Fahrscheinfreier ÖPNV

Fragen und Diskussionen zu den Tarifen von Bahnen und Verkehrsverbünden.
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riedfritz
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Beitrag von riedfritz »

Zitat JNK:
die Stadt bezahlt die Straßen, auf denen die Autos den Weg zum Parkhaus finden.
Das ist mitnichten so!
Bei der Erschließung eines Baugebietes werden dem Grundstückseigentümer von vornherein 33%, also ein Drittel der Fläche, von der Kommune weggenommen, die dann der Kommune für öffentliche Aufgaben (Bau von Straßen, Radwegen Kinderspielplätzen usw.) zur Verfügung stehen.

Die Kosten für den Bau von Straßen, Grundstücksanschlüssen (Wasser Kanal, Elektro, Telefonleitungen) werden bei Bebauung des Grundstücks nach einem bestimmten Schlüssel (Geschossflächenzahl) auf die Eigentümer umgelegt.

Ein Großteil des Geldes für Strassenunterhalt finanzieren die Autofahrer über die KFZ- und Mineralölsteuer selbst.


Viele Grüße,

Fritz
[font=Arial]Meine Vorbildfotos unter [/font]Meine Eisenbahnfotos
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Beitrag von GSIISp64b »

Lauer spricht in der ARD grade von 666 Millionen Fahrkarteneinnahmen der BVG im Jahr - entspräche ca. 25 Euro pro Person.
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TramPolin
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Beitrag von TramPolin »

GSIISp64b @ 21 Sep 2011, 23:29 hat geschrieben: Lauer spricht in der ARD grade von 666 Millionen Fahrkarteneinnahmen der BVG im Jahr - entspräche ca. 25 Euro pro Person.
Ich habe gerade lachen müssen, als Bärbel Höhn sich auf einmal Sorgen um das Familienauto machte und Herr Lauer dies als "grüne Kernforderung" verhöhnte.
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Beitrag von GSIISp64b »

TramPolin @ 21 Sep 2011, 23:48 hat geschrieben: Ich habe gerade lachen müssen, als Bärbel Höhn sich auf einmal Sorgen um das Familienauto machte und Herr Lauer dies als "grüne Kernforderung" verhöhnte.
Ja, der Lauer hat ein Talent dafür, die anderen Diskutanten aus der Fassung zu bringen, scheint mir.
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Beitrag von Bayernlover »

GSIISp64b @ 21 Sep 2011, 23:29 hat geschrieben: Lauer spricht in der ARD grade von 666 Millionen Fahrkarteneinnahmen der BVG im Jahr - entspräche ca. 25 Euro pro Person.
Wenn, dann will man aber alles von der Allgemeinheit finanzieren. Und die S-Bahn fehlt auch - ich denke, dass der Betrag weitaus höher wäre.
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Beitrag von GSIISp64b »

Bayernlover @ 22 Sep 2011, 00:44 hat geschrieben: Wenn, dann will man aber alles von der Allgemeinheit finanzieren.
Äh - ja. Und der Teil, der nicht aus Fahrkartenerlösen besteht, ist ohnehin schon von der Allgemeinheit finanziert.

Daher ist Lauers Art, hier mit dem Einnahmeausfall zu rechnen, vollkommen korrekt.
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Beitrag von Bayernlover »

GSIISp64b @ 22 Sep 2011, 00:47 hat geschrieben: Äh - ja. Und der Teil, der nicht aus Fahrkartenerlösen besteht, ist ohnehin schon von der Allgemeinheit finanziert.

Daher ist Lauers Art, hier mit dem Einnahmeausfall zu rechnen, vollkommen korrekt.
Muss ich mir nochmal in Ruhe darüber Gedanken machen - es würde aber an den Gesamtkosten nix ändern ;)
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Beitrag von GSIISp64b »

Was ein valider Punkt ist, ist die fehlende S-Bahn. Ich weiß nicht, auf welche Fahrkartenverkäufe sich Lauers Zahlen beziehen, jedenfalls hatte er sie wohl aus dem BVG-Abschlussbericht 2010.
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JNK
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Beitrag von JNK »

GSIISp64b @ 22 Sep 2011, 00:53 hat geschrieben: Was ein valider Punkt ist, ist die fehlende S-Bahn. Ich weiß nicht, auf welche Fahrkartenverkäufe sich Lauers Zahlen beziehen, jedenfalls hatte er sie wohl aus dem BVG-Abschlussbericht 2010.
Was hindert Dich daran nachzugucken? Diskutierst Du lieber im luftleeren Raum?

Aus dem BVG Geschäftsbericht 2010:

Umsatzerlöse: 660.454 Mio.€ (S.65)

Fahrgelderträge: 528,7 Mio. € (S.45)
Ersatz für Einnahmeausfälle aus Schüler-,
Schwerbehindertenverkehren sowie Sozialticket1 95,9 Mio € (S.45)
stfn
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Beitrag von stfn »

Naja, ich stehe der Sache durchaus skeptisch gegenüber, für mich bleiben immernoch einige wichtige Fragen offen.

1. Wer soll zahlen ? Ich lese hier oft "alle" - aber wer sind denn alle ? Gehen wir mal von einer Umsetzung auf kommunaler Ebene aus, gerne auch München, daher verzeiht mir wenn ich hier geografische Fehler einbauen sollte. Wer sind denn Alle Münchner ? Alle Bürger mit gemeldetem Wohnsitz in München ? Da bleiben die Pendler aussen vor. Ausserdem lässt man da ja auch die vielen Menschen zahlen, die bewusst ( und meist auch allein um Geld zu sparen ) ihre Wege mit dem Rad oder zu Fuß erledigen. Wie erkläre ich bspw. dem Frisörgesellen mit 1000 € Netto p.M., der jeden Morgen 10 Minuten in seinen Salon läuft / radelt, dass er jetzt eine Abgabe zahlen muss, damit alle umsonst den ÖPNV nutzen können ?
Man könnte "Alle" auch über den Einzugsbereich des Streckennetzes der MVG definieren, aber auch hier: Wie groß ist dieser ? Muss denn jetzt Herr Schmidt zahlen und sein Nachbar Müller nicht, weil zwischen den Grundstücken die Grenze des Einzugsbereiches verläuft ?

