Hab´ ich gerade auf ARD bei Plusminus gesehen:
Die Bahn ist wieder in den Schlagzeilen. Zum Fahrplanwechsel Mitte Dezember 2004 werden ihre Tarife gut drei Prozent teurer. Das kommt bei den Kunden schlecht an, und dabei hatte es der Bahnvorstand zwischendurch gerade erst mit Streicheleinheiten versucht: Die neuen Fahrgast-Rechte, die zum Oktober 2004 in Kraft treten. Wer zu spät ankommt, hat ein Recht auf Entschädigung. Was auf den ersten Blick gut erscheint, ist aus der Nähe betrachtet allerdings eher eine Mogelpackung.
Der Zug hat Verspätung, ärgerlich, doch die Bahn wird dafür gerade stehen. Bei großer Verspätung gibt es den vollen Preis zurück, und zwar als Geldüberweisung direkt aufs Konto des Kunden. Ein Märchen? Keineswegs, eine wahre Geschichte. Aber nicht Deutschland ist der Ort des Geschehens, sondern die Niederlande.
Über einen solchen Service würde sich Vielfahrer und Bahncomfort-Kunde Andreas Roeske auch gerne einmal freuen können. Doch dazu hat er derzeit keinen Grund. Im August 2004 war der Werbetexter im Nahverkehr auf dem Weg zu seinem Berlin-Flug vom Stuttgarter Flughafen. Doch die Bahn verspätete sich, er verpasste einen Anschluss. Einen Gutschein fürs Taxi gebe es nur, wenn der Kunde sein Ziel nicht mehr am gleichen Tag erreichen könne, erklären ihm Mitarbeiter des Unternehmens. Dass sein Flugzeug ohne ihn starten würde, interessierte die Bahn wenig. Andreas Roeskes einzige Alternative: Das Taxi zum Flughafen selbst zahlen, zum Preis von 120,- €.
Pech also für den Werbetexter im Nahverkehr. Auch mit der Oktober 2004 in Kraft tretenden neuen Bahncharta, die Fahrgäste für Verspätungen entschädigen soll, wäre er leer ausgegangen. Nahverkehrsnutzer gehören auch künftig zu den Verlierern, denn die neuen Kundenrechte gelten nur für den Fernverkehr. Bei mehr als 60 Minuten Verspätung will die Bahn künftig 20 Prozent des Reisepreises oder mindestens 5,- € erstatten. Dabei sind nur Fälle betroffen, in denen das Unternehmen eine Schuld trifft. Bei so genannter "höherer Gewalt" sieht sich die Bahn nicht in der Pflicht.
Verbesserung bei längeren Strecken
Bei längeren Strecken profitiert der Bahnreisende gegenüber der früheren Kulanzregelung des Unternehmens. Kommt es beispielsweise auf der ICE-Fahrt von Stuttgart nach Hamburg (Preis: 105,- €) zu einer Verspätung von mehr als einer Stunde, springen bei einer Entschädigung von 20 Prozent immerhin 21,- € heraus.
Doch auf kürzeren Strecken liegen die Beträge unter Umständen bei weniger als 10,- € - und damit unter der Summe der bisherigen Kulanzregelung.
Auf der ICE-Fahrt von Stuttgart nach Mainz (Preis: 39,- €) beträgt die Entschädigung lediglich 7,80 €.
Kompliziertes Verfahren
Die Entschädigungen der Bahn werden nicht in Geld ausbezahlt, sondern in Form von Gutscheinen für weitere Zugreisen. Und auch die gibt es nicht ohne weiteres. Zunächst benötigen Bahnkunden eine Gutscheinkarte, auf der ein Zugbegleiter die Verspätung bestätigt.
Sollte dies nicht möglich sein, muss dies innerhalb von zwei Tagen am Service-Point der Bahn nachgeholt und dort die Gutscheinkarte ausgefüllt werden. Mit der Karte können sich Bahnkunden innerhalb von vier Wochen ihren eigentlichen Gutschein im Reisezentrum abholen. Danach bleibt ein Jahr Zeit, ihn einzulösen.
Einfacher beim Nachbarn
Viel einfacher geht es in den Niederlanden, wo es gleich am Schalter ein Beschwerdeformular gibt. Ausfüllen, abgeben, und innerhalb von sechs Wochen überweist das dortige Bahnunternehmen Nederlandse Spoorwegen (NS) direkt aufs Girokonto. Bei einer Verspätung von mehr als 60 Minuten winkt der volle Fahrpreis als Entschädigung, bei einer halben Stunde immerhin noch 50 Prozent. Und mit diesem System sind die Verspätungen und Beschwerden gesunken.
Warum bietet die deutsche Bahn ihren Kunden nicht einen ähnlichen Service? Die niederländische NS habe ein anderes System mit einem weitaus kleineren, weniger komplexen Netz, erklärt die Bahn.
Ein Netz freilich, das keinen Unterschied macht zwischen Nah- und Fernverkehr und seine Kunden gleich behandelt. Und dabei hat sich die Bahn bereits bei der neuen Kundencharta erst auf großen Druck hin gebeugt. Die Politik hatte mit einer für die Kunden besseren gesetzlichen Regelung gedroht - die Bahn konnte es verhindern.
Bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen ist man der Meinung, dass sich die Politik gegenüber dem Riesen Deutsche Bahn schwer tut. Auch diesmal hat sich das Unternemen nur ein kleines Stück weit bewegt. Für die Verbraucherschützer nicht genug, auch bei kürzeren Verspätungen und im Nahverkehr fordern sie einen Anspruch der Bahnkunden.
Entschädigungsregeln im Überblick
Fahrkarte Entschädigung
Einzelkarte 20 Prozent (mind. 5,- €)
Zeitkarten 1. Klasse pauschal 7,50 €
Zeitkarten 2. Klasse pauschal 5,- €
Bahncard 100, 1. Klasse pauschal 15,- €
Bahncard 100, 2. Klasse pauschal 10,- €
Generell beträgt die Mindestverspätung für eine Entschädigung 60 Minuten. Im Nachtverkehr sind es 120 Minuten. Reisende im ICE-Sprinter erhalten bereits nach 30 Minuten Verspätung den gezahlten Aufpreis (1. Klasse: 15,- €, 2. Klasse 10,- €) zurück.
Und das gilt es beim Gutschein zu beachten:
-Die Gutscheinkarte wird vom Zugbegleiter ausgehändigt.
-Ist dies nicht möglich, müssen sich Fahrgäste die Verspätung innerhalb von zwei Tagen am Service-Point der Bahn bestätigen lassen. Dazu benötigen sie die betreffende Fahrkarte oder deren Kopie.
-Innerhalb von vier Wochen kann die Gutscheinkarte in den Reisezentren der Bahn gegen den eigentlich Gutschein eingetauscht werden. Bringen Sie auch dazu die betreffende Fahrkarte oder deren Kopie mit.
-Der Gutschein muss innerhalb eines Jahres eingelöst werden.
Dieser Text gibt den Inhalt des Fernseh-Beitrages von [plusminus vom 21. September 2004 wieder, ergänzt um Zusatzinformationen der Redaktion.
Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.
(Quelle: www.plusminus.de)
Grüße, schorsch
