Volldampf voraus durchs Achertal

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mellertime
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Volldampf voraus durchs Achertal

In kleinen Rinnsalen läuft ihnen der Schweiß über das Gesicht, bevor er von den roten Halstüchern aufgesaugt wird. Die Hitze im Führerstand der »Badenia« ist fast unerträglich. Normalerweise pendelt sich das Thermometer hier bei 50 Grad ein. Morgen, Sonntag, sind Lothar Krohm (Lokführer), Bernhard Meucht (Heizer) und Oliver Arnhold (Schaffner) wieder unterwegs, auf der Achtertalbahn zwischen Ottenhöfen und Achern.
Von: Fabian Gartmann

Die Dampflok »Badenia« nimmt ihren Einsatz mit stoischer Gelassenheit. Immerhin ist es in ihrem Alter nicht mehr von Nöten, sich mit kleinen Unzulänglichkeiten des Lebens zu befassen. 1900 rollte sie in Preußen vom Band, wie viele andere Dampflokomotiven der gleichen Bauart auch. Hier hat man sie dann liebevoll »Badenia« genannt.

Seit 1968 ist die Achertalbahn mit ihren fünf Wagen der zweitälteste Museumszug in ganz Deutschland. Heute fährt er jedes zweite Wochenende zwischen Pfingsten und Oktober die elf Kilometer zwischen Ottenhöfen und Achern. Schnaubend wackelt sich die T 3 die Schienen der Achertalbahn entlang. Der Rauch, der aus dem kleinen Schornstein aufsteigt, wechselt ständig seine Farbe, mal ist er weiß, mal grau, nahezu schwarz.

Sie ist ein Arbeitstier, das noch vor 30 Jahren auf vielen kleinen Nebenstrecken verwendet wurde. Heute stehen die meisten still, zu unrentabel, die Technik zu kompliziert, der Betrieb zu teuer und die Zugkraft zu gering. Ganz zu schweigen von der Anstrengung für die Lokführer und die Heizer. »Früher, als nur mit solchen Loks gefahren worden ist, war das ein hartes Brot«, sagt Lothar Krohm, Leiter der SWEG-Werkstatt in Ottenhöfen und der Lokführer der alten Lady. Auch heutzutage ist es nicht gerade leicht, denn außer der Funkverbindung hat sich an der alten Lokomotive kaum etwas verändert. Deshalb heißt es auch heute wieder Kohle schippen - eine richtige Schinderei. Rund acht Zentner schluckt der Ofen auf einer Fahrt von Ottenhöfen nach Achern und zurück. Dazu etwa zwei Kubikmeter Wasser, das ständig auf einer Temperatur von 160 Grad sein muss.

Bevor die »Badenia« losdampft, wird sie schon sehr früh aus ihrer »Ruhestätte« geholt, um sie auf Touren zu bringen. Denn es gibt viel zu tun: Kohlen auffüllen, den Kessel heizen, frisches Öl in die Kolben pumpen und dafür sorgen, dass das Wasser seine Betriebstemperatur erreicht.

Lothar Krohm (Lokführer), Bernhard Meucht (Heizer) und Oliver Arnold, der gerade seine Ausbildung zum »Lokomotivführer« macht, sind ein eingespieltes Team. Schon so oft haben sie den dicken Brummer die Schienen rauf und runter gescheucht. In wenigen Minuten, pünktlich um 9.45 Uhr, setzt sich der Zug in Bewegung, Passagiere ergattern die letzten Plätze.

Oliver Arnhold dreht das Ventil für die Glocke auf, während Bernhard Meucht noch einmal Kohle nachwirft, und dem Kessel so richtig einheizt. Seit 1979 fährt er auf der »Badenia«, immer als Heizer. Lokführer wollte er nicht werden. »Die Ausbildung zum Heizer dauert nur ein dreiviertel Jahr, da habe ich mir damals gedacht, dass das reicht«, sagt Bernhard Meucht.

Lothar Krohm pfeift dreimal und setzt den Zug in Bewegung. Jeder Handgriff sitzt, gar nicht so einfach bei dieser Unmenge an Hebeln und Hähnen. Und dann ruckelt sie los, die 104 Jahre alte Dampflok »Badenia«.

Sie ist schon sehr anmutig, die alte Dame, und hat in dem einen Jahrhundert kaum an Attraktivität eingebüßt. Nach wie vor ist sie ein Magnet für Eisenbahnbegeisterte. Auch für Kinder stellt die Bahn ein Erlebnis dar. Kein Wunder, überall qualmt es, dann die druckvolle Pfeife, die das Trommelfell beinahe zum Platzen bringt, da leuchten Kinderaugen.