2. Was wird aus den Verkehrsbetrieben ? Wenn diese zu 90% über öffentliche Abgaben finanziert werden, bleiben ihnen nur noch Sparmaßnahmen, um weiter gewinnbringend zu arbeiten. ( Es sei denn ich habe jetzt eine große Einnahmequelle übersehen ). Doch wo will man denn sparen ? Gehen wir vom Optimalfall aus und der fahrscheinfreie ÖPNV führt zu einem Anstieg der Fahrgastzahlen, dann kann ich weder Fahrpersonal einsparen noch die Wartung reduzieren. Wohl eher werden durch eine evtl nötige Taktverdichtung weitere Investitionen notwendig. Klar könnte man die Verkehrsgesellschaften in Anstalten des öffentlichen Rechts umwandeln, aber auch soetwas kostet erstmal. Ein Unternehmen umzustrukturieren macht sich nicht von selbst. Und wenn ich z.B. sehe, in welchem zustand so manche städtische Schule ist, möchte ich mir das nicht auf Trams, Busse und Haltestellen übertragen vorstellen.

3. Wie gestalte ich die Abgabe in der Zukunft ? Mir ist bis jetzt noch kein Mittel eingefallen, das tatsächliche Fahrgastaufkommen zu protokollieren und zu dokumentieren. Dies wird heutzutage idR über den Fahrkahrtenverkauf gemacht. Fällt dieser weg, muss man sich auf Schätzwerte berufen. Doch wenn man jetzt eine Pauschale verlangen würde ( die mittels den heute bekannten Zahlen berechnet wird ) und man sich verspricht, dadurch mehr Menschen zum ÖPNV zu bewegen, muss man auch die Entwicklung irgendwie erfassen, um die Pauschale an die veränderten Gegebenheiten anzupassen. Und da redet noch keiner davon, dass möglichst genaue Fahrgastzahlen eine wichtige Berechnungsgrundlage für die gesamte Verkehrsplanung - und steuerung sind.

Ich lasse mich gerne eines Besseren belehren, aber die gesamte Idee, die Gesamtbelastung für den Einzelnen zu erhöhen, damit die Gemeinschaft profitiert kommt mir doch etwas sozialistisch vor. Und Sozialismus ist eine nette Theorie, hat aber in der Praxis mehrfach versagt. Insbesondere in der heutigen Zeit, wo wirklich viele Menschen jeden Euro umdrehen müssen, sehe ich da genau so eine Streitfrage ankommen wie zur GEZ Gebühr. Und auch ich bezahle lieber für eine Leistung, die ich tatsächlich in Anspruch nehme, als dass ich eine Gebühr bezahle, damit ich eine Leistung in Anspruch nehmen könnte. ( Der letzte Satz war wieder auf den ÖPNV bezogen, die GEZ war nur eine Randbemerkung )
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Beitrag von GSIISp64b »

JNK @ 22 Sep 2011, 09:03 hat geschrieben: Was hindert Dich daran nachzugucken? Diskutierst Du lieber im luftleeren Raum?
Man beachte bitte die Uhrzeit meines obigen Beitrags, irgendwann will ich dann auch mal schlafen. Ich hatte zumindest ganz kurz einen Blick reingeworfen.
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Beitrag von Bayernlover »

stfn @ 22 Sep 2011, 11:28 hat geschrieben: Ausserdem lässt man da ja auch die vielen Menschen zahlen, die bewusst ( und meist auch allein um Geld zu sparen ) ihre Wege mit dem Rad oder zu Fuß erledigen. Wie erkläre ich bspw. dem Frisörgesellen mit 1000 € Netto p.M., der jeden Morgen 10 Minuten in seinen Salon läuft / radelt, dass er jetzt eine Abgabe zahlen muss, damit alle umsonst den ÖPNV nutzen können?
Das ist wie bei einer Krankenversicherung - weißt Du wann ich das letzte Mal beim Arzt war und wieviel Geld jeden Monat dafür flöten geht?
Und da redet noch keiner davon, dass möglichst genaue Fahrgastzahlen eine wichtige Berechnungsgrundlage für die gesamte Verkehrsplanung - und steuerung sind.
Ich sehe eher das Problem, dass die Nachfrage das Angebot bestimmt. Und Städte, die sich aufgrund der Mehrheitsverhältnisse keinen teuren Nahverkehr leisten wollen, dünnen ihn solange aus, bis er total verkümmert ist, aber dabei eben fast nix kostet. Damit ist mit Sicherheit niemandem geholfen, außer den (dann zahlreichen) Autofahrern, die für den ÖPNV nix zahlen.
Ich lasse mich gerne eines Besseren belehren, aber die gesamte Idee, die Gesamtbelastung für den Einzelnen zu erhöhen, damit die Gemeinschaft profitiert kommt mir doch etwas sozialistisch vor.
Deshalb macht man ja auch heute eine Art Mischfinanzierung, damit zwar die Allgemeinheit auch etwas mitträgt, abgerufene Leistungen aber auch direkt von der in Anspruch nehmenden Person bezahlt werden. So ist es im Gesundheitssystem mittlerweile, und auch beim ÖPNV.
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Beitrag von stfn »

