Spanien: Schweres Zugunglück 24.07.2013

Alles rund um die Eisenbahnen außerhalb von Deutschland
GSIISp64b
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Beitrag von GSIISp64b »

chris232 @ 2 Aug 2013, 02:56 hat geschrieben: Ich frag nur, weil ich 1. mich mit ETCS kaum auskenn und 2. alle Fahrzeuge mit LZB, die ich kenne und so schnell fahren dürfen mehr als 4 km Vorschau bieten - sind aber nicht so viele. Und ab und zu bin ich ja doch noch lernwillig ;)
Nein, mir geht es jetzt um PZB-überwachte Abschnitte, ggf. in der Nähe von LZB-geführten Hochgeschwindigkeitsabschnitten.

(Und nur so nebenbei - jeder ETCS-Level ab Level 1 aufwärts und sowohl der Modus Full Supervision als auch der Modus Limited Supervision wäre m. E. in der Lage gewesen, dieses Unfallszenario zu verhindern.)
Dauerhaft abwesend, und ich komme nicht mehr wieder.
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Boris Merath
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Beitrag von Boris Merath »

GSIISp64b @ 31 Jul 2013, 14:56 hat geschrieben: Die Kurve ist durch Geschwindigkeitssignalisierung gesichert, die sich in der Vergangenheit über Jahre hinweg als völlig geeignet erwiesen hat. Und kein Zugsicherungssystem der Welt kann alle Unfallszenarien abdecken - nochmal und in Großbuchstaben, weil wichtig: ABSOLUTE SICHERHEIT GIBT ES NICHT!
Zweitens: Zumindest meiner Beurteilung nach ist der alleinverantwortliche Lokführer eine absolut sinnvolle Bewertung der Lage. Weil - nochmal - es keine absolute Sicherheit gibt und du keinem Ingenieur oder BWLer oder wem auch immer die Schuld geben kannst, dass er keine absolute Sicherheit verbaut!
Die Geschwindigkeitssignalisierung alleine ist eben nicht völlig geeignet - wie man auch an diesem Unfall sehen kann. Das Übersehen von Signalen ist ein absoluter Standardfehler, und das gilt natürlich auch für Geschwindigkeitssignale. Natürlich ist der Lokführer in der Lage korrekt auf Geschwindigkeitssignale zu reagieren - aber Menschen sind nicht unfehlbar, und Fehler passieren. Und für absolute Standardfehler braucht es eine weitere Absicherung.
Erstens: Der Unfall hat außerhalb des Hochgeschwindigkeitssystems stattgefunden.
Das ist eine definitionsfrage - letztendlich aber irrelevant, weil hier der Geschwindigkeitsunterschied das relevante ist.
GSIISp64b @ 31 Jul 2013, 00:26 hat geschrieben:Es gibt ein Sprichwort, nach dem die Regeln der Bahn (und auch ihre Technik) in Blut geschrieben sind. Leider stimmt dieses Sprichwort.
Ja, das ganze wird ja oft genug von allen möglichen wiederholt. Nur - diese Aussage sollte keine Entschuldigung sein, sondern ein Ansporn - nämlich ein Ansporn dafür, die Sicherheit (im Rahmen des machbaren) zu verbessern, ohne dass es einen Unfall gegeben hat. Auch Du nutzt diese Feststellung im Sinn von "ist halt so, kann man nichts machen" - und das ist so nicht in Ordnung. Natürlich gibt es einige Unfallszenarien, die nur schwer vorherzusehen waren. Es gibt aber auch viel, was durchaus zu erwarten war, und mit dem man rechnen k ann und muss - und wenn die Geschwindigkeitsreduzierung wirklich keine technische Absicherung hatte (was bisher nirgends klar stand), dann war das genau so ein Fall.
Dementsprechend kann man auch nicht nach einem Unfall hergehen und sagen "Das System war untauglich". In diesem Spezialfall kann man stattdessen allerdings fragen "Ist das System zeitgemäß?" oder "Wurde angemessener Aufwand getrieben, um ein möglichst sicheres System zu erstellen?". Nachdem es ja mit der deutschen PZB ein ziemlich verbreitetes System gibt, das diesen Unfall bei passender Ausrüstung (GPA) hätte verhindern können, kann man natürlich sagen, das System war nicht zeitgemäß und die Verantwortlichen waren zu faul, um nach Deutschland zu gucken. Ich bin mir aber noch unschlüssig, inwieweit ich dem zustimme - schließlich hat die PZB auch schon versagt und wurde dann nach dutzenden Toten erweitert.
Die PZB hat aber insbesondere in komplizierteren Situationen versagt, an die man jetzt vielleicht nicht unbedingt sofort denkt - speziell bei dem Problem mit den schnell anfahrenden Zügen. Die Standardsituationen deckt sie gut ab.
GSIISp64b @ 2 Aug 2013, 08:38 hat geschrieben:(Und nur so nebenbei - jeder ETCS-Level ab Level 1 aufwärts und sowohl der Modus Full Supervision als auch der Modus Limited Supervision wäre m. E. in der Lage gewesen, dieses Unfallszenario zu verhindern.)
Nur so nebenbei: Auch Level 0 hätte es gekonnt.
Bis zur vollzogenen Anbringung von ausreichenden Sandstreuapparaten an allen Maschinen haben die Bahnwärter bei aufwärtsgehenden Zügen auf stärkeren Steigungen die Schienen ausgiebig mit trockenem Sand zu bestreuen und für die Bereithaltung eines entsprechenden Vorrathes zu sorgen.

