Ramsauer liebäugelt mit Bahnprivatisierung

Alles über Eisenbahn, was woanders nicht passt.
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Boris Merath
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Beitrag von Boris Merath »

Bayernlover @ 25 Jan 2012, 19:07 hat geschrieben: Es gehen Gerüchte um, dass staatliche Institutionen, sagen wir es mal vorsichtig, zur Verschwendung neigen. Wohingegen ein privater Investor eben prinzipiell darauf achtet, mindestens die Kosten wieder herauszubekommen.
Teilweise mag das stimmen, das lässt sich aber auch entsprechend organisatorisch regeln. Allerdings haben wir einen anderen großen Effekt, nämlich, dass eine staatliche Institution aus volkswirtschaftlicher Sicht geführt wird, nicht aus betriebswirtschaftlicher. Wenn man jetzt eine staatliche Institution nur aus betriebswirtschaftlicher Sicht betrachtet, ergibt das dadurch in der Regel kein so gutes Bild - eben weil zum Beispiel betriebswirtschaftlich unrentable, volkswirtschaftlich aber sinnvolle und nötige Geldströme vorhanden sind, die aus betriebswirtschaftlicher Sicht als Verschwendung gesehen werden. Führt man so ein Unternehmen jetzt aus betriebswirschaftlicher statt volkswirtschaftlicher Sicht, dann mag das aus der betriebswirtschaftlichen Sichtweise sinnvoller sein - aus volkswirtschaftlicher Sicht aber nicht unbedingt.

Außerdem darf man auch nicht vergessen, dass viele Einsparungen auch eher kurzfristiger Art sind - niedrigere Kosten kommen teilweise halt auch daher, dass dann die Qualität nachlässt.
Bis zur vollzogenen Anbringung von ausreichenden Sandstreuapparaten an allen Maschinen haben die Bahnwärter bei aufwärtsgehenden Zügen auf stärkeren Steigungen die Schienen ausgiebig mit trockenem Sand zu bestreuen und für die Bereithaltung eines entsprechenden Vorrathes zu sorgen.

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Autobahn
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Beitrag von Autobahn »

@ Electrification

Ich will nicht in den Verdacht geraten, das ich Lohndumping gutheiße. Aber der Staat ist verpflichtet Leistungen so preiswert wie möglich einzukaufen. Was meinst Du, was der Bund der Steuerzahler aufschreit, wenn für irgendeine Leistung eine Million zu viel gezahlt wird. Und preiswert heißt nicht, das es das billigste Angebot sein muss.

Darum sind Ausschreibungen so wichtig, denn die Million fehlt dem Staat an anderer Stelle. Und was hilft es einem Arbeitnehmer, wenn von seinem (üppigen) Gehalt 90 Prozent durch Steuern und Sozialabgaben wieder an den Staat zurückfließen, die der Staat vorher seinem Arbeitgeber im Zusammenhang mit dem Auftrag überwiesen hat?

Ich bin nicht davon überzeugt, das öffentliche Verkehrsbetriebe die gleiche Leistung zum gleichen Preis bieten können. In Betrieben mit öffentlicher Beteiligung herrscht noch immer ein „Versorgungsprinzip“ vor, das aber nicht originäre Aufgabe eines Betriebes sein darf, schon gar nicht, wenn sich der Betrieb auf Förderung aus öffentlichen Mitteln stützt. Anders sähe es aus, wenn der Betrieb aus seinem Gewinn den Mitarbeitern freiwillige Sozialleistungen gewährt (wie es weiland die Fa. Krupp machte).

Anders ausgedrückt, das Verkehrsunternehmen A, das in öffentlichem Besitz ist, macht pro Jahr eine Million Euro Verluste, die von Steuerzahler getragen werden müssen. Zudem zahlt es keine Steuern. Dafür beschäftigt es aber eine Reihe von Mitarbeitern, die es eigentlich gar nicht braucht und die Bilanz belasten. Das ist sozial vorbildlich, ohne Frage. Ob es aber volkswirtschaftlich sinnvoll ist, ist die andere Frage.

Denn das Verkehrsunternehmen B macht in der gleichen Zeit eine Million Euro Gewinn (die aus öffentlichen Fördergeldern stammen). Es zahlt auf diesen Gewinn Steuern. Möglicherweise wird es auch einen Teil des überflüssigen Personals vom Unternehmen A benötigen und ihnen eine Perspektive geben. Wenn sich so ein Gewinn verstetigt, wird es auch gewillt sein, für seine Mitarbeiter Sozialprogramme aufzulegen.

Grundsätzlich aber gilt, kein Betrieb ist ein Sozialamt. Arbeitnehmer sollen entsprechend ihrer Arbeitsleistung bezahlt werden, aber dafür sind die Sozialpartner verantwortlich, nicht der Staat!

Es tut dem Einzelnen vielleicht weh, wenn er seinen Job verliert, aber dafür ist der Staat mit seinen Sozialkassen verantwortlich.
Das hat aber herzlich wenig mit der Bahnreform zu tun. Auch wenn ich es zum tausendsten mal sage, die Schweiz hat das auch ohne den Pseudowettbewerb.
Auch öffentliche Bahnen könnten das alles schaffen, nur mit dem Unterschied dass 100% der staatlichen Gelder auch im Land bleiben würden.
Die alte Leier von Claus Weselsky? Die bösen ausländischen Konzerne? Und was ist mit den Gewinnen der DB – Arriva? Bleiben die auch in England, Dänemark oder sonst wo?