Bayernlover @ 22 Sep 2011, 11:24 hat geschrieben: Das ist wie bei einer Krankenversicherung - weißt Du wann ich das letzte Mal beim Arzt war und wieviel Geld jeden Monat dafür flöten geht?
Naja, jetzt allerdings eine Sozialversicherung mit dem ÖPNV gleichzustellen ist etwas gewagt. Denn wenn ich Krank werde ( oder einfach nur einen Unfal habe, der kann nämlich ganz schnell viel teurer werden, als eine Krankheit ) habe ich ein grundlegendes Interesse daran, dass ich nicht aus Geldmangel dahingehe. Und ich denke ich rede nicht allzuviel Mist wenn ich behaupte, dass Gesundheit ein Gut von allgemeinem Interesse ist, und ÖPNV eben nicht zwingend. Zumal das was du beschreibst nunmal das Grundprinzip einer Versicherung ist: Einzahlen um im Schadensfall abgesichert zu sein. Wäre das ein Geschäft zu deinen Gunsten, gäbe es keine Versicherungen mehr. Und gerade die Bereiche, die durch die Sozialversicherungen abgedeckt werden ( Krankheit, Pflegefall, Arbeitslosigkeit etc pp ) würden viele viele Menschen in den existenziellen Ruin treiben, gäbe es diese Versicherungen nicht.
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Beitrag von GSIISp64b »

Da stimme ich dir nicht ganz zu: Natürlich ist Mobilität (die sich für viele Leute nur durch den ÖPNV überhaupt erreichen lässt) ein Gut von allgemeinem Interesse.
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Beitrag von schwarzfahrerin »

Wohl wahr! Gerade für die Zukunft muss man etwas weiter über den Tellerrand blicken als auf die Ist-Situation. Sicher wird es immer Autos geben.
Aber: Rohstoffmangel, Nutzung neuer Energien, Überalterung der Geselschaft, verstärkte Urbanisierung (weniger Platz in den Städten). All das spricht dafür, dass der ÖPNV zukünftig noch mehr gebraucht werden wird...
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Beitrag von stfn »

GSIISp64b @ 22 Sep 2011, 11:39 hat geschrieben: Da stimme ich dir nicht ganz zu: Natürlich ist Mobilität (die sich für viele Leute nur durch den ÖPNV überhaupt erreichen lässt) ein Gut von allgemeinem Interesse.
Ich denke dass wir uns in dem Punkt nicht ganz grün sind liegt u.a. auch daran, dass viele User hier in Großstädten wohnen ( kamst du selbst nicht aus DD ? ) und ich nunmal in einer Kleinstadt. Hier stellt sich für mich wieder die Frage, wo man die Grenze zieht zwischen Leuten die Zahlen müssen und denen, die es nicht müssen. Ich bin über die S1 theoretisch wie praktisch an das Streckennetz der DVB angeschlossen, muss ich nun eine Abgabe zahlen, weil ich ein Pendler sein könnte, obwohl ich es nicht bin ? Ich bin hier in Meissen Nahverkehrstechnisch durch die VGM erschlossen, erledige aber alles was ich in Meißen zu tun habe zu Fuß oder mit dem Rad. Muss ich auch zahlen ? Oder zieht man den Rahmen größer, nimmt als Einzugsgebiet das Tarifgebiet des VVO .... muss dann ein Bürger aus Großenhain, Riesa oder Nossen Abgaben zahlen, um in Dresden kostenlos die Tram oder den Bus zu benutzen ? Mir ist hier schlicht die Schnittmenge aus gezahlten Leistungen / in Anspruch genommenen Leistungen nicht groß genug, um es als "Allgemeinwohl" zu bezeichnen. Ausserdem bleiben ja auch meine anderen Punkte in meinem Posting weiter oben weitestgehend offen.
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JNK
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Beitrag von JNK »

stfn @ 22 Sep 2011, 11:28 hat geschrieben:Naja, ich stehe der Sache durchaus skeptisch gegenüber, für mich bleiben immernoch einige wichtige Fragen offen.

1. Wer soll zahlen ? Ich lese hier oft "alle" - aber wer sind denn alle ? Gehen wir mal von einer Umsetzung auf kommunaler Ebene aus, gerne auch München, daher verzeiht mir wenn ich hier geografische Fehler einbauen sollte.
Danke für Deine ausführliche und sachliche Kritik.

