Bremsweg eines Regionalzuges

Rund um die Technik der Bahn
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rollinator
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Beitrag von rollinator »

Hallo,
ich arbeite zurzeit an meiner Bachelor-Thesis. Es handelt sich um eine Sicherungseinrichtung im Regionalbahnverkehr.

Im Rahmen meiner Recherche wollte ich in Erfahrung bringen, wie lang den so der Bremsweg eines Reginalzugs ist.

z.B. von 160/kmh; 120km/h; 100km/h; 80km/h?
Ich hätte jetzt eine vollbesetzte Regionalbahn angenommen (z.B. Der Regionalexpress zwischen Hamburg und Kiel)?

Bitte schickt mir (wenn möglich) auch Links, die Quellen hierzu beinhalten. (Einfache Aussagen, die ich nicht nachweisen kann, kann ich ja nicht in einer wissenschaftlichen Arbeit verwenden ;) )

gruß

rolli
Bayernlover
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Beitrag von Bayernlover »

Also, mit Quellen kann ich nicht dienen, aber man müsste ja eigentlich "nur" den Wert für die Bremsverzögerung herausfinden, sehe ich das richtig?

Und dann kann man ja mit den bekannten Formeln für die gleichmäßig beschleunigte Bewegung arbeiten, oder?
Für mehr Administration. Gegen Sittenverfall. Für den Ausschluss nerviger Weiber.
MisterH
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Beitrag von MisterH »

Hallo,

ganz verallgemeinern kann man das eh nicht. Wenn en Zug eine Magnetschienenbremse hat, braucht er deutlich weniger Bremsweg als einer ohne. (bei gleicher Geschwindigkeit) Dazu kommt noch der Reibwert zwischen Rad und Schiene, der auch vom Wetter abhängt.

In der Regel hast aber aus der Vmax des Zuges max. 1000m Bremsweg. Das ist der Regelbremswegabstand.

Evtl. Hilft das
rollinator
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Beitrag von rollinator »

OK in der Größenordnung von 1km hab ich mir das schon gedacht!

Es geht mir quasi um ein worst case scenario:
Wie lang wäre denn der Bremsweg unter folgenden Bedingungen:
z.B. Regen, Laub auf dem Gleis, vollbesetzter Zug, keine Magnetschienenbremse vorhanden, max. zulässiges Gefälle des Streckenabschnitts etc. ?

Also alle Bedingungen, die eine Zugfahrt gerade noch zulassen.
Taschenschieber

Beitrag von Taschenschieber »

Maximal ein Kilometer. Sonst -> nix Höchstgeschwindigkeit fahren. Dann wird die Vmax so weit runter gesetzt, dass der Zug auf einem Kilometer zum Halten kommen kann.

Auf vielen Strecken ist der Regelbremswegabstand aber kürzer, da darf der Zug dann z. B. nur 700m zum Anhalten brauchen.
MisterH
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Beitrag von MisterH »

Also den schlimmsten Fall, den ich mal hatte war, mit 40 km/h am Bahnsteig Anfang. Bahnsteigende (210m später) immer noch 20 km/h auf dem Tacho. Und das trotz Schnellbremsung und Sand.

Wobei dass grad nach langer Trokenheit und einsetzendem Regen war. Und wir waren wohl der erste Zug, die nächsten hatten kein Problem mehr...


Wenn bekannt ist, dass es rutschig ist, wird die Vmax reduziert, weil eben der Regelbremswegabstand ja schon vorgibt, wie lange ein Zug brauchen darf, bis er steht.


Also der kürzeste Bremswegabstand den ich kenne ist bei der S-Bahn in München. Dort ist im Stammstreckentunnel zwischen Stachus und Hauptbahnhof grad mal gute 200 Signalabstand. Wobei da auch die Vmax 60 km/h ist, wenn man auf PZB fährt.
rollinator
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Beitrag von rollinator »

OK Danke.

Mir war vorher nicht klar was es mit dem Regelbremswegabstand auf sich hat.

Also max. 1km eventuell örtlich auch deutlich weniger.

