Eisenbahn als Wert an sich?

Alles über Eisenbahn, was woanders nicht passt.
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Flo_K
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Beitrag von Flo_K »

riedfritz @ 29 Nov 2013, 13:02 hat geschrieben: Den "Bahnbeamten" bis in die obersten Etagen war einfach egal, wer seine Waren mit der Bahn verschickte und wie lang es dauerte oder wie sich die Reisenden fühlten, sie waren ja ein Staatsbetrieb und es war ein "hoheitliche" Aufgabe so wie die Post (Brief u. Telefon). Was an Geld nicht über Aufträge hereinkam wurde eben vom Staat ausgeglichen. Um die Arbeitsplätze brauchte sich keiner zu sorgen. 

Fritz
Das ist dennoch kein Argument gegen eine Bundesbahn, sondern nur ein Argument gegen eine Bundesbahn, wie sie damals war oder angeblich war. Das ist genauso, wie wenn ich ganz platt sagen würde: Privatbahn XY taugt nichts, weil die haben Personal- und Fahrzeugmangel und sind sauteuer und daraus den Schluss ziehe, dass Privatunternehmen im Eisenbahnbereich nicht funktionieren. Das wäre genau so falsch, wie diese unsägliche Beamten-Behörden-Bahn-Diskussion.
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Beitrag von GSIISp64b »

Solche Probleme haben/hatten Staatsunternehmen aber verblüffend oft. Der Bundespost hängt zum Beispiel genau der gleiche Ruf an. Und zu einem Großteil war das eben auch vom System verursacht.
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Flo_K
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Beitrag von Flo_K »

Genauso gibt es aber Privatunternehmen, die sich in einer Art und Weise verhalten, die viele Leute nicht für gut halten. Und zudem muss man eines auch beachten: Vor allem früher, aber auch heute noch, steigen die behördenartigen Strukturen mit der Größe des Unternehmens an. Wenn ich da an meine Zeit bei Siemens denke... Mann oh mann, da ging es auch oft zu, wie auf einer Behörde.

Ich bin überzeugt davon, dass auch Unternehmen im Staatsbesitz sinnvoll wirtschaften können. Wieso sollten sie das nicht tun? Bei den deutschen Sparkassen kann man ja sehr gut sehen, dass trotz öffentlichen Eigentums und teilweise behördenartigen Strukturen/Auftreten, das eigentlich ganz gut funktioniert. Gleiches gilt auch für Postunternehmen oder für Krankenhäuser.
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Beitrag von bayerhascherl »

Dafür hatte die Bundespost in jedem Dorf ein Postamt und an jeder Straßenecke einen Postkasten. Heute muss ich in einem Uhrengeschäft in einer Schlange bis auf die Straße anstehen, um mein Paket abzuschicken...

Und die großflächigen Streckenstillegungen in den 80ern darf man gestrost als Vorbereitung zur Teilprivatisierung verstehen. Wenn ich daran denke, wie weit verzweigt das Schiennenetz noch war, nicht nur im Personenverkehr, auch so Themen wie Industriegleise oder Bahnpost...heute bräuchten wir das aus ökologischen und ökonomischen Gründen (Straßenbau verschlingt Unsummen) dringender denn je. Die Infrastruktur ist aber einfach nicht mehr vorhanden. Klar, in der nächsten Quartalsplanung war das vielleicht wirtschaftlicher. Die öffentliche Hand kann aber anders und auch vorausschauender planen. Nochmal: vieles werfe ich den privaten Betreibern gar nicht vor, in der privaten Rechtsform MUSS man gewisse Entscheidungen einfach treffen.

Und umgekehrt hat es sich die Politik auch sehr einfach gemacht, wohlwissend dass gewisse Entscheidungen mit (Teil)Privatisierungen verbunden wären.. die kann die Politik aber nun dafür bezahlten Managern überlassen und dabei in Wahlkampfzeiten auch noch in die Kritik der Bürger einstimmen. Wieviel unangenehmer muss das doch für frühere Bundeskanzler gewesen sein, als ein Eisenbahnminister oder ein Postminister und somit mittelbar auch der Bundeskanzler letztlich verantwortlich zeichnen mussten. Und dann bewegte sich auch was, spätestens vor der nächsten Wahl. Glaubt ihr nicht? Wer hat denn das Kabelfernsehen in Deutschland eingeführt und für viel Geld die halbe Republik aufgerißen um die modernen Kabel zu verlegen von denen wir noch heute profitieren (über das gehe ich zB aktuell ins Internet). Das war eine Bundesbehörde, ebenso wie eine Bundesbehörde den ICE1 angestoßen hat, ebenso wie den Vorläufer des modernen Internets ("BTX" - Bildschirmtext, schon damals konnte man so zB Homebanking machen, seiner Zeit weit voraus hat sich das erst in den letzten Jahren breit durchgesetzt).