Die Schweiz wird in Zukunft auch Ausschreibungen vornehmen, mal schauen, was daraus wird.

Das Netz hätte niemals in die Verantwortung der DB AG gegeben werden sollen. Ob die Betriebssparte der DB AG dauerhaft im Besitz der Bundesrepublik sein muss, sehe ich nicht. Aber ein Verkauf ist auch kein „muss“.
Rohrbacher @ , hat geschrieben:Oder was meinst du, was sich z.B. hinter einem 74-jährigen Schulbusfahrer auf einem 20 Jahre alten Bus verbirgt, so wie hier?
Vermutlich jemand, der nicht aufhören kann, denn mit 74 Jahren ist man schon lange in Rente. Bis vor kurzem gab es in Hamburg einen Taxifahrer, der mit 91 noch am Steuer saß. Es gibt eben Menschen, denen im Alter nichts besseres einfällt, als das Leben so weiter zu führen, wie vorher, mit Arbeit, weil es das Leben ausfüllt. Jedenfalls besser, als ein (mir bekannter) Zollbeamter, der nach seiner Pensionierung nur noch vor dem TV saß, verblödete und ein Pflegefall wurde. Und von der Sonne geblendet werden kann auch ein 21-Jähriger!
Boris @ , hat geschrieben:Mal davon abgesehen: Wenn Unternehmen in Staatshänden so schlimm sind - warum gewinnt die DB dann so viele Ausschreibungen? Und worin soll der enorme Vorteil liegen, der eintritt, wenn der Eigentümer jetzt auf einmal privat ist?
1. die DB AG ist privat, der Bund als Eigentümer kümmert sich nicht weiter darum
2. sie hat gelernt, das sie mit ihren Preisen herunter gehen muss

Das war vorher anders und die DB AG hat dort, wo sie keine Mitbewerber hatte, Mondpreise verlangt. Das haben aber die Nutzer nicht mitbekommen.

Volkswirtschaft ist Sache des Staates, nicht eines Betriebes, wem immer er auch gehört. Ein Betrieb darf keinen Verlust "erwirtschaften", weil es volkswirtschaftlich richtig ist. Darum auch z.B. die Regionalisierungsmittel.
Der Kapitalismus ist so alt wie die Menschheit, der Sozialismus ist nur Siebzig geworden. Er hatte keine Krise, er hatte kein Kapital.
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Beitrag von Electrification »

Autobahn @ 25 Jan 2012, 20:16 hat geschrieben: Was meinst Du, was der Bund der Steuerzahler aufschreit, wenn für irgendeine Leistung eine Million zu viel gezahlt wird.
Der Bund der Steuerzahler (für wen spricht der eigentlich? Für mich nicht und ich bin auch Steuerzahler) soll sich mal um die richtigen Steuergeldverschwendungen kümmern.
Die haben nichts besseres zu tun als auch sinnvolle Dinge zu kritisieren, aber wer kümmert sich um die Verschwendung der Landesbanken?

Im Gesundheitswesen kann sich die Pharmalobby alles erlauben, was da an Geldern verheizt wird und keiner macht was. Wir sollten erst mal die wirklichen Probleme des Landes, die großen Verschwendungen angehen wie die Lobbyisten der Regierung auf der Nase rumtanzen.

Die Mehrheit der deutschen Bevölkerung will eine dem Allgemeinwohl dienende Eisenbahn.

Autobahn du kannst erzählen was du willst, es ist das ewige Runterleiern von Dingen die man dir einredet und die du glaubst. Besser ist es deswegen nicht. Das immer wieder gleiche runterbeten der Dogmen hat in der DDR schon nicht funktioniert.

Also, lassen wir es, wir drehen uns im Kreis.
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Boris Merath
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Beitrag von Boris Merath »

Autobahn @ 25 Jan 2012, 20:16 hat geschrieben: Aber der Staat ist verpflichtet Leistungen so preiswert wie möglich einzukaufen. Was meinst Du, was der Bund der Steuerzahler aufschreit, wenn für irgendeine Leistung eine Million zu viel gezahlt wird.
Soll er halt schreien.
Und was hilft es einem Arbeitnehmer, wenn von seinem (üppigen) Gehalt 90 Prozent durch Steuern und Sozialabgaben wieder an den Staat zurückfließen, die der Staat vorher seinem Arbeitgeber im Zusammenhang mit dem Auftrag überwiesen hat?
Du betrachtest die Sachen viel zu kleinräumig und isoliert. Man muss die Volkswirtschaft als ganzes im Auge behalten.
Anders ausgedrückt, das Verkehrsunternehmen A, das in öffentlichem Besitz ist, macht pro Jahr eine Million Euro Verluste, die von Steuerzahler getragen werden müssen. Zudem zahlt es keine Steuern. Dafür beschäftigt es aber eine Reihe von Mitarbeitern, die es eigentlich gar nicht braucht und die Bilanz belasten. Das ist sozial vorbildlich, ohne Frage. Ob es aber volkswirtschaftlich sinnvoll ist, ist die andere Frage.