Aber nicht nur sie füllen den Zug, auch viele Feriengäste und Einheimische sind Verehrer der stattlichen Lokomotive. »An guten Tagen ist kaum Platz zum Atmen«, erklärt Jürgen Huber, der als Schaffner fungiert. Doch die meisten Fahrgäste stehen lieber, am liebsten auf der kleinen Fläche direkt hinter der Lokomotive.

Die Geschichte dieser Strecke ist lang. Seit 1. September 1898 gibt es im idyllischen Achertal den Bahnbetrieb. Früher sind hier jeden Tag schöne dampfbetriebene Lokomotiven die Schienen entlanggehechelt, heute tut das nur noch die »Badenia«. Die rote Kaffeekanne, die mitten auf dem Kohleofen im Führerstand steht, wackelt hin und her, doch sie hält sich tapfer, bis Lothar Krohm auf stolze 40 Kilometer in der Stunde beschleunigt hat. Dann läuft die Lokomotive fast von alleine.

Er schnaubt, der schwarze Koloss. Ein paar kleine Altersschwächen zeigt er schon, kein Wunder bei fast 104 Jahren. Obwohl das kein Alter ist für eine Dampflok. »Wenn man sie gut pflegt, kann sie bis zu 200 Jahre alt werden«, sagt Lothar Krohm. Er muss es ja wissen, schließlich kennt er jede Schraube an der schwarzen Lokomotive. Er verbringt sehr viel Zeit mit der Wartung, um sie in Schuss zu halten, damit sie noch so lange wie möglich läuft. Immerhin ist sie das Glanzstück der SWEG-Flotte.

Lothar Krohm ist Eisenbahner mit Leib und Seele. »Ich bin zur Dampflok gekommen wie die Jungfrau zum Kind«, erinnert er sich schmunzelnd. Ganz so ist es dann doch nicht. Als er in Duisburg bei der Bahn lernte, hat er bei einem Besuch im dortigen Eisenbahnmuseum die Liebe zu nostalgischen Zügen entdeckt. Bis er letztlich nach einem kleinen Abstecher nach Waldstadt in Ottenhöfen als Werkstattleiter gelandet ist. Nun genießt er die Ausfahrten mit der alten Lok.

Doch auf dem Rückweg hat die alte Dame eine kleine Panne, eine Schraube ist zu fest angezogen, deshalb hat sich ein Teil überhitzt. Lothar Krohm bleibt gelassen. Mit zwei Schraubenschlüsseln hat er das Problem schnell behoben, jetzt noch die letzten paar Kilometer von Kappelrodeck zurück in den Heimatbahnhof, dann darf sich die Badenia erst einmal kurz ausruhen. Nach einem kurzen Check in der Werkshalle stehen noch zwei Fahrten an, dann hat sie wieder Ruhe für zwei Wochen. Bis sie Lothar Krohm und seine Kollegen morgen, Sonntag, wieder anheizen und mit Volldampf durchs Achertal schnaufen.

Hintergrund

Die Achertalbahn: Elf Killometer zieht sie sich durch den Schwarzwald. Der Achertäler Eisenbahnverein (AEV), ein Nachfolgeverein der deutschen Gesellschaft für Eisenbahngeschichte »Arbeitskreis Achern«, kümmert sich um die Pflege des Zuges.

Ziel des Vereins ist, den Eigentümer der Lok, die Südwestdeutsche Verkehrs AG (SWEG), bei der Wartung zu unterstützen und eine Flotte von nostalgischen Wägen aufzubauen. Wer Mitglied werden möchte, kann sich unter Tel: 0 78 08/ 91 31 61 bei Bernd Roschach melden. Der Jahresbeitrag beträgt 36 Euro.

Das nächste Mal fährt die »Badenia« morgen, Sonntag. Abfahrt in Ottenhöfen ist jeweils um 9.45, 13.45, 17 Uhr und in Achern um 10.45, 14.35 und 17.45 Uhr. Hin- und Rückfahrt kosten 8,50 Euro, für Gruppen ab 20 Personen je sieben Euro. Familien zahlen für zwei Erwachsene und alle Kinder 20,50 Euro, Kinder von sechs bis 14 Jahre 4,25 Euro. Weitere Termine sind jeweils sonntags, 5. und 19. September, sowie 3. und 17. Oktober. Wer will, kann diesen Zug auch mieten. Infos gibt es unter Tel: 0 78 21 / 2 70 20 oder Tel: 0 78 42 / 8 04 44.
Mittelbadische Presse
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