Ich habe mir meine Gedanken über den Wuppertaler ÖPNV gemacht, von München habe ich keine Ahnung. Meine Idee wäre in der Tat, dass alle die ihren Wohnsitz in Wuppertal haben, zahlen müssen.
Man müsste überlegen, was man mit über die Stadtgrenzen laufenden Linien (Nicht SPNV) macht, ob man sie dort bricht, oder die Verträge anpasst. Wieder das Beispiel Wuppertal: auf der Linie 615 fahren 3 Busse der WSW und 1 Bus der SR. Mit Solingen ist es so, dass die WSW die Linie CE 64 komplett betreibt, die SWS dafür die 683. Dafür gibt es vermutlich Verträge zur Aufteilung der Fahrgelder, die müsste man anpassen. Man könnte beispielsweise hier ebenfalls Pauschalen von den benachbarten Verkehrsbetrieben nehmen, damit ein Teil der Kosten gedeckt ist.
Da bleiben die Pendler aussen vor.
Stimmt. Aber die Pendler zahlen ja auch nichts, wenn sie mit dem Auto kommen (Außer Parkgebühren und Strafzettel ;) ) Die Idee, die dahinter steckt, ist die der Gemeinschaft der Bürger einer Stadt.
Ausserdem lässt man da ja auch die vielen Menschen zahlen, die bewusst ( und meist auch allein um Geld zu sparen ) ihre Wege mit dem Rad oder zu Fuß erledigen. Wie erkläre ich bspw. dem Frisörgesellen mit 1000 € Netto p.M., der jeden Morgen 10 Minuten in seinen Salon läuft / radelt, dass er jetzt eine Abgabe zahlen muss, damit alle umsonst den ÖPNV nutzen können ?
Der Frisörgeselle zahlt ja jetzt schon, da die Stadt Kredite aufnimmt um das Defizit zu bezahlen. Er zahlt bei meinem Vorschlag mehr, dafür kann die Stadt ihr Geld anders verwenden und zum Beispiel Schulden tilgen oder einen Kindergarten einrichten. Außerdem bezweifel ich, dass der Frisörgeselle immer nur zwischen Arbeit und Wohnung pendelt und Sonntags und Montags zu Hause bleibt... Aber Du hast Recht, wie heute auch, wird es bei der Idee des Fahrscheinlosen Nahverkehrs Gewinner und Verlierer geben. Wie zum Beispiel:
Man könnte "Alle" auch über den Einzugsbereich des Streckennetzes der MVG definieren, aber auch hier: Wie groß ist dieser ? Muss denn jetzt Herr Schmidt zahlen und sein Nachbar Müller nicht, weil zwischen den Grundstücken die Grenze des Einzugsbereiches verläuft ?
Wenn Herr Schmidt in Wuppertal wohnt und Herr Müller schon in Remscheid, muss Herr Schmidt zahlen und Herr Müller kann zehn Meter weiter nach Wuppertal gehen und wirklich kostenlos fahren. Aber vielleicht hat Herr Schmidt dafür viel höhere Energiekosten, weil die Remscheider Stadtwerke so das Defizit ihres Nahverkehrs auffangen.
Ein Problem in dieser Diskussion ist doch, dass viele Kosten ineinander verschachtelt sind und man nicht klar erkennen kann, wie hoch die Kosten exakt sind und wer sie letztendlich zu zahlen hat. Der Fahrscheinlose Nahverkehr würde da Klarheit und Transparenz schaffen.
2. Was wird aus den Verkehrsbetrieben ? Wenn diese zu 90% über öffentliche Abgaben finanziert werden, bleiben ihnen nur noch Sparmaßnahmen, um weiter gewinnbringend zu arbeiten. ( Es sei denn ich habe jetzt eine große Einnahmequelle übersehen ). Doch wo will man denn sparen ? Gehen wir vom Optimalfall aus und der fahrscheinfreie ÖPNV führt zu einem Anstieg der Fahrgastzahlen, dann kann ich weder Fahrpersonal einsparen noch die Wartung reduzieren. Wohl eher werden durch eine evtl nötige Taktverdichtung weitere Investitionen notwendig. Klar könnte man die Verkehrsgesellschaften in Anstalten des öffentlichen Rechts umwandeln, aber auch soetwas kostet erstmal. Ein Unternehmen umzustrukturieren macht sich nicht von selbst. Und wenn ich z.B. sehe, in welchem zustand so manche städtische Schule ist, möchte ich mir das nicht auf Trams, Busse und Haltestellen übertragen vorstellen.
Ich denke, dass ein bürgerfinanzierter Nahverkehr nicht gewinnorientiert arbeiten sollte, sondern +-0. Ich gebe zu, dass mir das auch Kopfschmerzen bereitet, da der Markt den Preis regeln sollte. Aber im Fall des ÖPNV liegt meiner Meinung nach eh ein Marktversagen seit den 1950er Jahren vor. Man muss halt effektive Kontrollmechanismen schaffen, die verhindern, dass innerhalb des Verkehrsbetriebs "kommunistische" Verhältnisse eintreten. Ein Bürgerbeirat wäre möglich evtl. auch Abstimmungen, wenn Abgabenerhöhungen anliegen oder das Angebot ausgeweitet werden soll. Man muss klare Kriterien schaffen und ein wenig an das Gute glauben.

3. Wie gestalte ich die Abgabe in der Zukunft ? Mir ist bis jetzt noch kein Mittel eingefallen, das tatsächliche Fahrgastaufkommen zu protokollieren und zu dokumentieren. Dies wird heutzutage idR über den Fahrkahrtenverkauf gemacht. Fällt dieser weg, muss man sich auf Schätzwerte berufen. Doch wenn man jetzt eine Pauschale verlangen würde ( die mittels den heute bekannten Zahlen berechnet wird ) und man sich verspricht, dadurch mehr Menschen zum ÖPNV zu bewegen, muss man auch die Entwicklung irgendwie erfassen, um die Pauschale an die veränderten Gegebenheiten anzupassen. Und da redet noch keiner davon, dass möglichst genaue Fahrgastzahlen eine wichtige Berechnungsgrundlage für die gesamte Verkehrsplanung - und steuerung sind.
Ein guter Einwand. Aber ist es denn heute möglich mittels Fahrscheinen die Nutzung zu ermitteln? Die überwiegende Mehrzahl der Fahrgäste benutzt ein Monats-Abonnement, daraus lässt sich nicht ableiten, wie oft jemand fährt, wann er dies tut und wohin am liebsten.
Ich lasse mich gerne eines Besseren belehren, aber die gesamte Idee, die Gesamtbelastung für den Einzelnen zu erhöhen, damit die Gemeinschaft profitiert kommt mir doch etwas sozialistisch vor. Und Sozialismus ist eine nette Theorie, hat aber in der Praxis mehrfach versagt. Insbesondere in der heutigen Zeit, wo wirklich viele Menschen jeden Euro umdrehen müssen, sehe ich da genau so eine Streitfrage ankommen wie zur GEZ Gebühr. Und auch ich bezahle lieber für eine Leistung, die ich tatsächlich in Anspruch nehme, als dass ich eine Gebühr bezahle, damit ich eine Leistung in Anspruch nehmen könnte. ( Der letzte Satz war wieder auf den ÖPNV bezogen, die GEZ war nur eine Randbemerkung )
Ich sehe das so: Wir haben die Möglichkeit den ÖPNV kapitalistisch zu gestalten, gemeinschaftlich oder in Mischform.
Kapitalistisch: Du zahlst 15,00€ für die Kurzstrecke, zahlst aber wirklich nur die Leistung die
du in Anspruch nimmst. Das Angebot wird auf lukrative Strecken ausgedünnt, für alle anderen Destinition muss ein Taxi her. Es entstehen keine Kosten, die von Stadt oder Energieverbraucher bezahlt werden müssen.
Gemeinschaftlich: Alle übernehmen einen Teil der Kosten, das Angebot steht allen offen. Es entstehen keine Kosten, die von Stadt oder Energieverbraucher bezahlt werden müssen.
Mischform: Wir tun so, als wäre ÖPNV nach den Gesetzen des Kapitalismus möglich, belasten aber Städte und Energieverbraucher mit ca. der Hälfte der Kosten. Dieses Geld fehlt an anderen Stellen.

