Und bei uns muß die Bahn mit Auto und Flugzeug konkurrieren, und da tut sie sich halt schwer.
Das muss die Bahn in anderen Ländern Europas nicht? Selbst im "Bahnland Schweiz" muss sie das. Es gibt innerschweizerische Linienflüge zwischen Genf, Basel, Lugarno und Zürich und eben auch das dichteste Autobahnnetz Europas. Es ist ja nicht so, dass alle einfach mit'm Zug fahren und sich mit Abokarten eindecken, ohne dass die Bahn dafür was tun muss. Das geht warscheinlich nur in Ländern wie Nordkorea... Wäre interessant zu wissen, was die Schweiz für einen Wert in dieser Befragung gehabt hätte. Denn ich glaube nämlich nicht, dass der objektiv feststellbare Titel "bestes Eisenbahnsystem" und der Bestwert in einer subjektiven Befragung zusammenfallen.
Zufriedenheit ergibt sich ja prinzipiell nur daraus in wie weit die eigenen Erwartungen erfüllt werden. Die 96% Zufriedenheit in Litauen dürften einfach daraus resultieren, dass die Litauer geringere Erwartungen haben. Deswegen sind (vereinfacht gesagt) die Kunden von Billigautos fast immer auch die zufriedeneren Kunden, während die Kunden der Premiummarken fast immer geringere Zufriedenheitswerte bringen, obwohl sie objektiv betrachtet die bessere Ware haben.
Und dann geht's eben bei subjektiven Bewertungen immer auch noch darum, wie gehen die Leute mit Kritik um, bzw. wie äußern sie sie. Das ist in gewisser Weise eine kulturelle Frage, da sind wir bei Guidos Erfahrungen. Deutschland ist halt einig Motzerland. Selbst wenn unser Bahnsystem so eng vernetzt und zuverlässig wäre wie das Schweizer, so schnell wie das Französische und so günstig wie das Rumänische, die Deutschen wären immer noch unzufriedener als die Litauer.
Warscheinlich wären die Deutschen auch deswegen unzufrieden, weil ihre Vorurteile nicht befriedigt werden. "Die Bahn" muss scheiße sein. Man wartet nur auf irgendwelche Kleinigkeiten, um dann aus 2 Minuten Fahrplanabweichung ein riesen Theater zu machen. Nach einer pünktlichen, reibungslosen Bahnfahrt hört man Leute aussteigen, die gefühlt "nur grad so eben zufrieden" sind. Ich frage mich, ob nach diesem Maßstab in Deutschland nur ein Schüler irgendeinen Schulabschluss schaffen würde. "Waaas, nur 90% richtig? Ne du, das ist glatt durchgefallen!" So gesehen sagt die Studie nur am Rande was über die Bahn aus, sondern eigentlich mehr über die Deutschen. So werden sicher viele zu ihrem Nebenmann/frau gesagt haben, nachdem sie von der Studie gelesen haben: "Siehste, sag ich doch. Die Deutsche Bahn ist scheiße!"
Beispiel, der heutige Donaukurier: Fast eine ganze Seite über den Baufortschritt der neuen Bahntrasse in Reichertshofen und über den Abbruch der alten Brücken. Das wäre aber viel zu lobend, viel zu positiv über "die Bahn" berichtend, das mögen die Leser warscheinlich nicht (schlecht für die Auflage?), deswegen haben sie noch einen Leserbrief aus Kempten (!) reingepackt, dessen Autor auf dem Reichertshofener Bahnhofsprovisorium anscheinend irgendwas erlebt haben will.