Fahrdienstvorschrift bayerische Staatsbahnen 1876
Fichtenmoped
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Beitrag von Fichtenmoped »

http://www.heise.de/tp/blogs/8/154734
Doch gut vier Kilometer vor Santiago geht die Hochgeschwindigkeitsstrecke in eine konventionelle Zugstrecke über und bisher wurde der Zug vor der Kurve im Stadtteil Angrois nicht automatisch gebremst. Dieser Mangel wurde nun vergangene Woche eilig behoben. Drei Balisen wurden eingebaut, damit der Zug automatisch gebremst wird, wenn er mit 160 km/h auf die Kurve zurast. Die Höchstgeschwindigkeit wurde sogar von 80 km/h auf 30 km/h gesenkt und der Zugführer wird nun über zwei der zusätzlichen Balisen gewarnt.
Aufgrund von Rostschäden besteht Signaturersatzverkehr!

Wir bitten um Entschuldigung für die Unannehmlichkeiten.
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Entenfang
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Beitrag von Entenfang »

30 km/h scheint mir jetzt aber arg langsam. Und offensichtlich weiß man immer noch nicht so genau, wie schnell der Zug unterwegs war?
Mein Bahnjahr 2024
Zurückgelegte Strecke: 30.060 km - Planmäßige Gesamtreisezeit: 16,1 Tage - Gesamtverspätung (analog FGR): 626 min - Planmäßige Reisegeschwindigkeit: 78 km/h - Durchschnittliche Fahrzeitverlängerung aufgrund von Verspätung: 2,7% - Fahrtkosten: 10,6 Cent/km - Anschlussquote (alle Anschlüsse einer Verbindung mit min. 1 Umstieg erreicht): 87,5%
FR16
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Beitrag von FR16 »

El Pais und SZ zum Stand der parlamentarischen Untersuchung des Unfalls.
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Beitrag von ET 423 »

Die Süddeutsche Zeitung, indirekt zu dem Vorfall:

https://fbcdn-sphotos-e-a.akamaihd.net/hpho...986811429_n.jpg
Ich schaue weg, weil mir hier Einiges nicht paßt.
Martin H.
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Beitrag von Martin H. »

Mach ich dann Morgen mal, dieses Knöpfchen drücken und warten, bis der Feierabend kommt.
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Beitrag von 423-Treiber »

Da wurde ja mal wieder toll recherchiert in der Süddeutschen, sind aber halt zu viele verwirrende Begriffe, die so ein armer Journalist auseinanderhalten muss: Triebfahrzeugführer, Eisenbahnfahrzeugführer, Lokführer, Zugführer, Zugchef, Zugbegleiter, Schaffner... wer soll da schon den Überblick behalten... :ph34r:
Und gut dass ich nun aus der SZ weiss, dass mein ICE eigentlich alles von alleine kann, werde das demnächst mal ausprobieren, mal sehen ob der Zug überhaupt von selber aus München Hbf kommt! :lol:
Rev
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Beitrag von Rev »

Mach ich dann Morgen mal, dieses Knöpfchen drücken und warten, bis der Feierabend kommt.
Fährst du morgen zufällig Ingolstadt - München nur damit ich umplanen kann :P


Der Artikel will wohl hauptsächlich auf die SFS strecken abzielen. Was hat man eigentlich als TF auf ner SFS für arbeiten wenn der Zug in der LZB hängt? Ich bilde mir ein hier gibt es Möglichkeiten den Zug praktisch von alleine Fahren zu lassen auf freier Strecke?
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Beitrag von 423-Treiber »

Im Grunde bringt die LZB nur eine grössere Vorausschau auf die kommenden Signale und eine kontinuierliche Überwachung, die Einhaltung der vorgegebenen Geschwindigkeiten obliegt weiterhin dem Lokführer, bei Geschwindigkeitsüberschreitungen wirkt zwar eine Zwangsbetriebsbremsung, die aber nicht geeignet ist eine komfortable Fahrt zu ermöglichen.
In Verbindung mit der AFB ist eine weitgehende automatische Fahrt des Zuges möglich, wobei es Einschränkungen gibt, die Bremsungen seitens der AFB sind je nach Baureihe mehr oder weniger ruckhaft, ein punktgenaues Halten am Bahnsteig wäre nur möglich wenn ein LZB-Halt vorhanden ist, wobei man auch dann nicht von punktgenau sprechen kann, die AFB hält deutlich vor dem LZB-Halt an, so dass man besonders an Bahnsteigen die AFB ausschalten soll wenn man auf einen LZB-Halt zufährt, sonst kann man die Bahnsteiglänge nur bedingt ausnutzen und das ist bei einem doppelten 402er ein deutliches Problem. Zudem gibt es eine Anweisung, dass Haltbremsungen manuell ausgeführt werden müssen, sprich ab unter 70 km/h muss der Tf selber übernehmen.
Ausserdem ermöglicht die AFB keine Nutzung der streckenbedingten Neigungen, so geht es ständig von beschleunigen in bremsen über, ist also nicht zum Energie sparen geeignet.
Also ich würde selbst auf SFS nicht sagen, dass man als Tf ausschliesslich die Sifa bedient, zumal man auch auf LZB-Strecken nicht von der Streckenbeobachtung entbunden ist.
Rev
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Beitrag von Rev »