Ich kann durchaus nachvollziehen, wenn man mit diesem Vorschlag unzufrieden ist, ich bin mit der gegenwärtigen Situation unzufrieden.

@GSIISp64b: Manchmal ist schweigen wirklich Gold. Es schadet nicht, wenn man einen Faden um 00:47 Uhr abschneidet und ihm am folgenden Tat in alter Frische wiederaufnimmt. Ich habe mir angwöhnt (das musste ich lernen), lieber nichts zu schreiben, wenn ich nicht sicher bin, ob ich am nächsten Tag damit zufrieden bin. (Klappt aber auch nicht immer) ;) :)
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Beitrag von GSIISp64b »

JNK @ 22 Sep 2011, 13:27 hat geschrieben: @GSIISp64b: Manchmal ist schweigen wirklich Gold. Es schadet nicht, wenn man einen Faden um 00:47 Uhr abschneidet und ihm am folgenden Tat in alter Frische wiederaufnimmt. Ich habe mir angwöhnt (das musste ich lernen), lieber nichts zu schreiben, wenn ich nicht sicher bin, ob ich am nächsten Tag damit zufrieden bin. (Klappt aber auch nicht immer) ;) :)
Und am nächsten Tag habe ich es dann vergessen - so steht wenigstens da, wo man nachgucken muss.
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Beitrag von NJ Transit »

Sagt mir, wenn ich kompletten Schwachsinn rede - mit Wirtschafts- und politischer Praxis kenne ich mich nunmal nicht so gut aus ;) - aber wäre es nicht eine Idee, dass jede Kommune den ÖPNV selber bestellen muss? Mal ein Beispiel:

Alle 10 Jahre wird der Busverkehr im Ostallgäu ausgeschrieben. Jede Gemeinde im Ostallgäu kann/sollte dann beim Gewinner der Ausschreibung (oder beim Landkreis) "ihren" ÖPNV bestellen - also z.B. ein Stadtbusnetz mit 11 Linien und Grundtaktung von einer Stunde für Kaufbeuren (ich weiß, eigentlich kreisfrei, aber ich zähls jetzt mal dazu) oder zwei Bushaltestellen für die Gemeinde Rieden. Das ganze wird dann nach festgelegten Pauschalen des Verkehrsunternehmens bezahlt (die Pauschalen gehören auch in die Bewerbung für die Ausschreibung) - wobei eine Bushaltestelle in geschlossenen Ortschaften bei Bedarf (=mehr als 5 schulpflichtige Kinder, z.B.) vom Landkreis erstattet wird - der wiederum kann sich das durch Zuschüsse oder leichte Steuererhebungen finanzieren. Den Rest der jährlich fälligen ÖPNV-Pauschale übernimmt die Gemeinde - und dadurch der Bürger. So zahlt jeder nur für den Service, den er auch bekommt. Für Großstädte ist das jetzt vielleicht nicht die optimale Lösung - aber vielleicht ja für den ländlichen Raum.
Wie gesagt, nur ne gspinnerte Idee von jemanden, der sowiso keine Ahnung von der Thematik hat ;)
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Beitrag von stfn »

Ich habe mir meine Gedanken über den Wuppertaler ÖPNV gemacht (...)
Dein Beispiel kann ich nachvollziehen. Aber daran siehst du auch, wie viele Variablen da aus Kostensicht beachtet werden müssen, wenn man nur von 2 Betreibern in 2 Gemeinden spricht. Wenn da nicht alle das selbe System bzw Konzept fahren, wird es ganz schnell wieder undurchsichtig, gerade auch wenn man weiterdenkt und sieht, das an Betreiber B (Remscheid) nicht bloß Betreiber A (Wuppertal) hängt, sondern auch hier wieder Kreisförmig um das Tarifgebiet weitere Verkehrsgesellschaften angrenzen.
Stimmt. Aber die Pendler zahlen ja auch nichts, wenn sie mit dem Auto kommen (Außer Parkgebühren und Strafzettel wink.gif ) Die Idee, die dahinter steckt, ist die der Gemeinschaft der Bürger einer Stadt.
Die Pendler sind dann aber die großen Profiteure. Wenn der Pendler nämlich schlau ist, fährt er mit dem Auto nur bis in die Randgebiete der Stadt, stellt sein Auto dort ab und nutzt ab z.B. einer Endhaltestelle den ÖPNV. Somit spart er Parkkosten und Bußgeld, kann im Bus u.ust. schon mit der Arbeit anfangen und muss sich um das Verkehrschaos innerorts keine Gedanken machen ( Welchem man im Bus ja auch mit bspw. Busspuren begegnen kann ). Ist die Verkehrsgesellschaft schlau, richtet sie dann eben an den Endhaltestellen sowas wie Pendlerparkplätze ein, deren Gebühren wieder dem Betreiber zugutekommen. Das wäre dann soetwas wie ein Ticket, nur als andere Einnahme ausgewiesen, was aus rechtlich - betriebswirtschaftlicher Sicht essentiell ist, sobald etwas über die öffentliche Hand finanziert wird.
Aber Du hast Recht, wie heute auch, wird es bei der Idee des Fahrscheinlosen Nahverkehrs Gewinner und Verlierer geben.
Das Konzept, wie es derzeit diskutiert wird, ist mMn in erster Linie eine Verallgemeinerung, und der größte Verlierer ist hier die selbstbestimmung des einzelnen. Mag jetzt dramatisch formuliert sein, aber mich persönlich stört es, wenn ich die "Kostenkontrolle" abgeben muss. Ich muss aber betonen, dass das ausschließlich meine eigene Meinung ist, und ich wie gesagt eher selten den ÖPNV benutze. Aber egal wie man etwas verändert, am Ende zahlt immer jemand mehr als vorher und ein anderer spart. Das jemand, der eine Abomonatskarte bezieht, diesem Konzept offener gegenüber steht als jemand, der nur selten fährt, sollte uns bewusst sein.
Ich denke, dass ein bürgerfinanzierter Nahverkehr nicht gewinnorientiert arbeiten sollte, sondern +-0.
Sehe ich ebenso. Nur arbeitet ein Unternehmen per definition gewinnorientiert. Bleibt noch die von mir angesprochene Umwandlung in eine AdöR mit allen konsequenzen ( z.B. Arbeits - und Tarifrechtlich, zumindest die leitenden Angestellten müssten dann afaik in den öffentlichen Dienst übergehen ), oder gar in einen gemeinnützigen Verein, deren Träger die Stadt ist ( was dann aber wirkich jegliche Gewinne verbietet ).