Denn das Verkehrsunternehmen B macht in der gleichen Zeit eine Million Euro Gewinn (die aus öffentlichen Fördergeldern stammen). Es zahlt auf diesen Gewinn Steuern. Möglicherweise wird es auch einen Teil des überflüssigen Personals vom Unternehmen A benötigen und ihnen eine Perspektive geben. Wenn sich so ein Gewinn verstetigt, wird es auch gewillt sein, für seine Mitarbeiter Sozialprogramme aufzulegen.
A hat keine Fördergelder bekommen, B schon. Also wäre die erste Frage: Wie hoch sind die Fördergelder?
Die zweite Frage wäre: Wie viel muss der Staat für die x neuen Arbeitslosen zahlen?
Und für die dauernde Behauptung, dass jedes Staatsunternehmen Massen an Personen beschäftigt, die nicht benötigt werden, hätte ich gerne mal konkrete Zahlen und einen Nachweis.
Und was ist mit den Gewinnen der DB – Arriva? Bleiben die auch in England, Dänemark oder sonst wo?
Nein. Und auf so eine Ebene der Diskussion lasse ich mich sicherlich nicht ein.
Volkswirtschaft ist Sache des Staates, nicht eines Betriebes, wem immer er auch gehört.
Und wir diskutieren hier ob die Eisenbahn privat oder staatlich sein sollte - das ist also eine politische Diskussion. Wir müssen die Vor- und Nachteile also aus volkswirtschaftlicher Sicht betrachten, die betriebswirtschaftliche ist nicht relevant.
Ein Betrieb darf keinen Verlust "erwirtschaften", weil es volkswirtschaftlich richtig ist.
?
Darum auch z.B. die Regionalisierungsmittel.
Nein. Die Regionalisierungsmittel hat man, damit die Entscheidungen über das Fahrplanangebot vor Ort und damit kundennäher in den jeweiligen Ländern getroffen werden können. Ob man die Kosten jetzt im voraus (Bestellerprinzip) oder in Nachhinein (quasi auf Rechnung, Bezahlung der Verluste) verrechnet macht keinen großen Unterschied.
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Beitrag von Autobahn »

@ Electrification

Der Bund der Steuerzahler kümmert sich gerade um sinnlose oder überteuerte Projekte. Die Bahn hat er dabei noch nicht einmal im Focus ;)

Ob die Mehrheit der deutschen Bevölkerung eine dem „Allgemeinwohl“ dienende Eisenbahn haben will, lasse ich mal offen. Allenfalls will sie einen dem Allgemeinwohl dienenden Eisenbahnverkehr. Und es ist ihm sch..ß egal, ob die Züge Rot, Weiß, Gelb, Blau oder Grün sind und zu welchem Unternehmen sie gehören.

Das ist auch in der von Dir so hoch gelobten Schweiz so. Nur haben dort die Züge eine einheitliche Farbe, egal, welchem Unternehmen sie gehören (oder habe ich mich da verguckt). Nur dort fahren sie meist auf eigener Infrastruktur. In Deutschland bestimmt die DB die Preise, im Regional- und Nahverkehr der Verbund. In den Zügen, die im bestellten Verkehr fahren, gelten auch DB-Fahrscheine. Im Prinzip also, wie in der Schweiz, nur das kommunale Verkehrsmittel nicht eingebunden sind, wenn es sich nicht um einen Verbundfahrschein handelt.

@ Boris

Ich betrachte sehr wohl die Volkswirtschaft, aber es kann dennoch nicht Aufgabe eines Unternehmens sein, diese Aufgabe wahrzunehmen. Egal ob es in privater oder staatlicher Hand ist.

Es ist Fakt, dass sich öffentlicher Nahverkehr nicht Betriebswirtschaftlich darstellen kann. Daher muss es Zuschüsse geben. Es ist aber besser, die Zuschüsse vorher festzulegen, als im Nachhinein ein böses Erwachen zu haben. Das wird also mit den Regionalisierungsmitteln vorher festgelegt.

Die Firma A bekommt zwar keine Fördergelder nach einem festgelegten Betrag, aber sie bekommt im Nachhinein den Verlust erstattet – egal wie hoch er ist. Die Firma B bekommt einen vorher festgelegten Betrag und muss damit auskommen, wenn nicht, Pech gehabt. Das geht sogar in der Praxis, einige „Busbuden“ in Hessen, die sich verkalkuliert und ein unseriöses Angebot abgegeben haben, machen Verluste. Die gehen aber nicht zu Lasten des Steuerzahlers oder der Besteller, sondern zu Lasten des Unternehmens. Simpel ausgedrückt, Du kalkulierst Deine Kosten mit 100 Euro, nach einem Gewinnaufschlag bekommst Du den Zuschlag für 110 Euro. Tatsächlich belaufen sich Deine Kosten auf 130 Euro. Hier machst Du Verlust, aber der Besteller (Steuerzahler) wird nicht zusätzlich belastet. Und das ist ein gravierender Unterschied. Bei dem Modell der Firma A ist es nämlich egal, sie bekommt die 130 Euro – zu Lasten des Steuerzahlers. Du wirst natürlich einwenden, das dies egal sei, 130 Euro hier oder dort. Doch die Wahrheit ist, öffentliche Verkehrsunternehmen kalkulieren nicht, sie fahren drauf los. Geld spielt keine Rolex, La Coste es was es wolle. Zum Glück ist dieser Trend vor allem durch die Ausschreibungen gestoppt worden.