Dann kommt noch die obligatorische 1s Reaktionszeit und........

aber ich denke das reicht mir fürs Erste.
Martin H.
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Beitrag von Martin H. »

Ich kann von einer 111 die einen Dostowendezug 1994 von fünf Wagen mit 140 km/h schiebt von 460 Metern berichten, zwischen Donauwörth und Augsburg bei gutem Wetter. Komfort oder eine Zielgenauigkeit sind da aber nicht mehr möglich. Ohne E-bremse sieht das Ganze aber schon wieder gaaanz anders aus.

Dann gibt es noch den Regelbremsweg von 400 Metern auf Nebenbahnen, V-Max 80 km/h.

Ach ja, ein IC mit 11 Wagen aus 25km/h braucht 28 Meter, zumindest an einem fiesen Magneten in Pasing wenn man den Störschalter nach der Indusiprüfung vergisst, wieder auszulegen.
In der Regel nehmen wir 3 Längen, entspricht ca. 75 Metern, geschoben 5 Längen, entspricht 125 Meter. Halt übrigens immer ganz genau am Entsorgungskasten, an der Heizsäule oder vorm Prellbock.

Hier noch die Bremstabellen die wir in der Ausbildung bekommen haben, laut Ausbilder sind die auch weitestgehend bei schlüfprigen Schienen zu gebrauchen.

bis 70: selber wissen
80 400m
90 600m
100 700m
110 900m
120 1000m
130 1200m
140 1400m

Ist dann nach dem Schema, Bremsung kombiniert einleiten, wirken lassen, E-Bremsstufe dann pro Sekunde um eine Stufe stärker regeln und den Rest mit der Luft.
Aus 140 sind 600 Meter gerade noch vertretbar, ist mir aber für den Dauerbetrieb zu stressig, es löst und legt nicht alles so schnell an die ein Triebzug.

Hoffe, ich konnte helfen.

Martin
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drehgestell
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Beitrag von drehgestell »

Martin H. @ 26 Jul 2010, 18:38 hat geschrieben:bis 70: selber wissen
80 400m
90 600m
100 700m
110 900m
120 1000m
130 1200m
140 1400m
:offtopic: ... als ET-Kutscher sollte man aber je nach Situation besser nicht allzuviel auf diese Tabelle geben! :lol: :ph34r:

/edit: ein arg ins Aug' stechendes "u" zuviel rausgenommen...
MfG, drehgestell

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Martin H.
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Beitrag von Martin H. »

Ist eben auf konventionelle Züge und der oben beschriebenen Anwendung ausgelegt. Mit 110 oder 111 und Dosto passt es auch recht gut, man braucht dann fast nicht nachregeln. Beim ersten mal Donautalbahn mit nur drei Silberlingen hat es nciht wirklich geklappt. Von Buchloe nach Augsburg mit der 218 war die Tabelle voll für die Tonne. 628 und ET sind sowieso noch mal ganz andere Sachen.
Für Zeit rausfahren oder bei bestimmten Fahrplänen klappte es auch nicht.

Die nennt sich übrigens AFB- Bremstabelle oder so.

Dann gibt´s noch eine für Geschwindigkeitsreduzierungen. -10 km/h haben 1000 Meter, danach wird´s noch komplizierter und noch viel länger, zielt alles darauf ab möglichst nur die E-bremse zu beanspruchen und keine Zerrungen und Stauchungen im Zug zu haben.

Dann kenn´ich noch einen FV-Tf, fahre da hin und wieder mit, egal ob pünktlich oder nicht, der Fahrstil ist zum einschlafen. Nicht bös gemeint aber ist so, immer ein kleines Wunder, das Bahnsteigende zu erreichen.
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drehgestell
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Beitrag von drehgestell »