EDIT sagt mir mitterweile, das die Idee mit dem Verein ziemilch abenteuerlich war.
an das Gute glauben
Das ehrt dich sehr, aber solange wir über wirtschaft reden habe ich mir das abgewöhnt. Ohne Gewinnmaximierung als oberstes Gebot funktioniert der Kapitalismus nicht, und Partnerschaften sind nur solange interessant, solange daraus win-win Situationen entstehen.

Nach deinem Beitrag erscheint mir die derzeitige Mischform wirklich als der beste Kompromiss. Evtl. kann man die Belastung für den Bürger noch weiter senken, indem man darüber nachdenkt, nicht wirklich eine City - Maut für PKW einzuführen. Das macht einerseits das Auto unatraktiver, bringt dennoch Geld, und die Einnahmen könnten in den Ausbau des ÖPNV fließen.
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Beitrag von JNK »

stfn @ 22 Sep 2011, 14:44 hat geschrieben:Die Pendler sind dann aber die großen Profiteure. Wenn der Pendler nämlich schlau ist, fährt er mit dem Auto nur bis in die Randgebiete der Stadt, stellt sein Auto dort ab und nutzt ab z.B. einer Endhaltestelle den ÖPNV. Somit spart er Parkkosten und Bußgeld, kann im Bus u.ust. schon mit der Arbeit anfangen und muss sich um das Verkehrschaos innerorts keine Gedanken machen ( Welchem man im Bus ja auch mit bspw. Busspuren begegnen kann ).
Das ist ein Problem, dass ich nicht so sehe. Es wird bestimmt einige geben, die so handeln werden, aber in der Regel funktioniert P+R nur bei der Bahn und nicht mit dem städtischen Nahverkehr. Ich glaube nicht, dass das geschehen wird, es fehlen ja auch die Parkplätze an den Grenzstationen, zumindest im Bergischen. Und bei schlechtem Wetter wird es sich der Standard-Autofahrer dreimal überlegen, ob er nicht lieber durchfährt. Der Kauf eines Autos lohnt sich nur, wenn man auch damit fährt.

Aber Du hast Recht, die Pendler sind ein Problem, für das man eine Lösung finden muss. Ich denke noch mal drüber nach.
Das Konzept, wie es derzeit diskutiert wird, ist mMn in erster Linie eine Verallgemeinerung, und der größte Verlierer ist hier die selbstbestimmung des einzelnen. Mag jetzt dramatisch formuliert sein, aber mich persönlich stört es, wenn ich die "Kostenkontrolle" abgeben muss. Ich muss aber betonen, dass das ausschließlich meine eigene Meinung ist, und ich wie gesagt eher selten den ÖPNV benutze.
Der Preis für Deine Kostenkontrolle könnte die Pleite Deiner Kommune sein. Wuppertal ist bald bankrott und die ungedeckten Kosten für MIV und ÖPNV spielen da eine nicht unerhebliche Rolle. Mich deprimiert es, meine Stadt sterben zu sehen. (Nicht nur, weil sie ÖPNV hat, da gibt es viele Gründe, aber die Defizite des ÖPNV und des MIV sind einer davon).

Ich habe seit WS 2006/2007 ein Semesterticket gehabt, erst nur für den VRR, dann für ganz NRW und ich habe es genossen. Einmal zahlen, immer fahren, ohne sich Gedanken um Tickets machen zu müssen. Natürlich ist es unzulässig von mir auf andere zu schließen, aber ich fand die Zwangs-Flatrate immer als ungemein praktisch.
Das ehrt dich sehr, aber solange wir über wirtschaft reden habe ich mir das abgewöhnt. Ohne Gewinnmaximierung als oberstes Gebot funktioniert der Kapitalismus nicht, und Partnerschaften sind nur solange interessant, solange daraus win-win Situationen entstehen.
Deswegen ist es mein Ziel, den ÖPNV aus dem System Wirtschaft herauszulösen. Ich finde es zum Kotzen, dass unsere Busfahrer inzwischen nicht mehr bei der WSW mobil GmbH angestellt sind, sondern bei einer Tochterfirma und entsprechend lausig bezahlt werden. Die Märkte regeln die Preise im ÖPNV nicht, sie regeln die Löhne nicht, im Fall des ÖPNV liegt Marktversagen vor, frag' mal elchris was er als U-Bahn-Kutscher in München verdient hat und warum er das nicht mehr macht.
Nach deinem Beitrag erscheint mir die derzeitige Mischform wirklich als der beste Kompromiss. Evtl. kann man die Belastung für den Bürger noch weiter senken, indem man darüber nachdenkt, nicht wirklich eine City - Maut für PKW einzuführen. Das macht einerseits das Auto unattraktiver, bringt dennoch Geld, und die Einnahmen könnten in den Ausbau des ÖPNV fließen.
Die Mischform hat für Wuppertal folgendes gebracht:
Aufgabe der Barmer Bergbahn 1959
Aufgabe des Meterspurstraßenbahnetzes 1969
Aufgabe des Normalspustraßenbahnetzes 1989
Aufgabe von O-Bus in den 60ern.
Warum? Weil Infrastruktur zu teuer ist. Jetzt bezahlt die Stadt die Infrastruktur (Straße) und die WSW haben weniger Kosten! das ist nur ein Umverteilung von Geld. Statt alle 30 Jahre neue Straßenbahn braucht es alle 10 Jahre neue Busse, der Feinstaub geht in die Höhe und Komfort ist ein Fremdwort. Ein staatliche Einrichtung könnte kaum kundenfeindlicher sein als die Stadtwerke... Informationspolitik ist ein Fremdwort, Kundenbetreuung auch und im Winter ist der Fahrplan bei der kleinsten Schneeflocke Makulatur.
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Beitrag von JNK »