Noch einmal, ein Arbeitgeber/Unternehmer ist nicht das Arbeitsamt/Sozialamt. Er bezahlt seine Arbeitnehmer für die geleistete Arbeit, und wenn keine Arbeit da ist, braucht er sie nicht zu bezahlen. Das ist in der gesamten Wirtschaft so, also warum nicht im „öffentlichen“ Verkehr?

Diese Sonderstellung der öffentlich Bediensteten (egal in welchem Bereich) habe ich nie verstanden und werde sie auch nie verstehen.
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Beitrag von Bayernlover »

Autobahn @ 25 Jan 2012, 23:33 hat geschrieben: Tatsächlich belaufen sich Deine Kosten auf 130 Euro. Hier machst Du Verlust, aber der Besteller (Steuerzahler) wird nicht zusätzlich belastet.
Genau, wenn die Bude dann pleite macht, wird es der Busunternehmer sicherlich aus seiner eigenen Tasche bezahlen. Und die Mitarbeiter werden dann auch ganz sicher nicht arbeitslos - dem Staat fallen also keinerlei Kosten an.
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Boris Merath
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Beitrag von Boris Merath »

Autobahn @ 25 Jan 2012, 23:33 hat geschrieben: Das geht sogar in der Praxis, einige „Busbuden“ in Hessen, die sich verkalkuliert und ein unseriöses Angebot abgegeben haben, machen Verluste. Die gehen aber nicht zu Lasten des Steuerzahlers oder der Besteller, sondern zu Lasten des Unternehmens.
<ironie>Das gibt mit Sicherheit gewaltige Einsparungen auf Gesamtdeutschland hochgerechnet </ironie>
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Wenn ich mir durchlese, was einige Leute hier schreiben, dann kann man das im wesentlichen auf zwei zentrale Punkte herunterbrechen.

1. Privatwirtschaft wird per se kritisch gesehen.

Ich werde hier aber mit niemandem eine Diskussion über Sinn und Unsinn der sozialen Marktwirtschaft führen. Wer meint, der Staat solle selbst wirtschaften oder gar daß Staatsunternehmen in Konkurrenz mit Privatunternehmen treten sollen, der soll diese Meinung vertreten. Sie geht in Richtung Attack / Bahn für alle, dessen Chefideologe Winfried Wolf ja in seiner Argumentation auch als zentralen Punkt eine generelle Ablehnung gegen Privatwirtschaft hat.

2. Europäische Konzerne profitieren.

Das ist im vereinten Europa nunmal so. Nicht nur die Mauern, auch die Märkte sind geöffnet. Das nationale Recht ist zudem restriktiver als das europäische Recht: Direktvergaben im Eisenbahnverkehr sind nach dem Abellio-Urteil nicht mehr erlaubt. In Sachsen-Anhalt läuft gerade ein weiteres Nachprüfungsverfahren, beim RE-Kreuz Bremen und beim InterCity Bremen - Norddeich hat man sich außergerichtlich geeinigt. Mir ist aber bekannt, daß eine Privatbahn juristische Schritte vorbereitet hat und sich außergerichtlich mit der LNVG geeinigt hat. Die LNVG ließ sich auf eine außergerichtliche Einigung ein, weil man wußte, daß sowohl die Direktvergabe des RE-Kreuzes Bremen an DB Regio als auch das InterCity-Konzept nicht gerechtsfest sind.

Es sind aber nach wie vor Inhouse-Vergaben erlaubt, im VRR hat es jüngst eine solche zugunsten der Düsseldorfer Regiobahn gegeben. Daß so etwas nicht die Regel ist, und es steht jedem Aufgabenträger frei, sein eigenes EVU zu gründen, mag sicher Ursachen haben, aber darauf will ich nicht näher eingehen.

Jetzt haben wir die Situation, daß andere Länder ihre Staatsbahnen schützen. In Frankreich gibt es keine Ausschreibungen, dort fährt alles die SNCF. Manche Leute wollen als Folge daraus sowohl Keolis als auch Veolia vom deutschen SPNV- und ÖPNV-Markt ausschließen. Das ist aber jurististisch und politisch nicht durchsetzbar. Es steht jedoch DB Arriva frei, sich auch in Frankreich juristisch und politisch in den Markt zu bringen. Was einige Leute jetzt gegen Veolia haben weiß ich nicht, der Hauptleidtragende der französischen Eisenbahnpolitik ist aber entgegen anderer Behauptungen nicht DB Arriva, es ist Veolia.

Im vermeintlich "abgeschotteten" französischen Markt gibt es im übrigen überhaupt keine Stadtwerke. Das ist ein Markt, der in Deutschland traditionell geschlossen ist, die kommunalen Verkehrsbehörden sind heilige Kühe. Ein paar Einstiegsmöglichkeiten gibt es im Busbereich, weil die kommunalen Eigenbetreiber ihre Wirtschaftlichkeit u.a. durch erhöhte Fremdvergabequoten erkauft haben. Aber im kommunalen Schienenverkehr, der in vielen europäischen Ländern selbstverständlich ausgeschrieben wird, gibt es nach wie vor keine Einstiegsmöglichkeit. Ob sich hier was tut bleibt abzuwarten.
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Autobahn
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Beitrag von Autobahn »

Mr Burns @ 2 Feb 2012, 14:36 hat geschrieben:Privatwirtschaft wird per se kritisch gesehen.
Insbesondere bei alten "Staatsbahnern" und Eisenbahnromantikern. Sie interessieren sich nicht für die Kosten, die ein Eisenbahnbetrieb erfordert. Wenn die Kohle nicht langt, dann muss eben der Steuerzahler ran. Geld spielt keine "Rolex", "La Coste" es was es wolle.
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Boris Merath
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Beitrag von Boris Merath »

