Bahn allein für Verkehrssicherheit verantwortlich

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JNK
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Beitrag von JNK »

Karlsruhe — Kommt ein Reisender auf einem von Schnee oder Glatteis nicht geräumten Bahnsteig zu Fall, haftet dafür das jeweilige Bahn-Unternehmen, bei dem der Reisende seine Fahrkarte gekauft hat. [...] Damit wurde das Klagerecht von Betroffenen erleichtert, weil ihre Forderung nicht mehr von der DB Station & Service AG an Subunternehmen abgeschoben werden kann, die sie mit dem Winterdienst beauftragt hat.
http://www.google.com/hostednews/afp/artic...Id=TX-PAR-EOW20
http://newsticker.sueddeutsche.de/list/id/1263059

Im konkreten Fall, der seit sechs Jahren vor den Gerichten liegt, war eine Solingerin am Hauptbahnhof aufgrund von Glatteis gestürzt und hatte sich u.a. den Arm gebrochen. Sie hatte ein ICE-Ticket gekauft.
DB Fernverkehr verwies die Klagende auf DB Staiton & Services, diese wiederum auf die Firma "Aladin", die von dieser DB Tochter mit dem Winterdienst beauftragt worden war. Der BGH stellte nun fest, dass DB Fernverkehr als Vertragspartner zu haften hat, da DB Fernverkehr die gebuchte Leistung nur ausführen kann, wenn der Weg zum Zug sicher zu begehen ist.
Bayernlover
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Beitrag von Bayernlover »

Dafür brauchen die sechs Jahre?
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Autobahn
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Beitrag von Autobahn »

Bayernlover @ 17 Jan 2012, 18:18 hat geschrieben: Dafür brauchen die sechs Jahre?
Die Mühlen der Justiz mahlen langsam :P
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Beitrag von DumbShitAward »

Hm. Ist jetzt Edeka Schuld wenn ich mir in meiner Einfahrt den Arsch breche? Schließlich sollen die doch dafür sorgen, dass ich bei ihnen einkaufen kann.

Dieser Räum-Fetischismus in Deutschland geht mir schon lange auf den Geist.
Lektion 73 in unserer Serie "Rechtsstaat für Anfänger", heute: §81 StGB

Wer es unternimmt, mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen oder die auf dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland beruhende verfassungsmäßige Ordnung zu ändern, wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren bestraft.
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Münchner Kindl
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Beitrag von Münchner Kindl »

DumbShitAward @ 17 Jan 2012, 21:01 hat geschrieben: Hm. Ist jetzt Edeka Schuld wenn ich mir in meiner Einfahrt den Arsch breche?
Nein, da ist dein Hausmeister Schuld. :lol:
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Beitrag von Systemfehler »

DumbShitAward @ 17 Jan 2012, 20:01 hat geschrieben: Hm. Ist jetzt Edeka Schuld wenn ich mir in meiner Einfahrt den Arsch breche? Schließlich sollen die doch dafür sorgen, dass ich bei ihnen einkaufen kann.
Nein, aber zum Beispiel ist der Edeka schuld, wenn du auf dem Weg zum Döner-Hendl-Pizza-Wagen (der auf Edeka-Gelände steht) dir in der Edeka-Einfahrt deinen Arsch brichst... das wäre irgendwie passender, oder?
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Beitrag von Bayernlover »

DumbShitAward @ 17 Jan 2012, 20:01 hat geschrieben: Hm. Ist jetzt Edeka Schuld wenn ich mir in meiner Einfahrt den Arsch breche?
Wenn die nicht geräumt ist? Keine Ahnung.
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Beitrag von stfn »

