Ablauf Systemwechsel am Grenzübergang

Rund um die Technik der Bahn
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Hage
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Beitrag von Hage »

Hallo zusammen,

ich muss demnächst einen Vortrag über den Schienenverkehr halten ( bin selber Fahrzeugtechniker/Automobil, habe also kaum Ahnung von der Bahntechnik).
Ich habe gelesen, dass einige Fahrzeuge mehrsystemfähig sind nur ist mir der Ablauf nicht so ganz klar.......

....vielleicht könnt Ihr mir da helfen.

-Wo finden diese wechsel statt?
-Wann erfolgt der Wechsel der Stromabnehmer? Während der Fahrt?
-Wo hört das deutsche Netz auf und wo das ausländische an? Die werden ja sicher nicht nahtlos in einander übergehen oder....
-Oder werden sie mit Dieselloks bis zum neuen Netz gezogen?

Gerne am Bsp. des 3M.


Schon mal Danke im Vorraus!



MfG

Hage
Martin H.
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Beitrag von Martin H. »

Also hier ist erst mal eine Europakarte mit den verschiedenen Stromsystemen, immer bei einem Übergang wird gewechselt. Dann wäre da noch beispielsweise die Schweiz, die zwar das gleiche Stromsystem haben aber weniger Raum in der Oberleitung und deshalb schmälere Stromanbnehmer brauchen, vereinfacht gesagt.

http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=...=20090519115252

Selber habe ich zwar keine Mehrsystemfahrzeug aber im großen und ganzen kann man sagen, Stromhauptschalter der Lok aus, also die Verbindung vom Stromabnehmer in die Lok rein. Dann, hm, ob der Bügel bei jedem Wechsel zwischen den Systemen gesenkt wird, weiß ich nicht, aber wahrscheinlich kommt immer ein anderer zum Einsatz, da bei niedrigerer Spannung ja der Strom der über die Schleifleiste geht viel höher wird.

Dann wird im Elektroteil der Lok das neue System ausgewählt und da drin stellt sich dann alles auf den neuen Strom ein und ein neuer Stromabnehmer wird vorgewählt.
Dann Stromabnehmer heben, Hauptschalter ein und weiter geht die Reise.

Hier mal die normalen El- Signale, die solche Strecken kennzeichnen:
http://www.stellwerke.de/signal/deutsch/el.html

Hier Bügel heben für Wechselstrom 15.000 Volt bzw. Gleichstrom
http://www.estw.eu/Namespaces/ModellbahnES...stemwechsel.gif

Hier Hauptschalter ein bei Wechselstrom 15.000 Volt und Hauptschalter ein bei Gleichstrom
http://www.estw.eu/Namespaces/ModellbahnES...stemwechsel.gif

Dann gibt es noch, an den Grenzen zu Österreich aber auch innerhalb Deutschlands, vor allem im Osten, Speisebezirke die nicht synchronisiert sind, dass hier nicht zwei unterschiedliche Ströme aufeinander treffen, fährt man einfach 7 bzw 35 Meter mit ausgeschaltenem Hauptschalter, die Signalisierung ist gleich.

Dann muss es auch mal in der Einflugschneise eines Flughafens ein fast 500 Meter langes Stück ohne Oberleitung gegeben haben, auch entsprechend signalisiert.

Martin
echter-HGV

Beitrag von echter-HGV »

In diesem Video (ab 0:49) kann man sich sehr schön den Systemwechsel eines ICE von deutschen ins französische Netz anschauen.
Hage
Jungspund
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Beitrag von Hage »

Aahh...

...danke für eure schnellen Antworten, das hat mir sehr geholfen....

...genau da wollte ich drauf hinaus, die Züge durchrollen also stromlos den grenzübergang und heben hinter der grenze den entspechenden Bügel ;)


Gibt es evtl. auch Sonderfälle wo der Schwung nicht ausreicht? Ich denke da an grenznahe Städte wie Frankfurt/Oder, dass wenn der Zug dort hält die paar meter über die Grenze geschleppt wird (von Diesellok).


