Boris Merath @ 11 Jan 2010, 19:56 hat geschrieben:Der Vorschlag, doch einfach aufs Land zu ziehen ist dabei übrigends sehr hilfreich - zum einen gibt es auch aufm Land genug stark befahrene Straßen, zum anderen bleibt einem aufm Land sowieso nichts anderes übrig als sich ein Auto zuzulegen, und damit wars das schon wieder mit dem autofreien Leben.
Nur weil du davon ausgehst, dass du "dein Land" verlassen wirst. Werd Bauer aufm Selbstversorgerhof, schon brauchst du kein Auto, weil du gar nicht weiter vom Hof wegwillst und -kannst, also fußläufig erreichbar ist.

(Um Sonntags in die nächste Dorfkirche zu kommen, kannste ja vielleicht ausnahmsweise dein Pferd satteln.

)
Didy @ 11 Jan 2010, 22:02 hat geschrieben:Es wird für die Anwohner und Fußgänger besser: Ein Bus oder eine Tram macht nunmal weniger Lärm als 50-200 Autos, also wird Wohnen, arbeiten, spazierengehen, auch an den Hauptverkehrsachsen viel angenehmer.
Es wird für die ÖPNV-Kunden besser, weil nicht alle 10 sondern alle 5 Minuten eine Tram fährt und vielleicht auch neue Querverbindungen geschaffen werden, die Fahrzeit sparen. Und weil die Busse schneller vorankommen weil weniger Stau ist.
Und es wird auch für die Autofahrer besser, weil weniger Stau ist und vermutlich auch die Parkplatzsuche einfacher geht.
Das ganze erzielt auch einen Selbstläufer-Effekt, in beiden Richtungen. Wenn weniger Stau auf der Straße ist und dadurch Tram und/oder Bus schneller vorankommen, und das in dichtem Takt,werden irgendwann auch immer mehr Leute mit dem ÖPNV fahren. Vielleicht dann sogar auch aus Bequemlichkeit, nämlich ohne die Hektik der Parkplatzsuche. ("Mit dem Auto brauch ich 20 Minuten und muss noch nen Parkplatz finden. Mit dem ÖPNV brauch ich auch 20 Minuten, aber ich kann einfach aussteigen und bin da.")
Umgekehrt führt natürlich ein hohes Autoverkehrsaufkommen und schlechter (wenig angebotener oder langsam durchkommender) ÖPNV zu weiterem Autoverkehr. "Der Bus fährt nur alle halbe Stunde, und braucht auch noch 40 Minuten? Da fahr ich lieber gleich mitm Auto...!" (Und im nächsten Jahr fährt der Bus dann nur noch jede Stunde, oder gar nicht mehr, weil er wegen zu niedriger Fahrgastzahlen gekürzt wurde. Dann fahren alle mitm Auto.)
Man kann - und muss - also auch steuern, in welche Richtung sich der Verkehr entwickelt.
Ein "Mobilisierungsgrad" (mir fällt leider grad kein schöneres Wort ein) von 100% Autoverkehr ist ganz leicht zu erreichen: in einem Gebiet völlig ohne ÖPNV-Anbindung, selbst wenn es nicht ein reines Wohnviertel ohne Einkaufs- Freizeit- usw. -Möglichkeiten ist, werden sehr schnell alle dort vorhandenen Personen (egal ob sie da wohnen oder nur zur Arbeit dorthin kommen) sich ein Auto zulegen.
Einen Mobilisierungsgrad von 100% ÖPNV wird man dagegen nie zusammen bekommen. Egal, wie gut die Verkehrsanbindung ist, egal wie nahe die Versorgungsinfrastruktur neben den Wohnungen liegt - es wird immer mindestens einen geben, der wegen einer Behinderung; wegen seiner Arbeit, oder auch einfach zum Spaß ein Auto haben will/muß/wird. Die gewünschte "Autofreie Stadt" wird es also meiner Meinung nach niemals geben. (Wobei - doch - in den Slums in Südamerika gibt es das, da wohnen Zehntausende Menschen ohne Auto und ohne für Autoverkehr ausgebaute Straßen!)
ic111 @ 11 Jan 2010, 23:34 hat geschrieben:Der Zielverkehr der einen Straße ist der Durchgangsverkehr einer anderen.
