Also wie bei den meisten der Lokführer war und ist bei mir dieser Beruf Traum und Berufung zugleich. Bereits als kleines Mädchen hing ich an der Modellbahn statt mit Puppen zu spielen, der Papa fuhr mit mir spätabends an den Bahndamm zum "ICE gucken" (damals fuhr der nur zwei mal am Tag, früh morgens und am späten Abend), ich sparte mein Taschengeld, um mir eine Fahrt von Hamm nach Bielefeld zu leisten und und und. 1998 kam dann das lang ersehnte Praktikum bei der Bahn. Alles super, alles topp, DAS wars, das war genau das, was ich wollte. Auf der Hauptschule dann die mittlerer Reife gemacht und die Bewerbung abgeschickt. "Leider können wir Ihnen in unserem Unternehmen keinen Ausbildungsplatz anbieten." ZONK!!! Was? Warum? Nein, das geht doch nicht. Ich hab doch keine Alternative. Angerufen und gefragt, aber man gäbe keine Auskünfte warum und weshalb. Traum geplatzt. Kein Gespräch, kein Test, kein Nix

Durch wie viele Hände diese Bewerbung lief, kann ich nicht sagen. Es waren jedenfalls eine Menge. Schlusstenor: Mit dem Studium, auch wenns nicht abgeschlossen ist, bin ich überqualifiziert für den Lokführer. Es hätte in der Vergangenheit zu viele Leute mit hohem Bildungsabschluss gegeben, die letztlich nicht mit dem Beruf/der Ausbildung klargekommen wären, weil sie unterfordert waren.
Tja, und heute sitzt hier das junge Mädchen von damals. Mit dem gleichen Berufswunsch. Ob mit 6, 16 oder 26 und hadert mit sich selbst. Wenn nicht jetzt, wann dann? Versucht mans nochmal? Oder trauert man dem ewig hinterher und denkt sich bei jeder Zugfahrt, wie es hätte sein können, wenn man selbst jetzt in diesem Moment da vorne sitzt.
Entscheidung: Ich werde es nochmal versuchen. Diesmal streiche ich das Studium aus dem Lebenslauf.
Aber trotzdem die Frage, habe ich selbst mit Abitur überhaupt eine Chance? Dazu noch eine abgeschlossene Ausbildung? Und in meinem Alter? Ich meine, ich bin 10 Jahre älter als der Durchschnittsazubi. Und nein, diesen 7 Monate Lehrgang möchte ich nur ungern machen (wenn es den überhaupt noch gibt), mit einer Verkürzung auf 2,5 oder 2 Jahre könnte ich leben. Sicherlich habe ich durch meinen bisherigen Werdegang Qualitäten erlangt, die ein frischer Schulabgänger nicht hat bzw nicht haben kann. Ich weiß wie es ist, Azubi zu sein. Ich weiß, wie das Berufsleben läuft. Ich stehe mit beiden Beinen fest am Boden. Ich gehe mit einer ganz anderen Disziplin an die Sache heran.
Aber interessiert das auch die Bahn?
Tut mir leid, falls ich jetzt ein wenig viel geschrieben hab, aber vielleicht gibt es ja doch den ein oder anderen, der mir ein bischen Mut macht, ggf auch Tatsachen vor den Kopf knallt. Fakt ist, wäre ich damals genommen worden, hätte es das, was mir heute als Überqualifikation zum Nachteil gereicht, nie gegeben. Das waren ja alles nur Lückenfüller, streng genommen.
Ganz liebe Grüße
Obilix