Bayernlover @ 18 Jan 2012, 08:48 hat geschrieben: Wenn die nicht geräumt ist? Keine Ahnung.
Davon abgesehen, dass der Vergleich hinkt, wundert es mich auch, dass die ganze Geschichte so lange gedauert hat. Meiner Meinung nach hat die DB an ihren Bahnhöfen Verkehrssicherungspflicht. Auch wenn der Winterdienst an eine andere Firma übergeben wird, obliegt der Bahn als Auftragsgeber eine Überwachungspflicht, ein übergang der Verkehrssicherungspflicht findet afaik nicht statt. Die Firma Aladin kann hier nur bei nachgewiesenem, grob fahrlässigen Verhalten rechtlich in die Pflicht genommen werden, allerdings kann die DB evtl. Schadensersatz geltend machen.
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Boris Merath
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Beitrag von Boris Merath »

Also ich finde das Urteil ziemlich seltsam. Zuständig für die Verkehrssicherheit ist doch der Eigentümer der Anlage, nicht der, der die Anlage nutzt - und DB Fernverkehr ist hier auch nur Nutzer, und hat keinen direkten Einfluss auf die Sicherheit der Anlage. Was soll das jeweilige EVU denn machen, wenn der Bahnsteig nicht ordnungsgemäß geräumt ist? Den Halt einfach ausfallen lassen? Das hilft aber auch nicht, weil die Fahrgäste, die eine Fahrkarte gekauft haben, ja trotzdem auf den Bahnsteig gehen, wenn sie nicht mitbekommen haben, dass der Halt ausfällt. Oder soll jedes EVU selber Räumpersonal an alle Bahnhöfe schicken, an denen sie halten? Und da natürlich jedes Gleis selber räumen, es könnte ja eine Gleisänderung geben?

Entschuldigung, aber das Urteil ist doch völliger Blödsinn. Wenn ich nen Handwerker in der Wohnung habe, und der stürzt auf dem Weg zur Haustür, weil der Hausmeister nicht geräumt hat - muss ich dann auch dem Handwerker Schmerzensgeld zahlen?

Verantwortlich ist hier DB Station&Service, nicht das EVU. Dass hier das EVU auch ein Unternehmen der DB ist, macht die Argumentation für die Richter einfach. Aus dem SZ-artikel:
So leicht könne sich die Bahn nicht vor ihrer Verantwortung drücken, entschieden die Richter jetzt. Für den Kunden komme es auf die interne Struktur des Unternehmens nicht an. Zwar sei der Vertrag, den er mit der DB Fernverkehr AG schließe, auf die Beförderung zum Zielort gerichtet. Der Kunde müsse aber nicht nur während der Fahrt im Zug vor Gefahren geschützt werden, sondern auch schon auf dem Weg zum Zug und nach dem Aussteigen. «Dafür ist das Verkehrsunternehmen verantwortlich, der Kunde braucht sich um das alles nicht zu kümmern», sagte der Senatsvorsitzende Peter Meier-Beck.
Dass die interne Struktur des Unternehmens egal ist, dem kann ich folgen und das ist auch sinnvoll. Allerdings - sobald das EVU nicht die DB ist, sondern zum Beispiel Veolia, wird es in meinen Augen absurd.

Seltsam ist auch, dass die gestürzte offenbar zuerst gegen DB Station&Service erfolglos geklagt hat, erfolglos deswegen, weil das Gericht dem Räumunternehmen die Schuld gegeben hat. In einem späterer Verfahren wurde dann DB Fernverkehr verurteilt. Das ist doch wirklich absurd.
Bis zur vollzogenen Anbringung von ausreichenden Sandstreuapparaten an allen Maschinen haben die Bahnwärter bei aufwärtsgehenden Zügen auf stärkeren Steigungen die Schienen ausgiebig mit trockenem Sand zu bestreuen und für die Bereithaltung eines entsprechenden Vorrathes zu sorgen.