MfG

Hage
NJ Transit
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Beitrag von NJ Transit »

Ich glaube, dass am Brenner die Loks per Diesel in den Bahnhof geschleppt werden. Also eher Sytemüberbückung, da die Loks dann ja wieder zurrück nach Innsbruch fahren. Binn mir aber nicht ganz sicher... :unsure:
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Boris Merath
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Beitrag von Boris Merath »

Hage @ 5 Nov 2010, 15:31 hat geschrieben: bin selber Fahrzeugtechniker/Automobil, habe also kaum Ahnung von der Bahntechnik
Das ist ein Fehler :-)
-Wo finden diese wechsel statt?
-Wann erfolgt der Wechsel der Stromabnehmer? Während der Fahrt?
-Wo hört das deutsche Netz auf und wo das ausländische an? Die werden ja sicher nicht nahtlos in einander übergehen oder....
-Oder werden sie mit Dieselloks bis zum neuen Netz gezogen?
Das lässt sich so pauschal nicht sagen. Es gibt Systemwechsel auf der freuen Strecke, aber auch Systemwechsel im Bahnhof.

Ein Systemwechsel auf der freien Strecke kann nur von Mehrsystemfahrzeugen befahren werden. Hier existiert ein kurzer stromloser Abschnitt, der mit Schwung befahren wird, und vor dem der Hauptschalter ausgeschaltet oder auch der Stromabnehmer gesenkt werden muss. Der Lokführer schaltet dann meist manuell auf das neue System um, es gibt aber auch automatische Systeme die das Stromsystem automatisch erkennen (z.B. in Karlsruhe bei der Stadtbahn).

Systemwechselstellen in einem Systemwechselbahnhof dagegen können auch von Einsystemfahrzeugen befahren werden, sind aber inzwischen relativ selten geworden da weit aufwendiger. Hier gibt es zwei Varianten. In der Luxusvariante ist die Oberleitung umschaltbar. Hier sorgt das Stellwerk dafür, dass die Oberleitung die richtige Spannung hat. Im Bahnhof wird dann der Stromabnehmer gesenkt und über einen Schlüsselschalter durch das Zugpersonal die Umschaltung angefordert. Nach der Umschaltung wird der Stromabnehmer wieder gehoben. Das ist aber meinem Eindruck nach die seltenste Variante.

Diese beiden Formen gibt es zum Beispiel an den Systemwechselstellen Richtung Westen.

In der Billigvariante (zu finden an den Grenzbahnhöfen Österreich - Italien) sind nur die beiden Bahnhofsköpfe mit Oberleitung bespannt, in der Mitte hängt keine Oberleitung. Der Lokführer fährt ein und senkt bei der Einfahrt den Stromabnehmer, als Schwungfahrt geht es dann in das Bahnhofsgleis rein. Bei Mehrsystemloks wird dann im Stand das System umgeschaltet und wieder aufgebügelt, Einsystemloks werden von einer Diesellok abgezogen, dann wird die Kuppung gelöst. Anschließend schiebt die Diesellok die Elektrolok nochmal kurz an, so dass die Lok dann alleine wieder in den anderen Bahnhofsteil rüberrollt. Hier wird dann der Stromabnehmer wieder gehoben und die Lok fährt selber vor den nächsten Zug zurück.
Bis zur vollzogenen Anbringung von ausreichenden Sandstreuapparaten an allen Maschinen haben die Bahnwärter bei aufwärtsgehenden Zügen auf stärkeren Steigungen die Schienen ausgiebig mit trockenem Sand zu bestreuen und für die Bereithaltung eines entsprechenden Vorrathes zu sorgen.

Fahrdienstvorschrift bayerische Staatsbahnen 1876
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Boris Merath
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Beitrag von Boris Merath »

Hage @ 5 Nov 2010, 17:35 hat geschrieben: Gibt es evtl. auch Sonderfälle wo der Schwung nicht ausreicht? Ich denke da an grenznahe Städte wie Frankfurt/Oder, dass wenn der Zug dort hält die paar meter über die Grenze geschleppt wird (von Diesellok).
In Frankfurt geht es auch über Schwung - eine hohe Geschwindigkeit ist dafür nicht nötig, außerdem muss der stromlose Abschnitt ja nicht lang sein.
Bis zur vollzogenen Anbringung von ausreichenden Sandstreuapparaten an allen Maschinen haben die Bahnwärter bei aufwärtsgehenden Zügen auf stärkeren Steigungen die Schienen ausgiebig mit trockenem Sand zu bestreuen und für die Bereithaltung eines entsprechenden Vorrathes zu sorgen.