Martin H. @ 26 Jul 2010, 19:39 hat geschrieben:Die nennt sich übrigens AFB- Bremstabelle oder so.
In den Bedienanweisungen für die AFB-Drehstromkisten sind dazu auch "Faustformeln" und Rechenwege dargestellt... abgesehen von der ganzen Rumrechnerei finde ich die "mit-AFB-Bremserei" ehrlich gesagt etwas arm. Ist aber Geschmackssache, kenne Kollegen die mit Güterzügen so rumbremsen und dabei auch noch *rrrratttrrat* genüsslich jede Raste am Vsoll-Steller mitnehmen. :blink:
Dann kenn´ich noch einen FV-Tf, fahre da hin und wieder mit, egal ob pünktlich oder nicht, der Fahrstil ist zum einschlafen.
Bei FV sollte man auch für'n Reisendenkomfort nicht unbedingt rumrasen wie ein Bekloppter, reicht schon wenn beim ET einige nur die Stellungen "Vollgas" und "Vollbremse" kennen. Und wenn der Fahrstil (da ist jeder anders!) des Kollegen nunmal ruhig ist dann ist's doch gut, abgesehen davon dass man auch je nach Tagesform und -laune durchaus "unterschiedlich unterwegs" ist. ;)
MfG, drehgestell

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Martin H.
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Beitrag von Martin H. »

Sehe ich auch ein, dass der FV ruhiger fahren sollte, ich rede ja nicht vom ranbrettern an die Bahnsteige, aber wenn ich +30 habe und sowas von gemütlich fahre...

Bin mal 2007? nach Köln, hinten im Fahrgastraum, sind mit +17 in München los, der hat nicht mehr auf Komfort geachtet und ist am EvSig von Pasing haarscharf an der Prüfkurve gewesen.

Auch jetzt beim Rangieren versuche ich normal zu bremsen um nicht aus der Übung zu kommen, wenn´s im Oktober endlich wieder losgeht. Musste dann aber doch dafür sorgen, dass sich der Teamleiter die Ohren zu hält als er dann später runter kam, die Lok hat bei 4,5 bar beim Anhalten im Zylinder so schön gequietscht.

Was war denn noch, ach ja, ich finde schon, das man den Bereich des Kombihebels voll ausschöpfen kann, nur eben ganz ruhig und langsam. Mir ist übrigens zwei mal ein 425 weggerollt, einmal Benediktbeuern und einmal glaube Starnberg. Mit so wenig Bremsdruck angehalten dass er dann wieder gelöst hat. Der Ruck beim nach Bremsen gehen war dann leider umso stärker.

Um nochmal zum eigentlichen Thema zurückzukommen, ich habe festgestellt, dass die 425 den gleichen Weg für Beschleunigen und Anhalten brauchen, sagen wir von 0 auf 100 150 Meter = 150 Meter Bremsweg.
Einfach beim wegfahren den genauen Punkt an der Strecke merken und man hat den spätesten Bremseinsatzpunkt für Verspätungen bei gutem Wetter + Reserve und Komfort, Hebel eben nicht gleich nach hinten. Erst in die Raste, dann langsam Hebel hinter, dabei schneller werden und zum Ende hin wieder langsam, alles schön ruhig, der Fahrgast merkt bei den Fahrzeugen jede Handbewegung.

Entschuldige für den vielen Text aber ich hab´grad´zu viel Zeit und das Thema zählt mehr oder weniger zu meinen Spezialgebieten.

So, noch ein Praxisbeispiel, haufenweise Seiten Objekte der Begierde durchgeackert , aber es war noch da. Also, bei der Stelle hier
http://www.eisenbahnforum.de/index.php?s=3...ndpost&p=350166
links am Ende des Einschnitts und des Gebüschzeugs wollten drei Individuen über die Gleise, tempo knapp über 90, einschließlich Reaktionszeit und der Tatsache dass es die erste Fahrt in dem Steuerwagen war und zuerst die Pfeife gesucht wurde und dann zufällig die Bremse gesehen wurde was aber alles in Sekundenbruchteilen geschah...
Jedenfalls stand der Zug mit den Puffern bündig zum Esig Petershausen.
Guido
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Beitrag von Guido »

drehgestell @ 26 Jul 2010, 19:09 hat geschrieben: :offtopic: ... als ET-Kutscher sollte man aber je nach Situation besser nicht allzuviel auf diese Tabelle geben! :lol: :ph34r:
Stimmt, mein Quietschie steht aus 140km/h schon nach 650m ;)

Ansonsten ist Bremsen reine Gefühlssache und Erfahrung, dafür braucht man keine Formeln und keine Tabellen. Der Bremsweg ist abhängig vom Gewicht des Zuges, vom Reibwert und von der Streckengeographie.