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Beitrag von Bayernlover »

Boris Merath @ 18 Jan 2012, 16:03 hat geschrieben: Dass die interne Struktur des Unternehmens egal ist, dem kann ich folgen und das ist auch sinnvoll. Allerdings - sobald das EVU nicht die DB ist, sondern zum Beispiel Veolia, wird es in meinen Augen absurd.
Nein, ist es nicht. Der Vertragspartner hat dafür zu sorgen, dass die Leistung sicher und nach Vorschrift durchgeführt wird. Die Weitergabe der Verantwortung ist zum Glück nicht möglich, und das nutzt im Endeffekt dem Kunden. Wenn an meinem iPhone das Display ausfällt, will ich auch nicht dass Apple mich zum Hersteller des Displays schickt und der mich dann weiter zu demjenigen der das Quarz irgendwo aus der Mine fährt.

Vertragspartner ist im oben genannten Fall DB Fernverkehr, und wenn Veolia das EVU ist hat Veolia eben dafür zu sorgen dass man sicher an den Zug kommt. Wie die das machen, kann den Kunden (gottseidank) egal sein.
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JNK
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Beitrag von JNK »

Boris Merath @ 18 Jan 2012, 16:03 hat geschrieben: Also ich finde das Urteil ziemlich seltsam. Zuständig für die Verkehrssicherheit ist doch der Eigentümer der Anlage, nicht der, der die Anlage nutzt - und DB Fernverkehr ist hier auch nur Nutzer, und hat keinen direkten Einfluss auf die Sicherheit der Anlage. Was soll das jeweilige EVU denn machen, wenn der Bahnsteig nicht ordnungsgemäß geräumt ist? Den Halt einfach ausfallen lassen? Das hilft aber auch nicht, weil die Fahrgäste, die eine Fahrkarte gekauft haben, ja trotzdem auf den Bahnsteig gehen, wenn sie nicht mitbekommen haben, dass der Halt ausfällt. Oder soll jedes EVU selber Räumpersonal an alle Bahnhöfe schicken, an denen sie halten? Und da natürlich jedes Gleis selber räumen, es könnte ja eine Gleisänderung geben?

Entschuldigung, aber das Urteil ist doch völliger Blödsinn. Wenn ich nen Handwerker in der Wohnung habe, und der stürzt auf dem Weg zur Haustür, weil der Hausmeister nicht geräumt hat - muss ich dann auch dem Handwerker Schmerzensgeld zahlen?

Verantwortlich ist hier DB Station&Service, nicht das EVU. Dass hier das EVU auch ein Unternehmen der DB ist, macht die Argumentation für die Richter einfach. Aus dem SZ-artikel:


Dass die interne Struktur des Unternehmens egal ist, dem kann ich folgen und das ist auch sinnvoll. Allerdings - sobald das EVU nicht die DB ist, sondern zum Beispiel Veolia, wird es in meinen Augen absurd.

Seltsam ist auch, dass die gestürzte offenbar zuerst gegen DB Station&Service erfolglos geklagt hat, erfolglos deswegen, weil das Gericht dem Räumunternehmen die Schuld gegeben hat. In einem späterer Verfahren wurde dann DB Fernverkehr verurteilt. Das ist doch wirklich absurd.
Ich denke, es geht vor allem um die Zuständigkeit vor Gericht.

Das ganze geht doch so: Ich kaufe eine Fahrkarte bei DB Fernverkehr. Diese beauftragt DB StuS mit der Bereitstellung der Verkehrssicherheit. DB STuS beauftragt den Sub, dieser vielleicht sogar noch einen Subsub.

Wenn mit mir etwas passiert, wende ich mich an meinen Vertragspartner, die DB Fernverkehr. Die muss zahlen und klagt dann ihrerseits gegen DB StuS, dieser wiederum gegen den Sub usw.

Wenn Dein Auto kaputt geht, kannst Du auch nicht gegen den Hersteller klagen, sondern gegen den Händler. Dieser holt sich das Geld dann vom Hersteller zurück, der Hersteller klagt gegen den Zulieferer etc.
Andernfalls müsstest Du ja selbst gegen den Zuliefer vorgehen, der mit Dir aber keinen Vertrag hat.