Autobahn @ 2 Feb 2012, 20:20 hat geschrieben: Insbesondere bei alten "Staatsbahnern" und Eisenbahnromantikern. Sie interessieren sich nicht für die Kosten, die ein Eisenbahnbetrieb erfordert. Wenn die Kohle nicht langt, dann muss eben der Steuerzahler ran. Geld spielt keine "Rolex", "La Coste" es was es wolle.
So kann sämtliche Argumente natürlich auch wegwischen, ohne sich damit beschäftigen zu müssen.
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JNK
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Beitrag von JNK »

Mr Burns @ 2 Feb 2012, 14:36 hat geschrieben:1. Privatwirtschaft wird per se kritisch gesehen.
In der Tat, denn:
Kritik [...] bezeichnet „die Kunst der Beurteilung, des Auseinanderhaltens von Fakten, der Infragestellung“ in Bezug auf eine Person oder einen Sachverhalt.
Seite „Kritik“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 31. Januar 2012, 08:40 UTC. URL: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=...&oldid=99059364 (Abgerufen: 2. Februar 2012, 19:40 UTC)
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Beitrag von Mr Burns »

Boris Merath @ 2 Feb 2012, 20:29 hat geschrieben: So kann sämtliche Argumente natürlich auch wegwischen, ohne sich damit beschäftigen zu müssen.
Naja, Tatsache ist, daß der Wettbewerb hier bei uns in Nordrhein-Westfalen jüngst zwei sehr wirtschaftliche Vergaben gewährleistet hat. Bei der Haardachse erhält DB Regio ab 2014 genausoviel Geld wie im Vertrag von 2004 bis 2014 (schönes Inflationsziel), bei der Ausschreibung S5-S8 ist es so knapp, daß die Kommunalkreditkonditionen am kommenden Montag entscheiden, ob DB Regio oder Abellio den Zuschlag kriegen. Nur so ist es möglich, ab 2016 eine Leistungsausweitung auf der Linie RE 42 zu finanzieren. Hätte man solche Bedingungen nicht und würde für Preise fahren, die eine Bundes-Bahn einseitig festlegt, dann ist die Abwärtsspirale aus der Zeit vor der Bahnreform zwangsweise die Folge.

Jetzt kann man natürlich argumentieren, daß die Bundesbahn den Steuerzahler weniger Geld gekostet hat. Sie hat aber auch weniger geleistet, sie hat jede Menge Schulden gehabt, direkt und indirekt. Denn neben den tatsächlichen Kapitalmarktschulden mußte erstmal ein riesiger Investitionsstau abgebaut werden. Wir können uns ja durchaus über Formen staatlicher Eisenbahn unterhalten - wenn sie wirtschaftlich geführt wird. Nur wie man ohne Wettbewerbsdruck die Preise ermitteln will, ist mir schleierhaft.
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Beitrag von Electrification »

Mr Burns @ 3 Feb 2012, 19:46 hat geschrieben: Wir können uns ja durchaus über Formen staatlicher Eisenbahn unterhalten - wenn sie wirtschaftlich geführt wird. Nur wie man ohne Wettbewerbsdruck die Preise ermitteln will, ist mir schleierhaft.
Ganz einfach, mittels einer unabhängigen Kommission, die die Preise ermittelt und zwar so dass sie kostendeckend sind. Das kann man dann immer wieder überprüfen und ggf. korrigieren.

Im Wettbewerb hat man oftmals verzerrte Preise, da sie nur durch Tricks erreicht werden oder man mit Preisen bietet wo man weiß dass man damit nur Gewinne macht wenn man nachverhandelt (wird ja öfter gemacht). Es wird auch gerne mit Fahrzeugen an der Grenze kalkuliert und wenn das dann nicht aufgeht, dann hält man die Hand auf und versucht zusätzliche Fahrzeuge gefördert zu bekommen.
Es gab auch schon Ausschreibungen wo eine bestimmte Privatbahn deutlich, man spricht von 40%, unter den anderen Privatbahnen und der DB war und aus diesen Kreisen verlautbart wird dass man selbst dann noch deutlich von dem Angebot entfernt gewesen wäre, wenn man ohne Personalkosten geboten hätte. Damit kann sich jeder ausrechnen was das für ein Angebot war.

Auch sollte man sich mal eingestehen dass man bei Ausschreibungen zukünftig nicht mehr sparen kann, sondern dass die Preise wieder anziehen.
Die großen Einsparungen der letzten Jahre kamen ja von den großen Verkehrsverträgen mit der DB, die überteuert waren. Nun wurden aber entweder die realen Preise oder tw. eben darunter, erzielt und diese kann man einfach nicht unterbieten, da schließlich in diesen 10-15 Jahren auch alles teuerer wurde, von Energie über Personalkosten bis hin zu den Fahrzeuganschaffungskosten.
Darum gibt es auch so viele Ausschreibungen die zurückgezogen werden müssen, weil die Aufgabenträger oftmals noch glauben dass man den knapp kalkulierten Ausschreibungspreis nochmals unterbieten könnte. Wie soll das gehen?
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Beitrag von Bayernlover »

Electrification @ 4 Feb 2012, 14:32 hat geschrieben: Ganz einfach, mittels einer unabhängigen Kommission, die die Preise ermittelt und zwar so dass sie kostendeckend sind. Das kann man dann immer wieder überprüfen und ggf. korrigieren.
Oh ja, wie in der DDR. Hat man ja gesehen, wie großartig das funktioniert hat - Planwirtschaft.
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Beitrag von Electrification »

Bayernlover @ 4 Feb 2012, 14:39 hat geschrieben: Oh ja, wie in der DDR. Hat man ja gesehen, wie großartig das funktioniert hat - Planwirtschaft.
Klar, mit dem blöden DDR-Argument kann man alles zerreden, damit braucht man sich keine Mühe mehr machen zu diskutieren und sich damit auseinanderzusetzen wie man das angehen könnte. So einfach kann die Welt sein.

