146225 @ 28 Nov 2013, 06:13 hat geschrieben:Und ohne Zweifel ein eher positiver Nebeneffekt des Wettbewerbs war eine recht tiefgehende Wandlung des deutschen Regionalverkehrsfuhrparks von vorgestrig zu meistens etwas zeitgemäßer.
Quatsch. Der Fuhrpark wurde natürlich erneuert. Aber ohne Bahnreform/Wettbewerb wären die Züge auch ersetzt worden. Warscheinlich mit der einen oder anderen Großpanne weniger und vielleicht sogar schneller, nämlich durch Beschaffung großer Stückzahlen und weil man mit der Beschaffung neuer Züge nicht jahrelang "bis nach der Ausschreibung" warten würde. :ph34r:
146225 @ 28 Nov 2013, 06:13 hat geschrieben:Wer als EVU keinen Anreiz hat, besser zu werden, der tut es in der Regel ja auch nicht, dann greifen Beharrungskräfte bzw. die Entwicklung von Verbesserungen dauert viel zu lange, weil ja kein Druck von außen da ist.
Die Frage ist nur, ob in einem Markt, der keiner ist, Druck ein Mittel ist. Und Druck auf wen überhaupt? Druck auf das Unternehmen, Geld zu sparen, billig zu sein etc. ist schlecht, dann wird die Qualität schlecht. Druck auf die Führungskräfte, gute Arbeit zu leisten, im Sinne von einen ordentlichen Bahnbetrieb zu managen, ist ganz was anderes und wäre sehr viel zielführender. Ist ja nicht so, dass in Ländern, wo nicht ausgeschrieben wird, die Bahnen Beamtenmikado spielen. Die SBB hat beispielsweise auch Vorgaben durch den Bund und die Kantone, die sie einhalten muss. Da geht's aber nicht drum, "wer fährt mir hier am billigsten einen Stundentakt", sondern wie kann man mit dem effizienten Einsatz von Betriebsmitteln möglichst flächendeckend einen ordentlichen Bahnverkehr für die Nutzer organisieren.
riedfritz @ 28 Nov 2013, 12:40 hat geschrieben:Das Streckensystem der Eisenbahn stammt aus einer Zeit, in der es keinen nennenswerten Individualverkehr gab
Genau das ist das Problem: Die Bahninfrastruktur wurde auf dem Stand des 19. Jahrhunderts belassen. Absurde Idee, aber wenn man das Bahnnetz nicht in den Zeiten der "autogerechten Welt" kaputtgemacht und bis in die heutige Zeit weiterentwickelt hätte, sähe die Sache komplett anders aus. Kein europäisches Industrieland gibt aber so wenig Geld für die Bahninfrastruktur aus wie Deutschland.
riedfritz @ 28 Nov 2013, 12:40 hat geschrieben:Die Annahme, man könne den LKW-Verkehr nennenswert reduzieren (um Autobahnen zu schonen(':lol:')) geht nicht nur an der Realität, sondern auch an den technischen Möglichkeiten völlig vorbei. (...) Die Versorgung /Belieferung hat sich radikal geändert. Warum sollte man die Güter von einem LKW nochmals umladen, wenn er innerhalb Deutschlands über Nacht am Zielort sein kann?
Nein. Vielleicht am derzeitigen Schrumpfnetz, aber technisch ginge das hervorragend, wenn z.B. die Logistikfirmen sich in Bahnnähe angesiedelt hätten oder man sie nachträglich anschließt. Warum denn überhaupt umladen? Mit ausreichend Rangierbahnhöfen und Güterverkehrszentren und einem Bahnnetz mit der Dichte wie 1950 konnte man fast jede größere Gemeinde beliefern und wenn man die Gewerbegebiete neben die Bahn gebaut hätte, was man ja sogar oft hat, nur ist heute die Bahn rückgebaut, brauchst du bei vielen Verkehren nichts umladen, da würdest du den Waggon direkt auf's Firmengelände schieben.
Und die Kleinfirmen, die Kleinmengen bekommen, bei denen steht selten der 40-Tonner vor der Tür, da kommt am Ende der Lieferkette ein Sprinter vorbei. Übrigens fahren deswegen die wenigsten Lkw von Startpunkt A nach Zielort B, das machen die nur dann, wenn du der komplette Lkw mit 20t Ladung für einen Kunden fährt. Bei Stückfracht wird genauso mehrfach umgeladen wie früher beim Güterzug. Die Speditionen machen im Prinzip genau das selbe was die ole Bundesbahn früher auch gemacht hat: Die Ladungen werden eingesammelt (oder gebracht), landen in einem Logistikzentrum, werden dort je nach Zielort in einen großen Lkw zum nächsten Logistikzentrum umgeladen und landen dann ggf. noch ein paar Umladevorgänge später am Zielort. Mit größeren Sendungen kann man die Kunden nacheinander direkt anfahren, aber wenn das viele sind kann das je nach Umkreis länger dauern. So eine bestellte Waschmaschine ist mit dem Lkw recht schnell irgendwo in der Nähe auf einem Speditionshof, bis die aber bei mir vor der Haustür steht, kann das 2 oder 3 Tage dauern.