Ich halte das für eine sinnvolle Regelung. Wenn DB Fernverkehr bei Einfahrt in den Bahnhof nun bemerkt, dass DB STuS die vereinbarte Dienstleistung nicht erbracht hat, kann sie das Risiko in Kauf nehmen, bei einer Verletzung verklagt zu werden oder es muss den Vertrag mit dem Kunden auf andere Weise erfüllen, z.B. Weiterfahren und am nächsten Bahnhof ein Taxi bezahlen. Das Geld kann man sich dann von SB STuS (oder einem anderen EIU) wiederholen.
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Beitrag von Cloakmaster »

Der Kunde schliesst aber keinen Dienstleistungsvertrag mit DB Station&Service, sondern mit dem EVU, das er nutzen möchte. Die Frage ist sozusagen, wo die "Fahrt" bzw. die gekaufte Dienstleistung beginnt, und dies scheint bereits mit beteten des Bahngeländes zu sein. Von welcher Tochterfirma nun die Dienstleistung "verkehrssicheres Erreichen des Fahrzeuges" erbracht wird, braucht den Kunden nicht mehr zu interessieren.


In der Analogie könnte man eine Fluggesellschaft verklagen, wenn man auf dem frisch gebohnerten Fussboden des Terminals ausrutscht. Und das könte sogar erfolgreich werden. Ich kenne einen Fall, wo ein Flughafen-Bus auf dem Weg zwischen Flugzeug und Terminal scharf bremsen musste, und es einige Verletzte im Bus gab. Die Klage gegen den Flughafen als Betreiber jener Busse wurde abgewiesen, eben weil es keinen Dienstleistungsvertrag zwischen Fluggast und dem Flughafen selbst gab, und die Airline dafür Sorge zu tragen hat, daß der Kunde sicher ins Flugzeug kommt. Bevor dann eine Klage gegen die Airline eingereicht wurde, einigte man sich außergerichtlich.
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Beitrag von stfn »

Ja, das ist es eben. Der Ansprechpartner für den Kunden ist das EVU. DB Station&Service ist Betreiber der Bahnhöfe und somit in der Verkehrssicherungspflicht. DB Fernverkehr hat nun wiederum einen Vertrag mit Station&Service, der mit Sicherheit auch regelt, dass die Kunden gefahrlos zum Zug und vom Zug weg kommen. Der Fehler wurde also von S&S gemacht ( auch im Falle der Beauftragung einer Drittfirma, da wie ich oben schrieb die Verkehrssicherungspflicht damit nicht auf den Sub übergeht ), Ansprechpartner für den Kunden bleibt aber das EVU, mit dem der Kunde den Vertrag geschlossen hat. Die Klagekette ist damit richtigerweise Kunde -> DB Fernverkehr -> DB Station & Service -> evtl. Drittfirma.
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Boris Merath
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Beitrag von Boris Merath »