NJ Transit @ 22 Sep 2011, 13:42 hat geschrieben: Sagt mir, wenn ich kompletten Schwachsinn rede - mit Wirtschafts- und politischer Praxis kenne ich mich nunmal nicht so gut aus ;) - aber wäre es nicht eine Idee, dass jede Kommune den ÖPNV selber bestellen muss? Mal ein Beispiel:

Alle 10 Jahre wird der Busverkehr im Ostallgäu ausgeschrieben. Jede Gemeinde im Ostallgäu kann/sollte dann beim Gewinner der Ausschreibung (oder beim Landkreis) "ihren" ÖPNV bestellen - also z.B. ein Stadtbusnetz mit 11 Linien und Grundtaktung von einer Stunde für Kaufbeuren (ich weiß, eigentlich kreisfrei, aber ich zähls jetzt mal dazu) oder zwei Bushaltestellen für die Gemeinde Rieden. Das ganze wird dann nach festgelegten Pauschalen des Verkehrsunternehmens bezahlt (die Pauschalen gehören auch in die Bewerbung für die Ausschreibung) - wobei eine Bushaltestelle in geschlossenen Ortschaften bei Bedarf (=mehr als 5 schulpflichtige Kinder, z.B.) vom Landkreis erstattet wird - der wiederum kann sich das durch Zuschüsse oder leichte Steuererhebungen finanzieren. Den Rest der jährlich fälligen ÖPNV-Pauschale übernimmt die Gemeinde - und dadurch der Bürger. So zahlt jeder nur für den Service, den er auch bekommt. Für Großstädte ist das jetzt vielleicht nicht die optimale Lösung - aber vielleicht ja für den ländlichen Raum.
Wie gesagt, nur ne gspinnerte Idee von jemanden, der sowiso keine Ahnung von der Thematik hat ;)
Das funktioniert nur auf Kosten der Mitarbeiter.

Die Kosten für Nahverkehrsmittel dürften für kommunale Unternehmen nicht höher sein als für freie, die Kosten für Energie bleiben dieselben, die kosten für Infrastruktur auch. Bleiben noch die Personalkosten, die kann man drücken, sonst sehe ich keine Einsparmöglichkeiten.

1947 wurden die Wuppertaler Bahnen AG und die Wuppertaler Stadtwerke zusammengelegt, damit die Stadtwerkesparten Gas, Wasser und Elektrizität die prognostizierten Verluste der Verkehrssparte auffangen konnten. Recht zeitnah nach der Währungsreform trat das ein. Ich sehe nicht, das sich seitdem die Voraussetzungen für gewinnbringenden Nahverkehr verändert haben.
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Beitrag von stfn »

Das Problem ist, dass ich jeden deiner Punkte nachvollziehen kann, wenn ich mich in deine Lage versetze, jedoch nicht auf mich selbst umlegen kann. Aber man muss halt bei so einer Veralgemeinerung auch diejenigen verstehen, die eben nicht täglich auf den ÖPNV angewiesen sind, diesen jedoch dennoch mittragen sollen.
Deswegen ist es mein Ziel, den ÖPNV aus dem System Wirtschaft herauszulösen. Ich finde es zum Kotzen, dass unsere Busfahrer inzwischen nicht mehr bei der WSW mobil GmbH angestellt sind, sondern bei einer Tochterfirma und entsprechend lausig bezahlt werden. Die Märkte regeln die Preise im ÖPNV nicht, sie regeln die Löhne nicht, im Fall des ÖPNV liegt Marktversagen vor, frag' mal elchris was er als U-Bahn-Kutscher in München verdient hat und warum er das nicht mehr macht.
Das ist ein allgemeines Problem in Deutschland und gleichzeitig eines, was mich indirekt auch selber betrifft. Ich werde mich nächstes Jahr mit 26 erneut in eine Ausbildung stürzen ( mit entsprechend niedriger Bezahlung ), da der Beruf den ich erlernt habe mit 400 Euro Kräften überschwemmt wurde und es ohne die Bereitschaft, jährlich bundesweit wie international den Arbeitgeber zu wechseln kein Vorankommen gibt. Dort Lösungen zu finden ist allerdings ein ganz anderes Thema. Aber ja, der Handel mit Arbeitskräften als ersetzbare Massenware ist in der Tat ein riesen Problem.
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Beitrag von Bayernlover »

Ich glaube dass es ohne Wettbewerb (und damit ohne Ausschreibung) auch in Zukunft nicht gehen wird. Und ich gebe noch einmal zu bedenken: Eine Mehrleistung führt nicht zu mehr Einnahmen, sondern zu mehr Belastung aller! Das führt das System des wirtschaftlichen Denkens eigentlich total ad absurdum, denn normalerweise sollte mehr herauskommen als eingenommen wird.

Wenn die Städte "schlau" sind, holen sie sich nur schlechtgelaunte, grausam bezahlte Mitarbeiter, die ollsten Fahrzeuge, die hässlichsten Bahnhöfe etc. pp. und dünnen sozusagen die Ausgaben für den ÖPNV immer weiter aus - bedeutet: Weniger Kosten für alle. Das ist die große Gefahr bei diesem System. Und dann vermittle mal die Erhöhung der Pauschale einem Fahrgast aus Obermenzing, wenn in Riem der Takt verdichtet wird.
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Beitrag von JNK »

stfn @ 22 Sep 2011, 15:38 hat geschrieben: Das Problem ist, dass ich jeden deiner Punkte nachvollziehen kann, wenn ich mich in deine Lage versetze, jedoch nicht auf mich selbst umlegen kann. Aber man muss halt bei so einer Veralgemeinerung auch diejenigen verstehen, die eben nicht täglich auf den ÖPNV angewiesen sind, diesen jedoch dennoch mittragen sollen.
Umgekehrt ärgert es mich, dass ich den MIV mitfinanziere. Mir persönlich würde ja Kopfsteinpflaster reichen, wo keine Busse fahren... :)
Aber im Ernst, ich kann Dich auch verstehen und bin froh, dass wir unsere Argumente ausgetauscht haben, ohne dass jeder meint den Stein der Weisen gefunden zu haben. :)