Die Transportwege sind heute nur deswegen "schneller als die Bundesbahn", weil man heute nicht von Hand ausläd, sondern mit'm Stapler und weil's allerlei moderne Technik wie Scanner gibt. Das würde mit einem Güterwagen aber genauso gehen. Und schneller... also, ein Lkw mit Vmax = 80 km/h, Sonntagsfahrverbot, Stau vs. moderner Güterzug mit Vmax = 120 km/h und (zwei)stündlichen Fahrten zwischen den Logistikzentren. Dazu zweimal am Tag Übergabezüge in die Fläche rausschicken, das wäre nicht langsamer. Das Problem ist nicht, dass das Verkehrsmittel Bahn das nicht leisten könnte, das Problem ist, dass die sehr fragmentierte Logistikbranche und die Infrastruktur heute nur noch auf Lkw-Verkehr eingestellt ist. Natürlich ist die Bahn z.B. für die Post nicht attraktiv, wenn die Post die Verteilzentren ohne Bahnanschluss baut. Ich kann diesen Mist nicht mehr hören...
Elektromobilität im Schwerlastbereich geht mit mittelfristig verfügbarer Technik jedenfalls ausschließlich bei der Eisenbahn, da nutzen auch so Hirngespinste nichts wie sackschwere (wenig Nutzlast) Hybrid-Lkw mit Stromabnehmer und Fahrleitung über der Autobahn, die so viel kosten wie der Ausbau des Bahnnetzes.
riedfritz @ 28 Nov 2013, 17:02 hat geschrieben:Für einen Großteil der Fahrten stehen öffentliche Verkehrsmittel nicht zur Verfügung
Auch das ist ein Problem, was an der Verkehrspolitik liegt und nicht an der Technik. Es wäre technisch jederzeit möglich, das Bahnnetz auszubauen, mehr Züge zu fahren und dazwischen Busse zur Feinerschließung einzusetzen und das ganze mit System. Eine Buslinie, die nicht fährt ist halt genauso blöd wie ein Auto, das man nicht hat oder eine Straße, die es nicht gibt.
riedfritz @ 28 Nov 2013, 17:27 hat geschrieben:Das eben ist das Problem, wie hoch die Beträge für Schienenverkehr und Strassenverkehr jeweils sein sollen. Mir scheint der Strassenverkehr auch unterfinanziert zu sein, was sich in Staus und dem Strassenzustand manifestiert.
Nein, der Straßenverkehr ist nicht unterfinanziert. Der Straßenverkehr ist einfach viel zu viel und auf den Fernstraßen ist wie gesagt viel zu viel unterwegs, was da nicht hingehört! Auch wenn du da rumlolst^^, aber die Autobahnen/Brücken sind für den heutigen Schwerverkehr einfach nicht ausgelegt. Natürlich geht deswegen alles sehr viel schneller kaputt. Daraus eine Unterfinanzierung abzuleiten hat schon eine ADAC-mäßige Dreistigkeit.
Ich kann hier auch nicht mit'm Kettenpanzer durch'n Ort fahren, die Straßen kaputt machen und dann sagen, die blöde Gemeinde lässt die Straßen vergammeln.
riedfritz @ 28 Nov 2013, 17:27 hat geschrieben:Im übrigen: Die Schweiz hat sich als kleines Land den internationalen Verkehr durch nichteuropäische Zulassungsbestimmungen bei den LKW-abmessungen vom Hals gehalten. Dieser Verkehr ist dann über Österreich und Frankreich ausgewichen. So kann man es auch machen!
Sorry, aber das ist reiner Eigenschutz. Auch die schweizer Autobahnen sind für Lkw-Lawinen nunmal nicht so geeignet. Dafür bauen die Schweiz und Österreich milliardenteure, aber sinnvolle Bahntunnels durch die Alpen und Deutschland blamiert sich beim Nichtausbau der Zulaufstrecken bis auf die Knochen.
Übrigens gehört Deutschland nicht nur wie gesagt zu den europäischen Industrieländern, die am wenigsten in die Bahninfrastruktur investieren, sondern auch noch zu denen, die absolut mehr in die Straße investieren als in die Schiene! Deutschland baut lieber erst die A94 als zeitnah die Bahnstrecke München - Mühldorf - Burghausen/Simbach/Freilassing aus, über die eingleisig über 1% des bundesdeutschen Schienengüterverkehrs dieseln muss.
Man darf nicht immer den politisch in Jahrzehnten herbeigeschrumpften Status Quo bei der Eisenbahn als Maßstab oder gar Stand der Technik nehmen.
JeDi @ 28 Nov 2013, 17:49 hat geschrieben:Qualitätszüge? Schonmal mit deren Pseudo-FV-DoSto länger als 'ne Stunde gefahren?
Markus @ 28 Nov 2013, 16:34 hat geschrieben:Aber diesen Fernverkehr wie es in Deutschland oder Frankreich gibt, findest Du dort fast nicht.
Und wir haben keinen Fernverkehr wie du ihn in Russland beispielsweise vorfindest. Natürlich nicht. So langsam sollte sich auch in diesem Forum mal die Erkenntnis durchgesetzt haben, dass die Schweiz aufgrund Ihrer Abmessungen keinen Fernverkehr hat, sondern im Grunde "nur" ein gut durchgestuftes Regionalnetz. Deswegen gibt's auch keinen inländischen Fernverkehrstarif. Haltabstände von 100 bis 150 km gibt die Schweiz maximal auf einer Strecke her. Aber es gibt ja ausländische Fernzüge, die die Schweiz im Vor- und Nachlauf bedienen.
Viel interessanter ist, dass der Hauptbahnhof einer Stadt mit einer im weltweiten Vergleich eher geringen Einwohnerzahl von unter 400.000 als einer der am meisten frequentierten Bahnhöfe der Welt gilt.