JNK @ 18 Jan 2012, 16:18 hat geschrieben: Das ganze geht doch so: Ich kaufe eine Fahrkarte bei DB Fernverkehr. Diese beauftragt DB StuS mit der Bereitstellung der Verkehrssicherheit.
Wieso beauftragt? DB Station&Service ist für die Verkehrssicherung zuständig, ganz egal ob das EVU jetzt was beauftragt oder nicht, oder ob ein Vertrag existiert. Wenn ich jemanden vom Bahnhof abhole und auf dem Bahnsteig stürze, habe ich ja auch keinen Vertrag.
Wenn Dein Auto kaputt geht, kannst Du auch nicht gegen den Hersteller klagen, sondern gegen den Händler.
Die Verpflichtungen in Bezug auf das Auto entstehen aber direkt durch den Vertrag. Die Verpflichtungen auf Verkehrssicherung bestehen grundsätzlich, unabhängig von der Existenz eines Vertrages.
Ich halte das für eine sinnvolle Regelung. Wenn DB Fernverkehr bei Einfahrt in den Bahnhof nun bemerkt, dass DB STuS die vereinbarte Dienstleistung nicht erbracht hat, kann sie das Risiko in Kauf nehmen, bei einer Verletzung verklagt zu werden oder es muss den Vertrag mit dem Kunden auf andere Weise erfüllen, z.B. Weiterfahren und am nächsten Bahnhof ein Taxi bezahlen. Das Geld kann man sich dann von SB STuS (oder einem anderen EIU) wiederholen.
Gerichtsentscheidungen sollten schon etwas mit der Realität zu tun haben - und diese PRoblemlösung hat mit der Realität nun wirklich nichts zu tun.
Cloakmaster @ 18 Jan 2012, 16:22 hat geschrieben:Der Kunde schliesst aber keinen Dienstleistungsvertrag mit DB Station&Service, sondern mit dem EVU, das er nutzen möchte. Die Frage ist sozusagen, wo die "Fahrt" bzw. die gekaufte Dienstleistung beginnt, und dies scheint bereits mit beteten des Bahngeländes zu sein. Von welcher Tochterfirma nun die Dienstleistung  "verkehrssicheres Erreichen des Fahrzeuges" erbracht wird, braucht den Kunden nicht mehr zu interessieren.
Es geht hier aber nicht um die Frage welche Tochterfirma, sondern um die Frage welche Firma. Dass in dem Fall beide Firmen um die es geht zufälligerweise Tochterfirmen des DB-Konzerns sind, ist in dem konkreten Fall so, ja. Im allgemeinen kann man davon aber nicht ausgehen.
Die Klage gegen den Flughafen als Betreiber jener Busse wurde abgewiesen, eben weil es keinen Dienstleistungsvertrag zwischen Fluggast und dem Flughafen selbst gab, und die Airline dafür Sorge zu tragen hat, daß der Kunde sicher ins Flugzeug kommt.
Das hat mit der Verkehrssicherheitspflicht nichts zu tun.
Bis zur vollzogenen Anbringung von ausreichenden Sandstreuapparaten an allen Maschinen haben die Bahnwärter bei aufwärtsgehenden Zügen auf stärkeren Steigungen die Schienen ausgiebig mit trockenem Sand zu bestreuen und für die Bereithaltung eines entsprechenden Vorrathes zu sorgen.

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Beitrag von mapic »

Ansich ist das ganze schon logisch. Für den Kunden ist einfach derjenige der Ansprechpartner, mit dem er tatsächlich den Vertrag geschlossen hat. Die Ansprüche werden dann im Hintergrund sicherlich wieder an S&S oder wen auch immer weitergereicht, aber das kann ja dem Kunden egal sein. Aber trotzdem hat man bei dem Urteil insgesamt irgendwie das Gefühl, dass es nicht viel mit der Realität zu tun hat. Es wirft nämlich einige neue Fragen auf.
Bisher war ja nur die Rede von EVUs. Ich kann meine Fahrkarte aber auch bei einem Verbund kaufen. Müssen Verbünde dann auch haften?
Und wie sieht es eben aus, wenn ich ohne Fahrkarte auf dem Bahnsteig bin, weil ich nur jemanden abhole, oder die Fahrkarte im Zug kaufen werde?
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Boris Merath
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Beitrag von Boris Merath »

mapic @ 18 Jan 2012, 17:11 hat geschrieben: Und wie sieht es eben aus, wenn ich ohne Fahrkarte auf dem Bahnsteig bin, weil ich nur jemanden abhole, oder die Fahrkarte im Zug kaufen werde?
Also von meinem Verständnis her haftet bei Mängeln bei der Verkehrssicherung der, der für die Verkehrssicherung zuständig ist. Das Gericht ist der Meinung, dass auch das EVU haftet. Wenn ich jetzt stürze - kann ich dann beide verklagen, und bekomm zweimal Schmerzensgeld? Wohl kaum. Eher sehe ich das Problem, dass der Betreiber der Bahnsteige sich dann u.U. damit herausredet, man möge sich doch bitte ans EVU wenden, weil man mit dem Betreiber der Bahnsteige ja schließlich keinen Vertrag hat...
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Beitrag von Cloakmaster »

