Am vergangenen Wochenende war ich in Hamburg zu einer Firmenveranstaltung. In den Hallen einer ehemaligen Maschinenfabrik befinden sich die "Lichtwerk Studios". Diese können auch für solche Events angemietet werden.
Gleich am Eingang fielen mir das Gleis auf, das im Pflaster lag. Es war zu Straße hin leicht verschwenkt und führte bis zu einer Halle. Kurz vor dieser Halle befindet sich eine Weiche, das abzweigende Gleis endet ebenfalls an einem Hallentor. Dies machte mich neugierig. Zunächst vermutete ich, dass es ein Überbleibsel der ehemaligen Hamburger Straßenbahn gewesen sei, ein kleines Depot oder einer Werkstatt. Daher suchte ich danach im Internet. Ich fand eine Seite, die sich mit diesem Thema beschäftigt, aber leider nicht diese Stelle. Vom Autor der Website erhielt ich dann den Hinweis auf die Ottenser Industriebahn. Und tatsächlich stimmt der Gleisplan mit der tatsächlichen Lage auf dem Gelände der Lichtwerk Studios überein. Mit etwas Mühe sind sie sogar in Google Earth bzw. Google Maps zu erkennen. Diese Eisenbahn fuhr von 1898 bis 1985 (!). Seit 1957 allerdings nicht mehr mit Loks als Zugfahrzeug, sondern mit Kaelble Zugmaschinen. Interessante Fotos hier
Die Ottenser Industriebahn verfügte über ein weit verzweigtes Netz von Gleisanschlüssen. Hier hatte praktisch jeder Betrieb einen oder mehrere Gleisanschlüsse. Doch es war kein reines Industriegebiet, eher das, was sich "Verkehrsvermeider " wünschen. An teilweise sehr engen Straßen lagen Wohn- und Geschäftshäuser, aber auch Fabriken. Eigene Trassen gab es für die Ottenser Industriebahn nicht, sie teilte sich den Straßenraum mit Fußgängern, Radfahrern und Automobilen. Der Abstand von Hauswand zu Hauswand beträgt an besagter Stelle gerade mal 10,5 Meter, die Fahrbahn hat eine Breite von 7,5 Metern. Die schmalen Fußwege sind also jeweils 1,5 Meter breit. Wegen der teilweise recht engen Kurvenradien konnten auch kein Gleise in Normalspur verlegt werden, sondern Meterspurgleise. Für den Transport der normalspurigen Eisenbahnwagen wurden so genannte Rollböcke verwendet. Die Waggons wurden am Bahnhof Borselstr. an die Reichsbahn/Deutsche Bundesbahn übergeben.
Abgesehen davon, dass die Fabriken aus dieser Zeit entweder nicht mehr existieren oder schon längst einen anderen Standort haben, wäre eine solche Verladung sicher nicht mehr zeitgemäß. Als Industriedenkmal sind aber solche Gleisreste erhaltenswert.
Edit: Tippfehler
Güterverkehr nostalgisch
Wenn man bedenkt, dass die Ottenser Industriebahn bereits 1898 in Betrieb ging, war das für die damalige Zeit eine beachtliche technische Errungenschaft. Auch das sie bis 1985, wenn auch nicht mehr mit Loks, in Betrieb war, zeugt von ihrer damaligen Bedeutung.Nightwish @ 15 Sep 2008, 23:20 hat geschrieben:Ist schon toll was es damals alles gab! Das sind auch die sachen wo mein Onkel immer von Geschwärmt hat! Der war auch bis zu seiner Rente Lokführer und hat das alles noch mit gemacht die Gute alte Eisenbahnzeit! Schade das das heute alles nicht mehr so ist! :rolleyes:
Aber die Dinge ändern sich, der technische Fortschritt hat diese Eisenbahn überholt. Du wirst zugeben, dass ein solches System heute nicht mehr praktikabel wäre. Ganz abgesehen davon, dass die Industriebetriebe entweder nicht mehr existieren oder ihren Standort verlagert haben, denn eine Ausweitung der Produktionsflächen war in diesem Mischgebiet nicht möglich. (Das Luftbild zeigt den Teilausschnitt, wo ich das Gleis gefunden habe und genau den Bereich der Firma A. Gutmann AG, die eben nicht mehr an dieser Stelle ansässig ist.)
Google-Karte
Für mich sind das Zeitzeugen deutscher Industriegeschichte, die nach Möglichkeit bewahrt werden müssen. In NRW git es ja die Route Industriekultur, die auch eisenbahnspezifische Inhalte hat.
Der Kapitalismus ist so alt wie die Menschheit, der Sozialismus ist nur Siebzig geworden. Er hatte keine Krise, er hatte kein Kapital.
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Faszinierend! Ich wusste nicht, dass es Bahnbetriebe dieser Art gab. Danke!
Das die Bahn bis 1985 ja anscheind kommerziell erfolgreich in Betrieb war, zeigt doch, dass es gar nicht so nostalgisch war wie es vielleicht aussieht. Ich denke, bei besseren Entscheidungen der Politik in den letzten Jahrzehnten gäbe es auch heute noch den einen oder anderen "nostalgischen" Bahnbetrieb.
Das die Bahn bis 1985 ja anscheind kommerziell erfolgreich in Betrieb war, zeigt doch, dass es gar nicht so nostalgisch war wie es vielleicht aussieht. Ich denke, bei besseren Entscheidungen der Politik in den letzten Jahrzehnten gäbe es auch heute noch den einen oder anderen "nostalgischen" Bahnbetrieb.
Du darfst dabei nicht vergessen, dass es die Industriebetriebe zumindest an diesen Stellen nicht mehr gibt. Und damit etfällt ein wesentliches Element der Notwendigkeit. Diesem Faktum müssen wir uns beugen.Musikus @ 15 Dec 2008, 23:09 hat geschrieben:Faszinierend! Ich wusste nicht, dass es Bahnbetriebe dieser Art gab. Danke!
Das die Bahn bis 1985 ja anscheind kommerziell erfolgreich in Betrieb war, zeigt doch, dass es gar nicht so nostalgisch war wie es vielleicht aussieht. Ich denke, bei besseren Entscheidungen der Politik in den letzten Jahrzehnten gäbe es auch heute noch den einen oder anderen "nostalgischen" Bahnbetrieb.
Der Kapitalismus ist so alt wie die Menschheit, der Sozialismus ist nur Siebzig geworden. Er hatte keine Krise, er hatte kein Kapital.
Es ist nicht das billige Bauland auf der grünen Wiese, sondern der Mangel an Expansionsmöglichkeiten bei steigender Produktion in einem solchen Mischgebiet. Man muss dabei auch an die Emissionen (Staub, Rauch, Lärm) denken, die z.B. eine Stahl- oder Maschinenproduktion neben einem Wohnhaus heute nicht mehr zulassen.Musikus @ 18 Dec 2008, 17:20 hat geschrieben:Natürlich! Ich meinte das auch eher allgemein.
Unter "bessere Entscheidungen" verstehe ich auch, dass man Industrieansiedlungen dieser Art gefördert hätte, und nicht jede Gemeinde oder Stadt billiges Bauland auf der grünen Wiese bereitstellt.
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