Wer trotzdem unbedingt 'ne Formel braucht, der Reibwert (µ) zwischen Rad und trockener Stahlschiene in der Ebene beträgt etwa 0,1 -> 0,1 x 9,81 ergibt die Bremsverzögerung (also ~1,0m/s²) und daraus kann man dann aufm Papier die Bremskurve in einem Zeit-Weg-Diagramm erstellen. Viel Erfolg.
Gruß, Guido

Tf bei der S-Bahn München
[img]http://www.eisenbahner-online.de/420-423.gif[/img]

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143 094-1
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Beitrag von 143 094-1 »

Martin H. @ 26 Jul 2010, 20:42 hat geschrieben: Entschuldige für den vielen Text aber ich hab´grad´zu viel Zeit
Eisenbahner und zu viel Zeit?

Wo arbeitest du nochmal? Ich hätte da ein paar Schichten zu vergeben... ;)

Ansonsten schließe ich mich meinen Vorschreibern an: Berechnungen helfen hier recht wenig, denn in der Praxis spielen da einfach zu viele Faktoren mit rein, die man einfach mathematisch gar nicht ausdrücken oder berücksichtigen kann.

Auch Bremshundertstel sind eine mathematische Größe die in der Praxis relativ wenig aussagen. Auch wenns mir hier die wenigstens glauben, ich habe erfahren müssen, dass ein Zug mit 102 BrH deutlich besser bremst als einer mit 154 BrH. (gleiche Witterungsverhältnisse)

Aus 120 km/h brauche ich in der Ebene mit einer durchschnittlich bremsenden x-Wagen-Garnitur und 143 etwa 500m zum anhalten mit Vollbremsung und sanftem Heranlösen an den Halteplatz. Mit Schnellbremsung sicher nochmal 100m weniger.
Ich muss demnächst mal ein wenig drauf achten - bisher sind die 500m der einzige Wert den ich mir interessehalber mal gemerkt hab.

Jede Lok bremst bei uns anders. Das ist kein Problem der Technik, sondern eine Einstellungsfrage seitens unserer zertifizierten Werkstatt. Während die eine Lok bei 100km/h und wirkender Vollbremsung sich langsam überlegt, ob sie die E-Bremse mal so allmählich in Richtung auf die 90 kN Mindestbremskraft bewegen soll, klemmt bei der anderen der Zeiger auf 135 kN am Anschlag. Und während man der einen Lok schon wirklich 1,5bar rauslassen muss um kurz vor dem Anhalten mal eine kurze Bewegung am Manometer für Bremszylinder sehen zu können, stellt die Druckluftergänzungsbremse der anderen Lok einen ab 30 mit 3bar C-Druck hin, so schnell kommt man gar nicht ans Löseventil. Auch die Führerbremsventile selbst unterscheiden sich, die einen lassen die Luft schneller raus, die anderen dafür umso langsamer. Klingt komisch, isses auch!

Wie will man diese ganzen Faktoren bei einer mathematischen Berechnung berücksichtigen? Unmöglich!

Praktisches Beispiel: Zwei Züge, gleiche Zugbildung, gleiche Witterungsverhältnisse, gleicher Bremseinsatzpunkt, gleichfalls Vollbremsung eingeleitet. Mit dem einen Zug musste ich nochmal ganz auslösen um zum Halteplatz vorkullern zu können, mit dem anderen "parkte" ich (trotz nachträglich eingeleiter Schnellbremsung) gut 150m weiter. Auch sehr hübsch war als eine Lok auf diesem Abschnitt meinte "E-Bremse - das ist nur was für Weicheier!" und beschloss: "1 Tonne Bremskraft ist genug!" was zur Folge hatte dass ich die entfesselte Kraft von 8bar Bremszylinderdruck voll genießen konnte.