Sicher ist das auf einem Bahnhof kritischer zu sehen. Was ist , wenn nicht ich, sondern Oma Gerti, die zum Bahnhof gekommen ist, um mich abzuholen ausrutscht? Sie hat gar keine Fahrkarte, weil sie auch nicht vor hatte, mit dem Zug zu fahren. An wen soll sie sich nun wenden? Bahnstigkarten mag es bei der U-Bahn geben, aber bei der "Grossen" Bahn wären sie mir neu.
Also, wohin? An das EVU, welches ihr Enkelkind auf der Fahrt zu ihr benutzt hat? Oder doch eher an den Eigentümer des Bahnhofes? So oder so ist es sicher zu viel Verlangt, das Unternehmen, welches den Auftrag hatte, den Bahnsteig zu räumen, herauszufinden, und zu verklagen...
Gleiches gilt für das Terminal, auch dort kann man sich aufhalten, ohne Fluggast zu sein. Im Flughafenbus sind dagegen nur noch Fluggäste anzutreffen.

@Boris: Warum hat die Fahrt in einem Flughafenbus nichts mit Verkehrssicheitspflicht zu tun? Wie würdest du das denn nennen?
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Beitrag von riedfritz »

Mapic:
Ansich ist das ganze schon logisch. Für den Kunden ist einfach derjenige der Ansprechpartner, mit dem er tatsächlich den Vertrag geschlossen hat.
Diese Regelung ist jetzt analog dem Prinzip zur Haftung des "Veranstalters" einer Pauschalreise entschieden. Wenn das Hotel mangelhaft ist, kann ich auch nicht den Eigentümer verklagen, wenn das Flugzeug Mängel aufweist, ist für mich nicht die Fluggesellschaft oder der Flugzeughersteller zuständig, für alles haftet der Veranstalter und dieser muss mit dem Reisepreis für alle Mängel dieser Reiseveranstaltung haften.

Wenn ich berechtigt bin, einen Bahnhof als "öffentliches Gelände" zu betreten, haftet der Betreiber des Bahnhofs für Sicherheitsmängel, so wie die EDEKA bei Mängeln für den Parkplatz vor ihrem Einkaufszentrum oder eine Kommune für den Zugang zur Schule haftet.


Viele Grüße,

Fritz
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Beitrag von riedfritz »

Oder doch eher an den Eigentümer des Bahnhofes? So oder so ist es sicher zu viel Verlangt, das Unternehmen, welches den Auftrag hatte, den Bahnsteig zu räumen, herauszufinden, und zu verklagen...
Natürlich an den "Eigentümer", besser gesagt an den Betreiber des Bahnhofs.
Das Unternehmen, das den Auftrag zum Räumen des Bahnhofs hat, ist evtl. ja gar nicht der Ansprechpartner, weil es einen uns nicht bekannten Arbeitsauftrag hat und nicht von sich aus den Umfang der Arbeiten bestimmen kann. Der Auftraggeber ist immer für die Kontrolle, ordnungsgemäße Ausführung und evtl. Nacharbeiten verantwortlich, da sie von ihm schließlich auch bezahlt werden.

Warum wohl müssen Reinigungsfirmen in den Toiletten regelmäßig die Kontrollen dokumentieren?


Viele Grüße,

Fritz
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Beitrag von Cloakmaster »

Also müssen Bahn-Fahrgäste die ausrutschen sich an die Bahn wenden, und Bahnhofs-Besucher, die auf der gleichen Eisscholle ausrutschen an den Bahnhofsbetreiber? Seltwürdig, die Sache.

Prinzipiell ist Verkehrssicherungspflicht IMMER Eigentümersache. Dieser kann und darf an Betreiber/Mieter/Pächter delegieren, aber in vorderster Front steht das Eigentum. Auch von da her kann ich es nachvollziehen, daß man eine EVU-Haftung hier skeptisch sieht.

