Man kann die Attraktivität des ÖPNV nicht dadurch steigern, dass man ihn „fahrscheinfrei“ macht. Die Finanzmittel dafür müssen aus anderen Quellen aufgebracht werden, soviel wird jedem Einleuchten. Jede wie immer geartete Umlage belastet aber in hohem Maße Menschen, die den ÖPNV egal aus welchem Grunde gar nicht nutzen. Das Argument, „Die können sich das aber leisten!“ führt völlig am Ziel vorbei. Weil sich manche Menschen es sich „leisten können“, Leistungen zu finanzieren, die sie niemals in Anspruch nehmen, kann nicht die Begründung einer solchen Umlage sein. Der Verweis auf die staatlichen Aufgaben wie Polizei, Feuerwehr, Militär und Verwaltung ist völlig unangebracht. Die Polizei lässt sich unter Umständen auch für einen Einsatz bezahlen:
http://www.heise.de/newsticker/meldung/Leh...en-1655090.html und die Feuerwehr schickt ihre Rechnungen an die Versicherungen. Bei der Verwaltung gibt es kräftige Gebühren.
Ihr scheint also zu glauben, dass
jeder Mensch täglich mobil sein muss oder will. Aber das trifft noch nicht einmal für alle Abo-Kunden zu. Manche haben ein Abo aus Bequemlichkeit. In manchen Monaten rechnet es sich, in anderen es eben nicht. Aber gut, für Berufstätige rechnet sich ein Abo auf jeden Fall.
Für wen soll also ein „fahrscheinloser“ Nahverkehr ein Vorteil sein? Wer zwei mal in der Woche (!) im Stadtgebiet hin und zurück fährt, für den lohnt sich schon ein Monatsticket. (39,85 Euro). Und damit kann er täglich soviel fahren, wie er will. Ansonsten gibt es 4-er Tickets, die nicht an den Monat gebunden sind (Einzelpreis 8,70 Euro) und Tagestickets (5,70 Euro), die beliebig viele Fahrten an einem Tag erlauben. (alle Angaben VRR Preisstufe A). Für Wenigfahrer gibt es preiswerte Alternativen zum Einzelticket, die weit unter den Pauschalbeträgen liegt. Die Tarife für das SchokoTicket habe ich bereits genannt.
Wie ich schon häufiger erklärt habe, wird sich kein Autofahrer dazu hinreißen lassen, den ÖPNV zu nutzen, weil er ja „fahrscheinfrei“ ist und er die Nutzung durch eine irgend geartete Umlage bereits bezahlt hat. Der Gedanke, dadurch die Zahl der Autofahrten zu senken, ist damit nicht zu erreichen. Wenn ein Autofahrer nämlich die tatsächlichen Kosten für sein Auto zusammenrechnet, wird er feststellen, dass es mit dem ÖPNV billiger geht. Doch warum steigt er nicht um? Sicher weil ihm der ÖPNV zu unbequem ist – wie immer er das persönlich definiert.
Die zu erwartenden Steigerungsraten von 30 Prozent (lt. VDV) kommen aus dem so genannten „Umweltverbund“ von Fußgängern und Radfahrern, also von Leuten, die nur Kurzstrecken fahren („Kampfradler“ mal ausgenommen

). Das ist mit dem derzeitigen Verkehrsangebot nicht zu decken. Also muss in neue Fahrzeuge investiert und Personal neu eingestellt werden. Zudem kostet der Betrieb auch Strom und Diesel.
Wie immer es man auch gestaltet, es gibt ein Budget, mit dem man auskommen muss. Für Investitionen in Fahrzeuge, in Infrastruktur und Betrieb. Da bleibt nur wenig Raum für Investitionen und gar kein Platz für Innovationen. Solche „sozialen“ Konstrukte geraten schnell zu einem Selbstbedienungsladen für das Personal und die Führungsetage, ohne dem Zahlungspflichtgen, dem Bürger, einen wirklichen Mehrwert zu bieten.
Eine signifikante Steigerung der Fahrgastzahlen, die auch zu einem Rückgang des MIV führen könnte, ist nur durch Innovationen zu erreichen.
Zur Zeit decken die Verkehrsunternehmen in Deutschland rund 77 Prozent ihres Finanzbedarfs durch Fahrgeldeinnahmen. Daraus wird auch in Fahrzeuge und Infrastruktur investiert, aber auch innovative Konzepte angestoßen. Das ist „mehr wert“ als ein „fahrscheinloser“ ÖPNV. Nur wenn der geneigte Autofahrer einen „Mehrwert“ gegenüber seinem Auto sieht, ist er bereit, umzusteigen. Auf die Fußgänger, die nur Kurzstrecken fahren, kann der ÖPNV getrost verzichten.
Der Kapitalismus ist so alt wie die Menschheit, der Sozialismus ist nur Siebzig geworden. Er hatte keine Krise, er hatte kein Kapital.