Wenn dann noch ungünstige Haftwertverhältnisse herrschen, wird das ganze noch viel abenteuerlicher. Wir haben hier einen Streckenabschnitt der dahingehend sehr berüchtigt ist, da gibt es einige Tage im Herbst da geht gar nichts mehr. Mir selbst ist es noch nicht passiert, aber Kollegen berichteten von "40 Bahnsteiganfang - 40 Bahnsteigende" oder "ich tastete (vom Stwg aus) die Schleuderschutzbremse und knallte die Zusatzbremse (vom Stwg) zu, damit es überhaupt irgendwie bremst!"

Und die Fahrgäste stehen am Bahnsteig und denken "Gott, ist der schon wieder zu blöd zum bremsen!"

Nun muss es ja nicht immer so extrem sein, aber den zitternden Zeiger vom Bremszylinderdruck, das höhnische "zzzzt-zzzzzt" und das näherkommende Bahnsteigende kennt wohl jeder Tf.

Lange Rede kurzer Sinn: Mit Formeln mag man ja bei einem ET und optimalen Bedingungen den Bremsweg noch einigermaßen berechnen können, bei luftgebremsten Zügen dagegen machen wir es so wie unsere Vorfahren seit 175 Jahren: "Der Lokführer bremst mit dem Arsch!"


Und deswegen sind wir auch Lokomotivführer. Und keine "Zugführer", "Zugfahrer", "Fahrer" oder Studentenjobber.
BZ-ESTW sind wie ein Computerspiel. Es fehlt nur noch das Fenster "Game over!" wenn sich zwei rote Linien treffen!
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Boris Merath
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Beitrag von Boris Merath »

Das ist ja alles schön und gut, im Zusammenhang mit Zugbeeinflussungssystemen, aber auch bei der Berechnung von Mindesbremshundertsteln und ähnlichem kommt man um eine theoretische Berechnung von Bremskurven aber nunmal nicht herum. Dass der Lokführer je nach Witterungsbedingungen diese Bremskurve von Hand oder nach Arsch entsprechend unterschreiten muss ist wieder eine andere Sache.

Aber erstmal zu Anfang: Pauschal lässt sich diese Frage nicht beantworten. Für eine genauere Antwort wäre es hilfreich erstmal zu wissen um was es eigentlich konkret geht, also was für eine Art von Sicherheitssystem?

Generell: Jede Strecke hat einen definierten Vorsignalabstand. Dieser beträgt auf Hauptstrecken meist (aber auch nicht immer) 1000m, auf Nebenstrecken ist deutlich weniger zulässig. Innerhalb dieser Strecke soll ein Zug in der Lage sein aus seiner jeweiligen Höchstgeschwindigkeit heraus anzuhalten - dass das in der Praxis so pauschal nicht gesagt werden kann und ein Tf ggf. auch schon früher anfangen sollte zu Bremsen ist wieder ne andere Sache.

Zum zweiten haben wir die Bremshundertstel eines Zuges. Diese werden ermittelt, indem das sogenannte Bremsgewicht des Zuges durch das Gesamtgewicht des Zuges geteilt wird und das ganze mit 100 multipliziert. Das Bremsgewicht ist eine theoretische Größe und gibt letztlich an, wie gut ein Wagen bremst. Je höher das Bremsgewicht desto besser ist die Bremswirkung. Das Bremsgewicht wird meines Wissens nach auch heute noch experimentell bei der Zulassung eines Wagens oder einer Lok ermittelt.

Je höher die Bremshundertstel, desto besser bremst also ein Zug.

Abhängig vom Neigungsprofil der Strecke sowie vom Vorsignalabstand wird jetzt der Fahrplan ermittelt. Der Fahrplan hat (im Falle des Ersatzfahrplans) viele verschiedene Spalten, die jeweils die Höchtsgeschwindigkeit in einem bestimmten Abschnitt angeben. Je nach Höchstgeschwindigkeit des Zuges und Bremshundertstel wird jetzt also die geltende Spalte festgelegt, dazu ist im Fahrplan auch die Angabe enthalten, wie viele Bremshundertstel mindestens benötigt werden, um diesen Fahrplan fahren zu dürfen.