Das macht eigentlich nur Sinn im Rahmen der Veranstalter-Regelung, wo dem Kunden (zB einer Pauschalreise) nicht zugemutet wird, aus einer Gesamt-Veranstaltung jeden einzelnen Teilveranstalter herauszusuchen. Sozusagen die Bahnfahrkarte als "Veranstaltungspaket" aus "Besuch des Startbahnhofes", "Bahnfahrt" und "Besuch des Zielbahnhofes" - plus eventuell "Besuch von Umsteigebahnhöfen"
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Beitrag von riedfritz »

Cloakmaster:
Das macht eigentlich nur Sinn im Rahmen der Veranstalter-Regelung, wo dem Kunden (zB einer Pauschalreise) nicht zugemutet wird, aus einer Gesamt-Veranstaltung jeden einzelnen Teilveranstalter herauszusuchen. Sozusagen die Bahnfahrkarte als "Veranstaltungspaket" aus "Besuch des Startbahnhofes", "Bahnfahrt" und "Besuch des Zielbahnhofes" - plus eventuell "Besuch von Umsteigebahnhöfen"
Genau, ich halte das für sehr verständlich formuliert, diese Regelung schließt ja auch die sichere Fahrt mit verschiedenen EVU´s ein, siehe Mängel an der Heizung, Verspätungen und so fort. Wie sollte sich der Fahrgast bei einem Achsbruch oder dem Unfall mit einer Viehherde verhalten?

Sollen 200 Fahrgäste alle den Bauer Harmsen verklagen, weil er auf seine Herde nicht aufgepasst hat?


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Beitrag von Cloakmaster »

Man kann durchaus auch so argumentieren, daß die mit der Fahrkarte erkaufte Leistung erst mit Betreten des (ersten) Zuges beginnt. Schliesslich wird die Infrastruktur des Bahnhofs von verschiedenen EVU genutzt.
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Beitrag von Autobahn »

Der Hinweis auf eine Pauschalreise ist schon richtig. Ich kaufe eine Fahrkarte von A nach B. Dabei habe ich Anspruch darauf, den Zug gefahrlos zu erreichen. Also muss das Bahngelände/der Bahnsteig geräumt sein, denn das gehört zur Zugreise. Falle ich fünf Meter vor dem Bahnhof auf den Bart, ist der jeweilige Hauseigentümer oder die Stadt (wenn es städtisches Gelände ist) dafür verantwortlich.

Bei einer Zugreise ist es unerheblich, mit welchem Anbieter ich fahre und bei wem ich meine Fahrkarte gekauft habe. Verantwortlich für die Schneeräumung ist zwar der jeweilige Betreiber der Infrastruktur. Aber den brauche ich nicht zu kennen, schon gar nicht muss ich ihn recherchieren. Das ist Aufgabe des jeweiligen EVU, dessen Fahrkarte ich gekauft habe und das kann sich an dem Verantwortlichen schadlos halten.

Machen wir doch mal ein Beispiel. Ich fahre mit der Regiobahn (S28 im VRR) von Mettmann-Stadtwald nach Düsseldorf-Gerresheim. Die Stationen der Regiobahn (Mettmann-Stadtwald, Mettmann-Mitte, Neandertal, Erkrath-Nord - die Regiobahn ist auch EIU und daher für die Stationen zuständig) sind Tipp-Topp geräumt. In Düsseldorf-Gerresheim ist aber nichts geräumt und ich falle beim Aussteigen auf den Bart. Diese Station gehört aber der DB, genauer der DB Station&Service. Muss ich das als Kunde der Regiobahn wissen?
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Beitrag von riedfritz »

Schliesslich wird die Infrastruktur des Bahnhofs von verschiedenen EVU genutzt.
Dann wird aber auch durch "Bahnhofnutzungsgebühren" (sei es in Form von Trassengebühren oder anders ) in irgendeiner Weise das "Risiko" auf die EVU´s verteilt.



