NIM rocks @ 13 Apr 2010, 18:05 hat geschrieben: [Kann vllt mal jemand eine kleine Aufstellung anhand von Fakten machen, inwiefern die modernen Triebwagen (42x (inkl. 427), 440, 442) so schlecht sind? Man liest ständig nur "Plastik...", "Schrott..." usw.
Über diese elementare Grundfrage des Freakdaseins habe ich auch schon mehr als einmal philosophiert, zu einer endgültigen Antwort bin ich aber auch noch nicht gekommen. Ich vermute einmal die Ursachen entlang mehrerer Grundlinien:
1. Schöne heile Welt
Eigentlich steckt in jedem Freak als Urkern die Modellbahn, und "seine" Bahn vor der Haustür ist nix anderes als das ganze im Maßstab 1:1, nur das Streckennetz ist größer und die Preiserleins sind selbstanimiert. Da in jeder Modellbahn zumindest ein bißchen die Vision von der heilen Welt aus den Augen ihres Erbaues mitschwingt, hätte man diese schöne heile Welt halt gerne auch in 1:1 - und das bedeutet unter anderem auch, daß man sich an das seit jeher gewohnte Umfeld klammert. Wer "seinen" Bahnhof seit Jahr(zehnt)en mit Fdl., Formsignalen und 110 + n-Wagen kennt, der klammert sich unter Umständen daran, wenn das gewohnte Umfeld sich radikal verändert. Da werden dann ESTW und neuer Triebwagen zur mittleren Lebenskrise, auf die man mittels Abwehrreflex gegen das "böse Neue" reagiert. Jeder Mangel und jeder Fehler der "modernen Bahn" - die es ja zweifelsohne gibt - wird dann benutzt, um das eigene Weltbild zu rechtfertigen, und die Mängel der Bahn von früher - die es genauso zweifelsohne gab - werden im idealisierten Weltbild glatt zurecht geschliffen. In diesem Sinne sind natürlich Pleiten, Pech und Pannen wie Alstom mit dem (0)440 /
(0)441 oder Bombardier mit dem (0)442 doppelt peinlich: Einmal real, denn der Hersteller verärgert seinen Kunden damit, und einmal sozusagen surreal: Der beste Nährboden für diverse Vorverurteilungen und Bestärkung vorhandener Ablehnungen.
2. Der Herdentrieb als Verstärker
Wo pflegt es sich seine Ablehnungen, Vorurteile und Ängste am Schönsten ? Richtig, in einer Gruppe Gleichgesinnter. Das soll jetzt um Gottes Willen bitte keine Verurteilung von Gruppierungen oder auch Internetforen sein, "ohne" wäre das Leben um eine schöne Sache ärmer. Dennoch steckt schon ein bißchen Wahrheit drin, daß sich unser durch die Lebenskrise gebeutelter Freak gleich viel besser fühlt wenn ihm ein paar andere bestätigen daß das neue ESTW in X der schiere Wahnsinn und ein untragbares Sicherheitsrisiko sei, und die neuen ET auf der Strecke nach Y sowieso nur Plastik, das nichts taugt und in 5 Jahren aber allerspätestens auseinanderfällt. Unser Freak klopft sich auf die Schulter, weil er sich bestätigt sieht, und verstärkt dadurch noch die Tendenz, alles "neue Gelumpe" erstmal als sowieso untauglich und prinzipiell teuflisch abzulehnen. Glücklich ist er dann beim geteilten gemeinsamen Leid, wenn zum nächsten Fahrplanwechsel auf der Strecke nach Z die "blöde, böse Bahn" wiedermal allen Grund gibt, seine Einstellung noch zu verstärken... ein Stück weit ein sich selbst bewahrheitender und mehrender Kreislauf.
3. Der geschichtliche Hintergrund
Neubaufahrzeuge abzulehnen dürfte so alt sein wie das Eisenbahnhobby selbst. Was heute der RegioShuttle ist, war in den 1950ern der Uerdinger Schienenbus, in den 1960ern ließ man frustriert die Kamera sinken, wenn statt der geliebten Dampflok eine böse V 100 um die Kurve kam, und der
(0)628 war das Monster der späten 1980er, der ebendiese damals verhaßte Brennkraftlok um Lohn und Brot bzw. Diesel brachte. Derartige Beispiele lassen sich noch in mehrfacher Zahl quer durch die Jahrzehnte finden, und die wird es auch immer wieder geben.
Das ganze wird allerdings wohl aus meiner Sicht eine Frage bleiben, die niemals als endgültig beantwortet gelten darf - weil sie Menschen gilt.