14.08.2003
Lokführer arbeiten sich ein
Villingen
VON JüRGEN DREHER
Und immer per Zugfunk anmelden, wenn Sie aus dem Abstellgleis zum Bahnsteig vorfahren, damit die da oben Bescheid wissen!" Die da oben: Damit meint Lokführer-Trainer Walter Ludwig die Bediensteten im Stellwerk im Bahnhof Rottweil. Seine vier Schüler im Cockpit eines der ersten Ringzug-Triebwagen in der Region sind aufmerksam bei der Sache. Schließlich wird es für sie in zweieinhalb Wochen ernst: Dann sollen sie als Ringzug-Lokführer die Fahrgäste sicher, sanft und störungsfrei durch die drei Landkreise Schwarzwald-Baar, Rottweil und Tuttlingen chauffieren.
Damit das dann auch vom Start weg möglichst störungsfrei klappt, sind die neuen Lokführer seit gestern auf den Bahntrassen zwischen Bräunlingen, Villingen, Trossingen, Rottweil und Tuttlingen auf Streckenerkundungsfahrten unterwegs. Trainer Walter Ludwig begleitet die jeweils drei, vier Mann starken Gruppen. Wo stehen wichtige Signale, an welchen Streckenabschnitten muss besonders aufpassen, wie läuft die Kommunikation mit den Stellwerken, wer sind dort die Ansprechpartner? Um solche Fragen geht es dabei direkt vor Ort.
Wie zum Beispiel in Rottweil: Das Signal erlaubt die Weiterfahrt, das Stellwerk ist informiert, Walter Ludwig nickt: Mit leichtem Druck gibt Neu-Lokführer Uwe Rosek Gas, lässt den tonnenschweren Triebwagen in Schrittgeschwindigkeit von Abstellgleis 56 am Rottweiler Bahnhof zurück aufs Hauptgleis Richtung Villingen rollen. "Vorsicht bei den Signalen da vorne in der Kurve", mahnt der Fahr-Trainer, "da muss man noch mal genau schauen, welches davon jetzt für unser Gleis gilt". Als das Licht auf Grün springt, lässt Rosek den Dieselmotor aufbrummen: Los geht die Fahrt nach Süden.
Den Lokführerschein hat Rosek schon seit Juni in der Tasche, ebenso wie seine 26 anderen Kollegen. Ein vierstündiges schriftliches Examen und eine fahrpraktische Prüfung mussten sie zuvor bestehen. Das schafften nicht alle Kandidaten. Schon bei der Bewerber-Auswahl für ihre Zugführerausbildung hatte die Hohenzollerische Landesbahn (HzL) gesiebt: Alle Interessenten mussten diverse Tests absolvieren, nur rund die Hälfte durfte den Kurs bei der HzL am 1. Januar 2003 antreten. Die erfolgreichen Absolventen haben nun in den vergangenen Wochen auf den HzL-Stammstrecken weiter Fahr-Erfahrungen gesammelt.
"Nächster Halt bei Bedarf Schwenningen-Eisstadion": Mitten in der klimatisierten und leisen Fahrt meldet sich automatisch die Stimme des satellitengestützten Infosystems für die Fahrgäste. Das ist seiner Zeit aber noch etwas voraus: Die Stelle hat das System zwar korrekt angesagt und per Display auch angezeigt, aber einen (Bedarfs-) Haltepunkt gibt es an diesem Ort erst ab kommendem Jahr. "Das muss noch umprogrammiert werden", erklärt Ringzug-Projektleiter Frank von Meißner von der HzL - nur eine der vielen Aufgaben der Feinabstimmung und Detailplanung, mit denen er in den Tagen bis zum Ringzugstart jetzt noch reichlich eingedeckt ist.
Angekommen am Villinger Bahnhof schaut von Meißner mit den Lokführern, dem Trainer Walter Ludwig und HzL-Vorstandsmitglied Bernd Strobel im Stellwerk vorbei. Die Triebwagen-Chauffeure sollen die Weichensteller auch persönlich kennen lernen und Verständnis für deren Arbeit entwickeln. Schließlich werden sie mit diesen Kollegen von der DB Netz AG täglich oft zu tun haben, wenn auch nur per Zugfunk. Generell zeigt sich von Meißner überzeugt, dass die Zusammenarbeit mit der Deutschen Bahn AG im Betriebsalltag reibungslos verlaufen wird: "Auf betrieblicher Ebene läuft das gut."
Bevor die Erkundungsfahrt weiter geht Richtung Donaueschingen, bleiben noch 20 Minuten für eine kurze Pause bei der Villinger Bahnhofsgaststätte - und für ein kleines Gespräch, warum sich die frischgebackenen Lokführer für diesen Job entschieden haben. Denn fast keiner kommt direkt von der Eisenbahn, die meisten hatten zuvor andere Berufe - vom Koch bis zum Kaufmann. Unter den Neuen sind aber auch einige Lokführer, die die HzL von der Deutschen Bahn AG übernommen hat. Die Altersspanne reicht von 22 Jahren bis zu 54 Jahren: "Wir haben beim Alter keine Abstriche gemacht", meint Frank von Meißner, "warum auch? Die sind alle mit Feuer und Flamme bei der Sache."
Reinhard Spitzhüttl zum Beispiel ist 38 Jahre alt und erst vor zwei Wochen endgültig von Wetzlar nach Donaueschingen umgezogen. Früher hatte er im Hessischen einen Kurierdienst. Als er aber in einer Eisenbahnfachzeitschrift von der Suche der HzL nach Lokführern las, bewarb er sich einfach und wurde genommen. Für den Eisenbahnfan Spitzhüttl eine runde Sache, ist er doch der Region schon lange verbunden: Seit acht Jahren bereits ist er Mitglied bei einem Förderverein der Sauschwänzlebahn in Blumberg. Volker Venohr (33) wiederum kommt unmittelbar aus der Ringzug-Region: aus Trossingen. Er ist gelernter Kfz-Mechaniker und war bislang als Laster-Fahrer unterwegs.
Und Uwe Rosek (37) wohnt in Rottweil, hat früher Getränke ausgefahren und war davor beim Bundesverband Selbstschutz. Es sei schon etwas ganz anderes, nun ein Schienenfahrzeug zu führen, das außerdem bald mit Passagieren besetzt sein wird: "Da sitzen dann auch Kinder und ältere Leute mit drin, deshalb fahren wir möglichst rücksichtsvoll", erzählt er. "Und dann haben die Fahrgäste auch mal Fragen wegen der Fahrpläne und Fahrkarten", da heiße es dann, freundlich Auskunft zu geben. Auf seinen Ringzug-Job freut sich Rosek jedenfalls schon jetzt: "Mir gefällt einfach besonders gut, dass alles so durchdacht organisiert ist und dass man trotzdem selbstständig arbeitet."
Übrigens: Wer Lust hat, Lokführer zu werden, hat beim Ringzug Chancen, die HzL braucht noch Personal.
suedkurier.de