Du siehst, ganz so einfach lässt sich die Frage nicht beantworten, da da viele Faktoren reinspielen. Je nach Aufgabenstellung kannst Du mit 1000m rechnen, oder musst weit komplexere Berechnungen anstellen, die dann auch die Eigenschaften des Zuges oder sogar die Streckendaten (bei kontinuierlicher Zugbeeinflussung) berücksichtigen.
Bis zur vollzogenen Anbringung von ausreichenden Sandstreuapparaten an allen Maschinen haben die Bahnwärter bei aufwärtsgehenden Zügen auf stärkeren Steigungen die Schienen ausgiebig mit trockenem Sand zu bestreuen und für die Bereithaltung eines entsprechenden Vorrathes zu sorgen.

Fahrdienstvorschrift bayerische Staatsbahnen 1876
Martin H.
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Beitrag von Martin H. »

143 094-1 @ 27 Jul 2010, 02:52 hat geschrieben: Eisenbahner und zu viel Zeit?

Wo arbeitest du nochmal? Ich hätte da ein paar Schichten zu vergeben... ;)
Im westlichen München.

Ähm, 146:52 Schluss und heute dann Nachtschicht, heißt, gaaanz lange wach bleiben um heute Nacht nicht einzuschlafen.

Tabelle = 111 + 5 Dostos 1994, sonst eher Richtwert oder für die Tonne.

Wir hatten bis vor kurzem die 363 keine Ahnung mehr, beim schönsten Wetter der vergangenen Wochen schleuderte die sofort und Bremsen war auch gefährlich, mehr als 2,5 - 2,8 bar sollte man nicht riskieren, lustig bei 10 Wagen ohne Luft. Wenn sie dann mal richtig schön gleitete, Gleitschutz hat die nicht, gab es selten kleine Flachstellen die nach einer halben Stunde auch schon wieder weg waren.
Als Tauschlok nach eineinhalb Monaten kam vor einigen Tagen die 363 036-5, Vollgas bei 2 km/h und schwerem Zug oder 4,5 bar in jeder Situation kein Problem, auch als es gestern mal ne Zeit lang leicht tröpfelte.

Lustig war´s auch mal nach NPA, laut Bremszettel vier mal Scheibe, aber irgendwas stimmt da nciht. Dann in Passau festgestellt, dass der Stwg Klotzbremsen hat, BRH waren aber die Richtigen eingetragen, extra nachgerechnet.
Taschenschieber

Beitrag von Taschenschieber »

143 094-1 @ 27 Jul 2010, 02:52 hat geschrieben: Nun muss es ja nicht immer so extrem sein, aber den zitternden Zeiger vom Bremszylinderdruck, das höhnische "zzzzt-zzzzzt" und das näherkommende Bahnsteigende kennt wohl jeder Tf.
Rein interessehalber und meilenweit offtopic: was soll das "zzzzt-zzzzzt" darstellen? Gleitschutz?

Gruß,
Stephan
Martin H.
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Beitrag von Martin H. »

Richtig, das immer wieder kurze Teilentlüften der Bremszylinder.
Martin H.
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Beitrag von Martin H. »

Habe da noch was ausgegraben, interessant zu unserem Thema ab Seite 17.

http://www.ids.uni-hannover.de/fileadmin/I...echnik_2007.pdf
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Beitrag von Eisenbahnniki »

Martin H. @ 28 Jul 2010, 18:03 hat geschrieben: Habe da noch was ausgegraben, interessant zu unserem Thema ab Seite 17.

http://www.ids.uni-hannover.de/fileadmin/I...echnik_2007.pdf
Wo hast du das denn ausgegraben? :o
Wirklich sehr interressant.
Es dauert noch etwas aber dann wird das größte Eisenbahn Portal online sein.
Martin H.
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Beitrag von Martin H. »

In Hannover.

Ne, im Bahnerforum fragte heute jemand ob jemand Bremswegtabellen hat, also mit wie vielen BRH ein Zug auf der und der Strecke fahren dürfe und da wurde auch das obige Pdf verlinkt.

http://www.bahnerforum.de/forum/showthread...remswegtabellen
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