Autobahn @ 23 Jan 2012, 00:10 hat geschrieben:@ DumbShitAward
Die Vorwürfe gegen Kurras sind doch nicht neu. Kurras soll ja ein Mitarbeiter der Stasi gewesen sein, der dies im Auftrag der DDR ausgeführt hat, um Unruhe zu stiften. Das es "damals" (also vor 45 Jahren) "vertuscht" worden ist, mag ja sein. Aber eigentlich öffnen sich die Archive erst nach 50 Jahren

Kurras war IM der Stasi, das ist inzwischen belegt. Ob der Tötungsdelikt im Auftrag der Stasi erfolgte ist unbekannt, allerdings ist davon nicht auszugehen, da zumindest die bekannten Akten vermuten lassen, dass das MfS ziemlich überrascht ob dieser Aktion war (und diese Akten sind tatsächlich "neu" - klar waren sie bei der BStU, nur gefunden waren sie noch nicht). Die Unterlagen von denen der Spiegel spricht sollen angeblich von der Generalbundesanwaltschaft kommen, ob das die Dokumente von der letzten November eingestellten Untersuchung gegen Kurras (die eben durch die Stasiunterlagen angestoßen wurden) oder neue Unterlagen sind, weiß ich noch nicht. Dementsprechend auch nicht, ob die Dinger irgendwo im Archiv versumpft sind, von einem Whistleblower oder weiß der Kuckuck woher kommen.
Autobahn @ 23 Jan 2012, 00:10 hat geschrieben:
Ich kann dem nicht ganz beipflichten, die Polizei ist für die Sicherheit und Ordnung (und auch für die Verfassung) zuständig. Der Journalismus hat in der Bundesrepublik maßgeblich dazu beigetragen - und tut es auch heute noch - die Demokratie zu bewahren. Ulrike Meinhof und ihre Komplizen nutzten aber diese Ereignis, um ihre Ziele, nämlich den Terror der RAF zu begründen. Da beißt keine Maus den Faden ab. (Auch die RAF soll intensive Kontakte mit der Stasi geführt haben).
Und das sage ich als Zeitzeuge.
Meinhof und Co nutzten dieses Ereignis definitiv nicht um den RAF-Terror zu begründen, es ist vielmehr so zu bewerten, dass dieses Ereignis Baader und Meinhof (insbesondere Meinhof, Baader schon eher) erst dazu verleitete den Terror als probates Mittel erst für sich zu entdecken. Es ist natürlich müßig zu diskutieren ob und wie die RAF der ersten Generation sich gebildet hätte ohne diesen Vorfall, aber dass die Vorfälle einen ganz massiven Einfluss auf die Radikalisierung der antiautoritären Proteste hatte ist gängiger Stand der Forschung. Es ist natürlich unumstritten, dass Baader, Meinhof, Ensslin und Co definitiv keine dicken Freunde der Verfassung waren, was die West-Berliner Polizei (und nicht nur die, München hatte fünf Jahre zuvor ähnliche Ausschreitungen zu beklagen - dort glücklicherweise ohne Todesopfer) an diesem Abend und in den darauffolgenden Tagen abgezogen hat, ist nicht minder bedenklich. Darüber, dass Springer noch zusätzlich Öl ins Feuer goss, ist sich sogar Bild inzwischen selbst bewusst und hat vor nicht all zu langer Zeit seine Rolle bei diesen Vorfällen "kritisch" reflektiert - insbesondere das Attentat auf Dutschke einige Jahre später geht zu einem nicht ganz unwesentlichen Teil auf die Kappe von Bild (der dazugehörige Spruch "Springer schoss mit" ist sicherlich überzogen, aber nicht ganz von der Hand zu weisen).
Zu Deutsch: Die Ziele der späteren RAF-Mitglieder waren sicherlich nicht im Sinne der Verfassung und in dieser Schärfe auch garantiert nicht im Sinne der Mehrheit der Bevölkerung, aber die Ziele waren bis zu diesem Abend nicht der Terror als Selbstzweck (das gilt bis zu einem gewissen Grade sogar bis in die 2. Generation der RAF) sondern "lediglich" als Mittel. Das ändert nichts am Resultat, aber es erklärt durchaus das Selbstverständnis nicht nur der RAF sondern auch der Allgemeinheit in dieser Zeit und es lässt durchaus auch den Schluss zu, dass der 2. Juni ein Auslöser für die RAF gewesen sein dürfte (nicht Grund, Auslöser!)
Der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Gruppen die sich nachweislich beide nicht an geltendes Recht hielten ist, dass die RAF in Stammheim gelandet ist, Kurras und seine Vorgesetzten aber wohl dank ihrer Vertuschungsaktion und trotz erheblicher Bedenken seitens des Gerichts freigesprochen wurden. Somit ist es auch durchaus nicht völlig absurd Ulrike Meinhof in ihrem (zugegeben: mehr als nur tendenziösen) Zitat Recht zu geben: auch wenn sie sich (zumindest später) in diesem Punkt hinter der Pressefreiheit "versteckte", den Vorwurf des "Polizeistaates", wenn auch überzogen, müssen sich die Betroffenen des Berliner Senats und der West-Berliner Polizei gefallen lassen, denn rechtskonform oder gar lehrbuchmäßig ist an diesem Abend überhaupt nichts gelaufen.