungsbehörde interessiert halt nur die Bücher des VU und nicht, ob die ganzen verkauften Tickets letztlich doch durch die Hintertür vom Steuerzahler mitfinanziert werden. Im SZ-Artikel wird das so umschrieben:
"Pforzheim würde sich nun Zuschüsse von drei Millionen Euro jährlich sparen. Eigentlich eine gute Nachricht für die Kämmerer angesichts meist defizitärer Verkehrsbetriebe. Doch beim Deutschen Städtetag kann man nicht an ein Erfolgsmodell glauben. Das aktuelle Recht sei ein Einfallstor für Unternehmen, die behaupten, ohne Zuschüsse klarzukommen, sagt Dedy. "In der Praxis aber erwarten auch sie öffentliche Zuschüsse, etwa für die Beförderung von Schülern und für vergünstigte Tickets im Verkehrsverbund." Damit werde "die Qualität des Verkehrsangebots gefährdet.""
Das ist halt der Witz an dieser Gesetzeslücke. Sorry, es ist einfach icht glaubhaft. Ein Stadtbusbetrieb wie Pforzheim kann eigentlich nicht mal eben so 3 Millionen Euro + x Euro Gewinn, damit die ganze Sache interessant wird, billiger werden. Ich weiß nicht, was der ganze Betrieb so an Ausgaben hat, aber 3 Millionen Euro könnten durchaus 1/4 bis 1/3 sein, nichts was man mit alle paar Jahre ein paar Tausendern billigeren Buskäufen wieder reinholt.
Realistisch ist, dass der Steuerzahler keinen Einfluss mehr hat und dafür hinterher mehr als 3 Millionen Euro zahlt. Und wenn's nur das Hartz IV-Aufstocken von Billigfahrern ist. Das ist ein Bilanztrick wie der "Gewinn", den die bundeseigene DB Regio mit den Regionalisierungsmitteln des Bundes macht, um dem Bund dann Dividende zu zahlen. Der FDPler findet's geil, endlich weg von der defizitären Bundesbahn. In Wirklichkeit inkl. der ganzen Arbeitslosen und Minijobler, die man nicht mehr halbwegs menschenwürdig als ABM bei der Bundesbahn unterbringt, kostet uns das alles mindestens das gleiche wie vorher, nur anders bilanziert und mit anderen Geldtöpfen und ein paar Leuten mehr, die jetzt AfD wählen...