Erzähl doch mal wie du im Wettbewerb weiter ständig fallende Preise haben willst, dann dürfte es nach hunderten Ausschreibungen komplett umsonst gehen oder? ;)
Der einzige Grund warum im Wettbewerb so viel eingespart werden konnte waren die überteuerten Verkehrsverträge mit der DB, die bei solider Berechnung auch schon heruntergerechnet hätten werden können.
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Beitrag von Bayernlover »

Electrification @ 4 Feb 2012, 14:44 hat geschrieben: Erzähl doch mal wie du im Wettbewerb weiter ständig fallende Preise haben willst, dann dürfte es nach hunderten Ausschreibungen komplett umsonst gehen oder? ;)
Das habe ich nie behauptet. Nur ist es eben so, dass ohne Ausschreibung und mit einer Behördenbahn die Preise ganz sicher nicht fallen würden, nein, es würde in die andere Richtung gehen.
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Beitrag von Südostbayer »

Electrification @ 4 Feb 2012, 14:44 hat geschrieben: Klar, mit dem blöden DDR-Argument kann man alles zerreden, damit braucht man sich keine Mühe mehr machen zu diskutieren und sich damit auseinanderzusetzen wie man das angehen könnte. So einfach kann die Welt sein.
Eine "Kommission, die die Preise ermittelt und zwar so dass sie kostendeckend sind. Das kann man dann immer wieder überprüfen und ggf. korrigieren" beschreibt einen Kernprozess der Planwirtschaft. Der Dirigismus der DDR ging noch weiter ins Detail, aber die Assoziation kommt dennoch wie von selbst.
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Bayernlover @ 4 Feb 2012, 14:55 hat geschrieben: Das habe ich nie behauptet. Nur ist es eben so, dass ohne Ausschreibung und mit einer Behördenbahn die Preise ganz sicher nicht fallen würden, nein, es würde in die andere Richtung gehen.
Darum habe ich ja von einer unabhängigen Kommission gesprochen, am besten mehrere privatwirtschaftliche Gesellschaften die die tatsächlichen Kosten ermitteln und daraufhin den Zuschuss festlegen mit dem das EVU leben muss. Durch mehrere Berichte wird vermieden dass eine Gutachterkommission dafür zuständig ist und dementsprechend beeinflussbar.

Eine Behördenbahn will ich auch nicht, sondern privatwirtschaftliche Bahngesellschaften in Bundes- und Landesbesitz, die wie in einem Nachbarland, den Verkehr bedienen.
Ich darf nochmal erwähnen dass selbst in den USA die Eisenbahnen im Personenverkehr von der öffentlichen Hand betrieben werden.

Eigenwirtschaftlich privatwirtschaftlich ist nur der Güterverkehr zu betreiben, dort macht die Liberalisierung auch Sinn, da dort für den Betrieb keine Staatsgelder fließen.
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Beitrag von Electrification »

Südostbayer @ 4 Feb 2012, 15:06 hat geschrieben: Eine "Kommission, die die Preise ermittelt und zwar so dass sie kostendeckend sind. Das kann man dann immer wieder überprüfen und ggf. korrigieren" beschreibt einen Kernprozess der Planwirtschaft. Der Dirigismus der DDR ging noch weiter ins Detail, aber die Assoziation kommt dennoch wie von selbst.
Darum spreche ich auch von mehreren (nicht eine), unabhängige (!), privatwirtschaftlich organisierte Prüfungsgesellschaften die im Auftrag des Bundes und der Länder hier die Kosten ermitteln und daraufhin festlegen welcher Zuschuss notwendig ist für den Betrieb.
Ebenso könnte man zusammenhängend denken und starke Strecken müssten schwache Strecken mittragen.
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Beitrag von Bayernlover »

Electrification @ 4 Feb 2012, 15:09 hat geschrieben: Ich darf nochmal erwähnen dass selbst in den USA die Eisenbahnen im Personenverkehr von der öffentlichen Hand betrieben werden.
Oh ja, und wir alle wissen, wie überaus erfolgreich die Bahn in den USA operiert.

Und eine Staatsbahn, selbst wenn sie unterteilt nach Ländern ist, ist keine Alternative. Ganz einfach.
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Beitrag von Electrification »

Ich darf bei dir das Land ja nicht erwähnen wo es funktioniert, aber es gibt Beispiele dass es funktioniert.
Mir ist jedenfalls lieber eine regionale Bahn ist in öffentlicher Hand und die Wertschöpfung bleibt in der entsprechenden Region, als dass diese Bahnen in Händen von Großkonzernen, meist großer Staatsbahnen sind, die fast das gesamte Geld rausziehen und wo sich nur wenige daran bereichern.
Diese derzeitige Form ist ebenfalls alles andere als eine Alternative. Denn genau das was wir heute haben, könnten wir auch mit Bahnen in öffentlicher Hand haben, nur dass die Wertschöpfung in der Region bleibt, es keinen Renditedruck gibt (einfacher Gewinn reicht) und das Personal nicht zum Spielball von Kapitalinteressen wird und dementsprechend behandelt.

