FloKi @ 10 Oct 2012, 20:05 hat geschrieben:[...]
1996
Besonders auf den beschleunigten Linien steigt die Nachfrage sehr stark an. Richtung Moosach ist die Nachfrage sogar höher als bei einigen U-Bahn Strecken. Daher werden die Nachbestellungen als 4-teilige Züge ausgeführt. Da Adtrans die R1.1 in Zahlung nimmt werden 20 Stück bestellt. Bei einem weiteren Kursbedarf von 80 Zügen und einer 10% Reserve sollte damit der Gesamtbedarf abgedeckt sein. Ausserdem wird die 17 eröffnet, die, obwohl diese Strecke davor noch nicht einmal durch einen Bus bedient wurde, sofort sehr gut angenommen wird. Der Wagenbedarf bleibt durch Beschleunigung und Optimierung trotz der neuen Strecke bei ungefähr 80 Zügen. Vorhanden sind 20 M/m, 39 P/p, 3 R1.1 und 59 R2.2
1997
Als letzte der seit Rettung der Tram geplanten Neubaustrecken wird die Strecke Ostfriedhof- Max-Weber-Platz eröffnet. Die letzten R2.2 erreichen München. Die letzten Kurse mit M/m werden gefahren, dannach finden sich nur noch R2 und P/p im Liniendienst. Für die ca. 80 Kurse sind 70 R2 und 33 P/p vorhanden, also mehr als genug Züge, wenn man von 80 Kursen und 10% Reserve incl. Schadwagen und Wartung ausgeht.
1998
Die Stadtwerke werden zu einer GmbH und müssen auch als solche wirtschaften. Die Auslieferung der R3.3 verzögert sich wegen Problemen im Herstellerwerk. Einzelen P/p werden aubgestellt. M/m gibt es nur noch als Rangierwagen und abgestellt. Die P/p sind jetzt sehr stark auf der 17 unterwegs, da die neue Strecke aus allen Nähten platz.
[...]
So und jetzt die Frage an alle Kritiker der Beschaffungspolitik. Zu welchem Zeitpunkt hätte man etwas gross anders machen können? Dabei bitte immer im Hinterkopf behalten, dass die Politik und/oder Wirtschaftliches Denken mit eine Rolle spielt und man nicht weit über den Bedarf hinweg einkaufen darf/kann.
Zwar eine späte Antwort auf Deine von mir rot hervorgehobene Frage, aber ich konnte es leider nicht ohne einen Einwurf stehen lassen:
Zum Zeitraum 1996-1998 wäre hinzuzufügen, dass in diese Zeit nicht nur die Vorbereitungen und die Bestellung der R3 fiel, sondern auch ganz massiv der die Nordtangente als das betriebswirtschaftliche interessanteste Einzelprojekt stark forciert wurde. Kein Wunder, würde doch damit der Busbetrieb auf einem sehr langen West-Ost-Abschnitt schlicht "rausfliegen".
Ein deutliches Indiz dafür, wie sehr man an diese Strecke "geglaubt" hat, ist schon die Tatsache, dass die P-Triebwagen extra noch in den seitlichen Zielbändern die Einträge "Neuhausen-Effnerplatz" eingefügt bekamen, weil man mit deren Einsatz auf der Strecke rechnete. Trotz "Auslaufbetreb" ...
Gleichzeitig konnte aber verfolgt werden, dass für die Dachauer Straße die Bestellung der R3 "auf Kante genäht" wurde. Man ist von einem 7,5-Minuten-Takt sowohl auf 20 als auch 21 ausgegangen, nötiger Bedarf dafür 15 Züge. Plus genau 2 als Werkstattreserve. Und exakt diese 17 waren die ursprüngliche Bestellung - hätte sich die Inzahlungnahme der drei R1 nicht quasi durch glücklichen Zufall ergeben, hätten wir noch heute nicht mehr.
Und hier setzt meine Kritik an der Beschaffung Mitte der 90er an:
Meiner Meinung nach hätte man es zu diesem Zeitpunkt ohne weiteres noch in der Hand gehabt, die R3-Bestellung auf 40 Stück zu erhöhen und damit den Bedarf zu decken, den man quasi "direkt vor der Brust" schon hatte.