Wahre Worte!
ic111 @ 11 Jan 2010, 23:42 hat geschrieben:Ich kenne die Gegend nicht, aber sprechen die Zeiten für 6km nicht vor allem dafür dass da bei der Radlerinfrastruktur einiges im Argen liegt? Beim 18km/h Durchschnittsgeschwindigkeit schaffe ich 6km in 20 Minuten. Und das ist eigentlich nicht so furchtbar schnell. Wenn es 30 Minuten sind, dann bedeutet das ja nur noch 12 km/h!
Ich weiß nicht ob das nur in München so ist, aber ich hab schon öfter diese wundersame Feststellung gemacht: ÖPNV, Auto und Fahrrad sind (fast) gleich schnell. Nur an welcher Infrastruktur liegt es denn jetzt?
Haben wir eine "autogerechte Stadt", müsste ich mit dem Auto am schnellsten sein, Platz 2 ist vermutlich Fahrrad, und der ÖPNV liegt weit hinten.
Gehe ich vom "Fahrradparadies" aus, müsste ich mit dem Rad am allerschnellsten sein, dann kommen ÖPNV-Transportmittel und auf Platz 3 das benachteiligte Auto
Und in der Vision der "Voll-ÖPNV-Versorgung" (wie auch immer, egal ob TramUundBus, PRT, Magnetbahn oder Beamen) sollte der ÖPNV unschlagbar schnell sein, gefolgt von wildem Radfahren auf den Fußgängerwegen. Auto mangels Straßen nicht möglich.
Nur - auf meinen praktischen Wegen stellt sich meistens keines dieser 3 Extreme ein. Meiner Ansicht nach haben wir also ein schlechtes Straßennetz für Autos, ebenso mangelnde Möglichkeiten für Radler und dazu einen langsamen ÖPNV.
Boris Merath @ 12 Jan 2010, 01:40 hat geschrieben:Genauso frage ich mich in München immer bei der Forderung nach der guten Erreichbarkeit der Fußgängerzone durch Autos: Wozu eigentlich?
Warum heisst die Fußgängerzone eigentlich noch Fußgängerzone? Wäre es nicht unter den gegebenen Umständen sinnvoller, einfach gleich alles auf Drive-in-Shopping umzustellen? Mitm Auto aus der heimischen Garage in die Innenstadt oder zur Shopping-Mall zu fahren, nur um dort dann 300m (Man denke an die armen Behinderten, die keine 300m laufen können!) zu flanieren und einzukaufen ist doch auch bescheuert. Diese letzten störenden Meter könnte man auch noch wegoptimieren...
c-a-b @ 12 Jan 2010, 10:47 hat geschrieben:In Deutschland baut man zuerst die Straßen aus und dann überlegt man, wie man noch eine Strassenbahn da unterbringen könnte, die nicht zuviel kosten darf.
Wenn man dem Auto den Vorrang lässt, darf man sich nicht wundern, wenn es in der Bevölkerung beliebter ist.
So isses!
Übrigends, hier bei mir im Olympiadorf, das ja auch schon als so tolle "autofreie Siedlung" hier gelobt wurde (in Wahrheit ist hier überhaupt nix autofrei, wir haben praktisch nur eine riesige Tiefgarage unter dem etwas grösseren Wohnblock!) ist grade unten die Polizei mitm Polizeiauto rumgefahren! Mitten auf den Fußgängerwegen, die nun wahrlich nicht für Autoverkehr gedacht sind (und teilweise so klein oder so verwinkelt, dass es schon eine Kunst ist, mitm Auto darauf zu fahren). Warum benutzen die nicht den ÖPNV? Oder sind die etwa gehbehindert und können nicht mal die 300m von der U-Bahn bis hierher zu Fuß laufen?
Gruß Michi