Du steckst nicht in dem System, aber trotz Mangels wird das Klima immer rauher und daher werde ich mich mit dem derzeitigen Zustand nicht abfinden, denn Anstand und Moral gehen vollends verloren in dieser Branche.
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Electrification @ 4 Feb 2012, 15:23 hat geschrieben: Denn genau das was wir heute haben, könnten wir auch mit Bahnen in öffentlicher Hand haben
Nein, könnten wir nicht. Bitte schau in die Vergangenheit.
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Beitrag von Electrification »

Bayernlover @ 4 Feb 2012, 15:39 hat geschrieben: Nein, könnten wir nicht. Bitte schau in die Vergangenheit.
In der Vergangenheit hatten wir eine Behördenbahn, ich habe doch mehrfach erwähnt dass mir ein privatwirtschaftliches System vorschwebt, nur eben in öffentlicher Hand. Das ist ein Unterschied zu einer reinen Behördenbahn.

In der Vergangenheit findest du auch Beispiele wie die privaten Bahngesellschaften gescheitert sind und in Büchern findest du Argumente, die oftmals mit denen von heute deckungsgleich sind. Da war auch schon mal die Rendite der alles entscheidende Faktor.
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Beitrag von Bayernlover »

Electrification @ 4 Feb 2012, 16:12 hat geschrieben: In der Vergangenheit hatten wir eine Behördenbahn, ich habe doch mehrfach erwähnt dass mir ein privatwirtschaftliches System vorschwebt, nur eben in öffentlicher Hand. Das ist ein Unterschied zu einer reinen Behördenbahn.
Ja, aber wo können sich da Preise bilden? Wie will man da einen Marktwert für eine Dienstleistung ermitteln? Abschätzen?
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Beitrag von Boris Merath »

Mr Burns @ 3 Feb 2012, 19:46 hat geschrieben: Nur wie man ohne Wettbewerbsdruck die Preise ermitteln will, ist mir schleierhaft.
Man schreibt auf was man ausgegeben hat, und am Ende des Jahres/Monats weiß man was es gekostet hat. Wo ist das Problem? Man muss halt organisatorische Maßnahmen treffen um dafür zu sorgen, dass kein Geld verschwendet wird. Eine private Firma arbeitet doch (intern) letztlich genauso. Innerhalb einer privatwirtschaftlichen Firma haben wir doch unter dem Strich auch nichts anderes als Planwirtschaft.

Aber ja, ich weiß, private Firmen können zaubern, staatliche Firmen dagegen sind verblödet und unfähig.
Bis zur vollzogenen Anbringung von ausreichenden Sandstreuapparaten an allen Maschinen haben die Bahnwärter bei aufwärtsgehenden Zügen auf stärkeren Steigungen die Schienen ausgiebig mit trockenem Sand zu bestreuen und für die Bereithaltung eines entsprechenden Vorrathes zu sorgen.

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Beitrag von Bayernlover »

Boris Merath @ 4 Feb 2012, 16:44 hat geschrieben: Man schreibt auf was man ausgegeben hat, und am Ende des Jahres/Monats weiß man was es gekostet hat. Wo ist das Problem?
Dass man das Geld vom Steuerzahler bekommt. Eine private Firma (von mir aus auch Investoren aus dem Ausland) gibt ein verbindliches Angebot ab, und hat dann gefälligst zu schauen, dass sie innerhalb dieses Rahmens bleibt. Und wenn man den Druck hat, wirtschaftlich zu arbeiten, kommen da auch ganz andere Ergebnisse heraus. Ansonsten bräuchte man auch keinen Edeka, Kaisers und Lidl, sondern "staatliche Warenausgabe" - Essen ist ja auch ein Grundbedürfnis und dürfte demnach nicht in private Hände fallen.
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Beitrag von Boris Merath »

Bayernlover @ 4 Feb 2012, 17:18 hat geschrieben: Dass man das Geld vom Steuerzahler bekommt. Eine private Firma (von mir aus auch Investoren aus dem Ausland) gibt ein verbindliches Angebot ab, und hat dann gefälligst zu schauen, dass sie innerhalb dieses Rahmens bleibt.
Eine staatliche Firma kann sogar billiger sein als eine private, da sie keine Gewinne an den Eigentümer abführen muss (und jetzt bitte nicht schon wieder mit der DB kommen, die DB muss Gewinne machen, was Vorgabe der Politik ist). Und eine private Firma muss einen Preis nennen, der sicher reicht - braucht sie weniger, verlangt sie dennoch den vorher ausgemachten Preis. Eine staatliche Firma braucht dann halt einfach weniger.