@ Bayernlover
Wenn die Städte "schlau" sind, holen sie sich nur schlechtgelaunte, grausam bezahlte Mitarbeiter, die ollsten Fahrzeuge, die hässlichsten Bahnhöfe etc. pp. und dünnen sozusagen die Ausgaben für den ÖPNV immer weiter aus - bedeutet: Weniger Kosten für alle. Das ist die große Gefahr bei diesem System. Und dann vermittle mal die Erhöhung der Pauschale einem Fahrgast aus Obermenzing, wenn in Riem der Takt verdichtet wird.
Moment mal: Du meinst, man kann eine Pauschale erheben, aber im Gegenzug keine Leistung erbringen?
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Beitrag von Bayernlover »

JNK @ 22 Sep 2011, 16:56 hat geschrieben: Moment mal: Du meinst, man kann eine Pauschale erheben, aber im Gegenzug keine Leistung erbringen?
Nein. Je geringer das Angebot, desto geringer fällt die Pauschale aus. Deshalb wird es genügend Leute geben, die ein Interesse daran haben, diese Pauschale so gering wie möglich zu halten, weil ihnen der ÖPNV am Allerwertesten vorbeigeht und sie ihn nicht nutzen.
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Beitrag von JNK »

Der Stadtrat wäre da die entscheidende Instanz und dort müsste man eine Mehrheit bekommen, genauso wie der Stadtrat der Stadt Wuppertal im bestehenden Mischfinanzierungssystem bereits unsinnige Entscheidungen getroffen hat. Der Vorteil ist halt, dass der Bürger entscheiden kann, was ausgegeben wird und wenn der Bürger einer Partei die Mehrheit gibt, die für eine Umstellung auf Stundentakt wirbt, weil's dann billiger wird, muss er die Konsequenzen tragen. Aber mir wäre die Transparenz das Risiko wert.
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Beitrag von Bayernlover »

JNK @ 22 Sep 2011, 20:11 hat geschrieben: Der Vorteil ist halt, dass der Bürger entscheiden kann, was ausgegeben wird und wenn der Bürger einer Partei die Mehrheit gibt, die für eine Umstellung auf Stundentakt wirbt, weil's dann billiger wird, muss er die Konsequenzen tragen. Aber mir wäre die Transparenz das Risiko wert.
Ich sehe das eher als großen Nachteil - denn wie wir alle wissen, ist ÖPNV und seine Kosten und Ansprüche nicht wirklich DAS Topthema das die Deutschen bewegt.
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Beitrag von JNK »

Bayernlover @ 22 Sep 2011, 20:17 hat geschrieben: Ich sehe das eher als großen Nachteil - denn wie wir alle wissen, ist ÖPNV und seine Kosten und Ansprüche nicht wirklich DAS Topthema das die Deutschen bewegt.
Unsinn, die Klagen über das Defizit sind weitverbreitet und jeder neue Fahrzeugtyp und die Kosten dafür löst wilde Diskussionen über Sinn und Zweck "und überhaupt" aus. Es gibt genug Klagen, wenn Kinder aus den Bussen geschmissen werden, Tramlinien geschlossen und eröffnet weden und wie das Nachtbusnetz auszusehen hat. Die Deutschen in ihrer gesamtheit mag der Nahverkehr schnuppe sein, dem Stadtbürger ist er ein beliebtes Diskussions- und Meckertheme, vom Stammtisch bis zur Rektorenkonferenz.
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Beitrag von Autobahn »

@ JNK

Du fokussierst Deine Argumente zu stark auf Wuppertal und die desolate Haushaltslage. Dabei übersiehst Du (bewusst?), dass der ÖPNV der WSW durch die Strom- und Gaspreise gegenfinanziert wird. Somit zahlen alle Bürger ohnehin für die Schwebebahn und den Busverkehr in Wuppertal. Zugegeben der Gewinn des WSW wird dadurch geschmälert, der an die Stadtkasse überwiesen wird. Gerechterweise müssten dann die Energiepreise sinken, wenn man eine Flatrate für den ÖPNV einführen würde.

Abgesehen davon, dass Du ein Semesterticket hast, das Dich gar nichts kostet und in ganz NRW gültig ist, ein Ticket 1000 der Preisstufe A2 (also auch Wuppertal) kostet 61,10 Euro. Damit kann der geneigte ÖPNV-Nutzer nach Herzenslust im ganzen Stadtgebiet umherfahren, ohne sich um einen Fahrschein zu kümmern. Im Abo wird es sogar noch billiger, 52,44 Euro. Nach 19 Uhr und am Wochenende kannst Du eine beliebige Person mitnehmen und am Wochenende (und an gesetzlichen Feiertagen) kannst Du im gesamten VRR herumgondeln und eine Person mitnehmen.

Die Omi, die einmal im Monat zum Arzt und einmal im Monat zu ihren Enkeln fährt, braucht aber kein Monatsabo oder eine Flatrate für den ÖPNV von 50 Euro (die ihr unter Umständen sehr weh tun kann). Sie kann für wesentlich weniger Geld, nämlich ein Viererticket für 8,40 Euro ihren Bedarf an ÖPNV-Fahrten decken.

Zudem besteht die Gefahr, dass die Verkehrsbetriebe nicht wirtschaftlich handeln, sprich Geld verpulvern, weil die Einnahmen ja gesichert sind. Die "öffentliche rechtlichen Rundfunkanstalten" lassen grüßen.
Der Kapitalismus ist so alt wie die Menschheit, der Sozialismus ist nur Siebzig geworden. Er hatte keine Krise, er hatte kein Kapital.
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