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Beitrag von DumbShitAward »

Lustig, dass etwas bei der Bahn mal so gemacht wird, wie ich mir das als Kind immer vorgestellt habe :D
Lektion 73 in unserer Serie "Rechtsstaat für Anfänger", heute: §81 StGB

Wer es unternimmt, mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen oder die auf dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland beruhende verfassungsmäßige Ordnung zu ändern, wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren bestraft.
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Beitrag von 146225 »

Es gibt auch (Grenz-)Bahnhöfe mit umschaltbaren Oberleitungen, z.B. Aachen Hbf.
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Beitrag von viafierretica »

NJ Transit @ 5 Nov 2010, 17:36 hat geschrieben: Ich glaube, dass am Brenner die Loks per Diesel in den Bahnhof geschleppt werden. Also eher Sytemüberbückung, da die Loks dann ja wieder zurrück nach Innsbruch fahren. Binn mir aber nicht ganz sicher... :unsure:
Nein, so isses nicht: die Systemwechselstelle ist dort (wie z.B. auch in Domodossola, Jesenice oder Spielfeld-Strass) in der Mitte des Bahnhofs. Die Lok fährt langsam ein, zieht dann den Stromabnehmer ab und bremst allmählich ab. Die Rangierlok (bzw. E-Lok mit dem andreen Stromsystem) zieht dann die Lok ab, kuppelt dann ab, schiebt die Lok mit Schwung auf ein anderes Gleis wieder zurück in ihre Heimat und bleibt selber stehen. Die E-Lok setzt dann mit eigener Kraft um auf den Gegenzug bzw aufs Abstellgleis. Am Brenner gibts dafür eigene Rangierloks, in Spielfeld-Strass und Jesenice (Österreich hat das gleiche System wie D) übernimmt die slowenische (bzw. in Gegenrichtung die ÖBB-Lok) E-Lok die Rangieraufgaben.
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Luchs
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Beitrag von Luchs »

Noch eine kleine Korrektur: So weit ich weiss hängt auch in solchen Bahnhöfen immer durchgehend eine Oberleitung, damit im Fall der Fälle der Strombahnehmer nicht kaputtgeht und nichts zerstört. Die Oberleitung ist dabei in mehrere, teilweise kurze Abschnitte geteilt. In der Mitte ist sie geerdet.

Solche Systemwechselstellen gibt es auch bei den Regiotrams in Karlsruhe, Saarbrücken und Kassel. Dort bleibt der Stromabnehmer oben, das Umschalten passiert automatisch.

An anderen Stellen ist das manuelle Umschalten vor allem wegen der Zugsicherungssystem notwendig - die kann man nicht automatisch am Stromsystem erkennen ...

Luchs.
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Beitrag von viafierretica »

146225 @ 5 Nov 2010, 18:37 hat geschrieben: Es gibt auch (Grenz-)Bahnhöfe mit umschaltbaren Oberleitungen, z.B. Aachen Hbf.
oder Pontresina (Rhätische Bahn):-)
viafierretica
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Beitrag von viafierretica »

Luchs @ 5 Nov 2010, 21:06 hat geschrieben: Noch eine kleine Korrektur: So weit ich weiss hängt auch in solchen Bahnhöfen immer durchgehend eine Oberleitung, damit im Fall der Fälle der Strombahnehmer nicht kaputtgeht und nichts zerstört. Die Oberleitung ist dabei in mehrere, teilweise kurze Abschnitte geteilt. In der Mitte ist sie geerdet.

Solche Systemwechselstellen gibt es auch bei den Regiotrams in Karlsruhe, Saarbrücken und Kassel. Dort bleibt der Stromabnehmer oben, das Umschalten passiert automatisch.

An anderen Stellen ist das manuelle Umschalten vor allem wegen der Zugsicherungssystem notwendig - die kann man nicht automatisch am Stromsystem erkennen ...

Luchs.
Ja, das stimmt. An allen mir bekannten europäischen Grenzbahnhöfen geht die Fahrleitung durch, und in jedem Fall an allen italienischen (ausser Slowenien hat jedes Nachbarland von Italien ein anderes Stromsystem, Frankreich sogar zwei verschiedene). Nach Österreich betrifft das Brennero/Brenner, San Candido/Innichen und Tarvisio Boscoverde.
Es gibt aber auch, v.a. in Frankreich, Tschechien und Belgien Systemwechselstellen auf freier Strecke.
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