Klar, prinzipiell kann es natürlich passieren, dass sich eine private Firma verkalkuliert hat, und weniger verlangt, als eigentlich nötig wäre. Allerdings ist das ein Ausnahmefall, sonst wären die ganzen privaten Verkehrsunternehmen doch schon längst pleite. Der Regelfall ist, dass die private Firma mehr verlangt als nötig ist, und die Differenz als Gewinn abführt.
Und wenn man den Druck hat, wirtschaftlich zu arbeiten, kommen da auch ganz andere Ergebnisse heraus.
Jaja, Druck in einer staatlichen Firma ist ja völlig unmöglich...
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Beitrag von Bayernlover »

Boris Merath @ 4 Feb 2012, 17:28 hat geschrieben: Jaja, Druck in einer staatlichen Firma ist ja völlig unmöglich...
Nein, aber nicht unbedingt notwendig. Sowas schleift sich schnell ein, und dann hat man wieder den Zustand einer lahmen Behörde.

Abgesehen davon fallen dann so weiche Faktoren wie Freundlichkeit und Sauberkeit vollkommen unter den Tisch, man konkurriert ja mit niemandem mehr.
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Beitrag von Autobahn »

Es gibt hier schon wirklich naive Vorstellungen von der Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs, insbesondere des SPNV. Es kann nicht sein, das man ein EVU – egal ob staatlich oder privat – einfach vor sich hinfahren lässt und am Ende des Jahres mal eben den Verlust überweist. Das hat man Jahrzehnte lang mit der Behördenbahn gemacht. Man hat dieser Behördenbahn sinnigerweise auch keine Vorgaben gemacht und wenn man sie gemacht hätte, wäre die Rechnung wohl noch höher ausgefallen. So war die Bundesbahn auf dem besten Wege, sich selbst abzuschaffen.

Eine "staatliche" Firma, wie sie die meisten kommunalen Verkehrsbetriebe sind, ist niemals preisgünstiger, wie eine private Firma! Hier wird zu viel Geld in ineffiziente Verfahrensweisen und Personal verpulvert.

Heute gibt es für den SPNV ein festes Budget, mit dem die Länder auskommen müssen. Nun geht es darum, soviel Leistung wie möglich zum gleichen Preis oder aber eine vorgeschriebene Leistung zu einem günstigeren Preis zu bekommen.

Beispiel:

EVU A verlangt 8,00 Euro pro Kilometer. Gefordert sind 3 Millionen Kilometer pro Jahr. Macht also pro Jahr 24 Millionen Euro.

EVU B verlangt nur 6,00 Euro pro Kilometer, also nur 18 Millionen Euro pro Jahr. Also sechs Millionen Euro pro Jahr, die der Steuerzahler einsparen kann. Bei einer Laufzeit von 25 Jahren sind das schlappe 150 Millionen Euro.

Diese 150 Millionen Euro können aber in andere Vergaben gesteckt werden. Zum Beispiel könnten damit pro Jahr 1 Million Kilometer mehr bestellt werden, also in 25 Jahren 25 Millionen Kilometer!

Nun wird von Electrification vehement gefordert, das sich „ausländische Konzerne“ nicht auf dem deutschen Bahnmarkt tummeln dürfen. Nur in inländischem staatlichem Besitz (Bund/Länder/Kommunen (?)) befindliche privatrechtlich organisierte Eisenbahnen dürften fahren. Und eine Kommission solle das Entgelt regeln. Mal abgesehen davon, dass das, wie Bayernlover schon anmerkte, der Planwirtschaft schon sehr nahe kommt, aber welche Kommission ist wirklich „unabhängig“? Doch, ich wüsste eine, der ADAC :)

Ich weiß nicht, wie im „Eisenbahnhimmel“ Schweiz der SPNV finanziert wird. Ich weiß nur, das die in staatlichem Besitz befindlichen Eisenbahnunternehmen zu 99,9 Prozent auf eigener Infrastruktur fahren, teilweise auf Schmalspur oder Zahnradbahnen.

Die privaten Eisenbahnunternehmen der Gründerzeit sind an den Investitionen in die Infrastruktur gescheitert, nicht am Betrieb. In Deutschland sind diese Unternehmen zunächst auch von den Königreichen und Fürstentümern übernommen worden, erst später unter der Ägide des Deutschen Reiches von der Preußischen Staatsbahn und es gibt kaum nennenswerte Infrastruktur in Länderbesitz. Deshalb ist eine Trennung von Netz und Betrieb dringend geboten.
Electrification @ , hat geschrieben:Du steckst nicht in dem System, aber trotz Mangels wird das Klima immer rauher und daher werde ich mich mit dem derzeitigen Zustand nicht abfinden, denn Anstand und Moral gehen vollends verloren in dieser Branche.
Ich weiß, dass ich mir jetzt Deinen Zorn zuziehe, aber Eisenbahner waren in der Vergangenheit verwöhnt. Das Klima war in anderen Branchen schon immer rauer. Von daher hält sich mein Mitleid in Grenzen.
Der Kapitalismus ist so alt wie die Menschheit, der Sozialismus ist nur Siebzig geworden. Er hatte keine Krise, er hatte kein Kapital.
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Beitrag von Galaxy »

Electrification @ 4 Feb 2012, 16:12 hat geschrieben: In der Vergangenheit hatten wir eine Behördenbahn, ich habe doch mehrfach erwähnt dass mir ein privatwirtschaftliches System vorschwebt, nur eben in öffentlicher Hand. Das ist ein Unterschied zu einer reinen Behördenbahn.
Nur weil ein Unternehmen als GmbH oder AG organisiert ist sie nicht automatisch ein privatwirtschaftliches Unternehmen.
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