Viele Grüße,

Fritz
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Beitrag von ropix »

Also für mich lesen sich die Artikel - wie mittlerweile eigentlich alle Zeitungsartikel - schlicht falsch. Zum einen werden die Beförderer genannt, im gleichem Atemzug aber immer auch Station und Service als die Bösen. Die SZ schreibt, die Bahn muss zahlen. Das ist so korrekt, immerhin gehört auch StuS zur Bahn, die AFP meint dazu, StuS darf das ganze nicht weiterschieben.

Sprich - zahlen muss StuS und darf das nicht auf Subunternehmer weiterschieben...

Ja was denn jetzt nun - das EVU bei dems in der Tat sehr dämlich aufgehoben wäre. Weil beim Umsteig von unternehmen A zu unternehmen B am gleichen Bahnsteig zahlen dann beide oder keiner oder wie?

Oder eben doch StuS und wie immer waren die Zeitungen nicht in der Lage exakt wiederzugeben was in der Welt geschah?

Außerdem kauft man keine Fahrkarte bei DB Fernverkehr, sondern bei DB Vertrieb. Ergo isses doch wieder ganz einfach, weil alle Fahrkarten beim Vertrieb gekauft werden (na fast alle)
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Beitrag von Jojo423 »

Boris Merath @ 18 Jan 2012, 16:03 hat geschrieben: Oder soll jedes EVU selber Räumpersonal an alle Bahnhöfe schicken, an denen sie halten? Und da natürlich jedes Gleis selber räumen, es könnte ja eine Gleisänderung geben?
Für was werden denn bitte Stationsgebühren gezahlt? Ich finde, wenn dann hat es DB S&S versemmelt!
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Beitrag von Galaxy »

Boris Merath @ 18 Jan 2012, 16:03 hat geschrieben:Also ich finde das Urteil ziemlich seltsam. Zuständig für die Verkehrssicherheit ist doch der Eigentümer der Anlage, nicht der, der die Anlage nutzt...

Nicht umbedingt. Ein Mieter kann z.B. fürs nicht streuen haftbar gemacht werden. Es greift erst mal die Haftpflichtversicherung des Vermieters, aber der Mieter kann haftbar gemacht werden, falls er Pflichten verletzt hat.
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Galaxy
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Beitrag von Galaxy »

General bin ich auch der Meinung das man es in Deutschland mit der Haftung im Winter übertreibt. Der Winter ist nun mal rutschig. Ich finde es auch übertrieben das man beim kleinsten Schnee Wohnstraßen räumt und pökelt wie ein Spanferkel.
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Beitrag von Cloakmaster »

Grundsätzlich ist IMMER der Eigentümer verantwortlich. Dieser kann zwar einen Dienstleister (Hausmeister) oder aber den Mieter beauftragen, und damit die Verantwortung delegieren, aber das erweitert nur die Klagemöglichkeiten des Geschädigten, da dieser sich nun aussuchen kann, wen von beiden er vor den Kadi zieht - und wird sich für den entscheiden, wo es mehr zu holen gibt.

Weder der Eigentümer noch der Hauptnutzer (Mieter) können sich aus der Klage heraus winden, auch dann nicht, wenn jemand drittes, sei es nun ein Hausmeister-Service oder der Nachbarsjunge gegen Entgelt beauftragt wurde. Da kann man höchstens in einem zweiten Verfahren versuchen, sein Geld wieder zu bekommen.

Von da her hätte auch die Klage gegen DB Station& Service als Eigentümer erfolgreich sein müssen.

Auch die Pauschalreise erweitert lediglich die Klagemöglichkeiten. Prinzipiell kann der Kunde noch immer das Hotel an der Adria verklagen, aber es ist eben einfacher, und oft Erfolgversprechender den Reiseanbieter hier vor Ort in Regreß zu nehmen.
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