Stimmt AFB war das was ich gesucht habe. Im Prinzip versucht die AFB halt immer die Geschwindigkeit zu halten die (von der LZB?) vorgegeben wird wenn ich dich richtig verstanden habe.
Also ich würde selbst auf SFS nicht sagen, dass man als Tf ausschliesslich die Sifa bedient, zumal man auch auf LZB-Strecken nicht von der Streckenbeobachtung entbunden ist.
Ich vermute mal das darauf der Artikel abgezielt hatte. Und sehr sehr grob gesagt ist es aus der Sicht eines externen nichts weiter als AFB an aus dem Fenster schauen und nen Knopf drücken ;)
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Beitrag von 423-Treiber »

Ja, die AFB hält sich nur an die Geschwindigkeitsvorgaben der LZB, ausser man begrenzt sie manuell.

In dem Artikel wird aber von Punktförmiger Zugbeeinflussung gesprochen, also PZB, da kann die AFB gar nix ausser das was der Tf vorgibt. Und bei PZB-geführten Zügen nur die Sifa zu bedienen dürfte recht schnell zu einer starken Bremsung führen und das war es dann erstmal, denn die löst sich nicht mehr auf bis der Tf vielleicht doch mal noch andere "Knöpfe" drückt als nur die Sifa... :rolleyes:
Bayernlover
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Beitrag von Bayernlover »

ET 423 @ 12 Aug 2013, 21:03 hat geschrieben: Die Süddeutsche Zeitung, indirekt zu dem Vorfall:

https://fbcdn-sphotos-e-a.akamaihd.net/hpho...986811429_n.jpg
Die Antwort der Lokführer lässt nicht lange auf sich warten:

Youtube

Ich finde den Film nicht so gut, denn das Argument, dass man nur Knöpfchen drückt, wird nicht dadurch entkräftet, dass Lokführer im Führerstand gezeigt werden, die nur Knöpfchen drücken. Ein Laie erkennt hier keinen Unterschied.
Für mehr Administration. Gegen Sittenverfall. Für den Ausschluss nerviger Weiber.
mapic
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Beitrag von mapic »

Bayernlover @ 13 Aug 2013, 12:41 hat geschrieben:Ich finde den Film nicht so gut, denn das Argument, dass man nur Knöpfchen drückt, wird nicht dadurch entkräftet, dass Lokführer im Führerstand gezeigt werden, die nur Knöpfchen drücken. Ein Laie erkennt hier keinen Unterschied.
Ich weiß ja nicht, ob du den "Film" komplett angeschaut hast, aber ich sehe bzw. höre den Tf in dem Video nicht nur Knöpfe drücken, sondern auch noch Hebelchen ziehen, Kupplung und Luftschläuche trennen, Handbremse kurbeln, Gespräche am Funk führen, Befehle schreiben und Kekse einpacken! ;)
Außerdem war mit dem "Knöpfchen drücken" im ursprünglichen Artikel ja lediglich die Sifa gemeint. Und etwas mehr als das sieht man ja dann doch...
Bayernlover
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Beitrag von Bayernlover »

Hab ihn sogar zweimal angeschaut :D

Aber um das Drumherum ging es ja auch nicht, sondern um die Fahrtätigkeit an sich. Und da war die These ja, dass ein Zug eigentlich von allein fährt und man nur ein paar Knöpfe drücken muss, damit sich da was tut. Und genau das kommt im Video (für einen Laien, also ca. 99% aller Journalisten) so rüber. Da sitzt einer, guckt vorneraus, drückt ein paar Knöpfe und das Ding fährt. Man hätte hier mehr draus machen können, zum Beispiel mal ein paar Hebel und Knöpfe erklären oder wie schwer der Bremsweg einzuschätzen ist (abhängig von der Witterung) etc. pp.

Da ist noch Luft nach oben ;)
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FR16
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Beitrag von FR16 »

Der zuständige Richter ermittelt jetzt auch gegen die Führungsebene des Adif (u.a. den amtierenden Präsidenten und seine zwei Vorgänger), weil man dort die Verantwortung für die Strecken- und Verkehrssicherheit erheblich vernachlässigt haben soll: El Pais, Spiegel Online.
giovane7
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Beitrag von giovane7 »

Habt ihr hier eigentlich mal wieder was gehört ? Ich habe den Eindruck dass das ein oder andere Unglück (auch mit anderen Verkehrsmitteln) zum Teil schneller aufgeklärt wird
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