Wäre die damalige Nordtangenten-Linie 22 in Betrieb gegangen und ähnlich erfolgreich wie alle anderen Projekte geworden, hätte alleine diese Strecke schon einen großen Teil der Bestellung "geschluckt" und es wäre einfach nötig gewesen.
Bei grob gerechnet rund 30 Minuten Einfach-Fahrzeit und je 5 Minuten Wendezeit hätte ein 5-Minuten-Takt 14 Züge benötigt, ein 7,5-Minuten-Takt deren 10 und selbst der m.E. eher unwahrscheinliche 10-Minuten-Takt immer noch 7 Stück. Der "Rest" hin zu den "zwanzig nicht bestellten" hätte auch aus damaliger Sicht bereits sehr geholfen, Kapazitätslöcher zu stopfen, die durch das Fehlen uns allen sehr schmerzlich deutlich geworden sind.
Fazit daraus:
Ich kritisiere, dass man sowohl in der Politik als auch an den entscheidenden Stellen des Betriebs selbst einfach nicht "genügend Arsch in der Hose" hatte, um hinter dem eigenen Projekt zu stehen und dieses offensiv genug vertreten; und auch die sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Fahrzeug-Beschaffung nicht ängstlich hinter dem Berg zu verstecken. Nein, man hat sich lieber am schönen Rotstift festgehalten und sich heimlich gegenseitig auf die Schultern geklopft, wie wahnsinnig toll jetzt die Betriebswirtschaftlichen Zahlen ja sind, weil man nur ja keinen Platz mehr Kapazität angeschafft hat, als man zwingend und unvermeidlich nur unter seelischer Pein musste. Lieber hat man sich von einem kleinen Lokal-Chefredakteur eines Boulevardblattes so niederschreiben lassen, das die "üblichen Verdächtigen" nicht widerstehen konnten, bildlich gesprochen, auf den stehenden Zug aufzuspringen und ihn endgültig zu torpedieren.
Alternativszenario:
Hätte man damals 40 R3 als Ersatz für 40 P-Züge bestellt, und die die Nordtangente wäre trotzdem nicht gekommen, so wären die zusätzlichen Kapazitäten meiner Meinung nach dennoch keine "Verschwendung" gewesen:
- Auf der 19 hätte man auf die drastischen Kapazitätschnitte verzichten können, die teilweise gegenüber den frühen 90ern schon an aktive Vertreibung grenzen
- Auf der 17 wären schon längst nur noch große Fahrzeuge unterwegs, und die heutige 16 gäbe es trotzdem
- Auch auf der 27 hätte man der drangvollen Enge viel früher nachgeben können, vermutlich hätte eine frühere Verbesserung dort den Boom eher noch weiter befeuert.
- Es wäre nicht nötig gewesen, wegen Fahrzeugmangel Wendezeiten in unsinnigem Masse zu verkürzen, sehr zu Lasten der Zuverlässigkeit.
Anders gesagt, die zusätzlichen Kapazitäten wären m.E. vom Netz und den durch das bessere Angebot gewonnenen Fahrgästen nur so aufgesaugt worden und nicht "rumgestanden". Und unter solchen Bedingungen hätte ich persönlich auch einen damaligen, frühzeitigeren Abschied vom P am ehesten verschmerzen können.
So, wieder heimlichen Groll öffentlich gemacht und wie ich hoffe trotzdem eine Antwort auf die Frage gegeben.
Ein letztes Wort:
@Lazarus:
Auch wenn es in meinem Beitrag um die Nordtangente ging,
halte Deine Finger BITTE wenigstens dieses Mal unter Kontrolle und schreibe keinen Beitrag dazu ! Deine Meinung zur "GartenTram" ist aus ungezählten Beiträgen allen Forenteilnehmern sattsam und rundum bekannt und muss nicht durch das Hinzufügen weiterer hundert Beiträge Deiner gängigen Standardfloskeln bekräftigt werden.
DANKE !
Stolzes Mitglied der Autonomen Volksfront für die Wiedererrichtung der klassischen 22er Tram in München
Nicht zu verwechseln mit der Populären Front
“Never argue with stupid people, they will drag you down to their level and then beat you with experience.” - Zitat wird sowohl Mark Twain als auch George Carlin zugeschrieben