Freilich muss bei allem die Balance gewahrt werden. Vor lauter Überdruss über verkrustete staatliche Strukturen und Überregulierung hat man sich die letzten 20 Jahre für das andere Extrem entschieden. Schauen wir mal, was uns das gebracht hat. Bei Einkommen, bei Lebensstandard, bei der Verlässlichkeit von Dingen die für uns einmal selbstverständlich waren, die einem heute peinlich sein müssen, wenn man Familienbesuch aus dem Ausland da hat. Ja, ich wünschte sogar, dass manches negative Klischee über "die Deutschen" denn (noch) wahr wäre, vermeintlich "spießige" Dinge wie stete Pünktlichkeit oder penible Sauberkeit. Wir müssen einfach mal innehalten, einen Schritt zurück machen ohne uns von den Tagesereignissen immer weiter vorantreiben zu lassen und vor lauter "Kleinklein" den Blick fürs Ganze zu verlieren, uns dabei fragen, ob es "das" ist was wir wollten und was wir in Zukunft wollen. Ich will die aktuelle Entwicklung nicht auf Jahrzehnte fortgeschrieben miterleben sondern was ändern. Wenn ich einen Brief an meinen lokalen MdB schreibe, erhalte ich Floskeln als Antwort. Volksentscheide auf Bundesebene gibt es nicht. Was soll ich tun, wenn man nicht gerade annimmt, dass ich in die Politik gehe, binnen kurzer Zeit neuer Bundeskanzler werde und mit meiner Richtlinienkompetenz Dinge anstoßen kann? Ich muss Gleichgesinnte suchen. Und das versuche ich, wo ich kann.
bayerhascherl
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Beitrag von bayerhascherl »

Zur Erheiterung zwischendrin mal zwei Werbevideos aus den 1980ern, von hier erwähnten vormaligen Bundesbehörden :D

http://www.youtube.com/watch?v=iBfvIh2K4G0

http://www.youtube.com/watch?v=E6Kxw-OcDxg
Markus
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Beitrag von Markus »

bayerhascherl @ 29 Nov 2013, 12:44 hat geschrieben: So wie es zB die Schweizer offensichtlich getan haben. Die sind doch nicht in Lummerland, das ist ein hochmodernes Industrieland - was sogar Haushaltsüberschüsse erwirtschaftet. Pardon, ich lerne lieber von der Schweiz, als von den Pleitiers mit verfallender Infrastruktur im angelsächsischen Raum.
Die Schweiz, ist auch nur ein Land, wo die Unternehmen nun mit etwas Verspätung auch entdecken, dass man im osteuropäischen EU-Ausland billiger produzieren kann.
Die Schweiz, ist auch nur ein Land, wo die gebürtigen Schweizer zunehmend keine Lust mehr haben körperlich anstrengende Jobs im Produktionsbereich oder Dienstleistungssektor auszuüben.
Die Schweiz, ist auch nur ein Land, wo die Nationalbank den Wechselkurs CHF/€ künstlich niedrig hält, damit die Schweiz bei den Lohnstückkosten nicht noch weiter hinter Deutschland zurückfällt.

bayerhaserl, hör endlich auch die Schweiz als das Supermusterland hinzustellen. Das ist sie nämlich nicht. Sie hat ihre eigenen Probleme.
Ich halte diesen, deinen schweizer Käse nicht mehr aus.


P.S. Pakete kann man auch von Packstationen abholen und verschicken. Fast alle Post-Produkte sind im Internet verfügbar. Die traditionelle Postfiliale brauche ich im Grund fast gar nicht mehr. Praktisch ist sie natürlich schon (geht schneller). Dafür ist Internet/Automat rund um die Uhr offen.
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Beitrag von bayerhascherl »

Ich möchte mich inhaltlich nicht wiederholen... ein letzter Videolink,

http://www.youtube.com/watch?v=5ippbVCKbjQ

schau dir dieses Filmchen mit Peter Lustig und der Bundesbahn aus dem Jahre 1979 mal an und sag mir, ob das nicht einfach etwas für sich hatte. Da wird (nicht nur) kindgerecht erklärt, wie das mit der Eisenbahn (damals) funktionierte.

Nichts spektakuläres. Und genau das ist der Punkt, auch so ein kleiner Bahnhof hatte all das, was man noch heute instinktiv eigentlich von einem Bahnhof erwartet, wie er noch heute in jedem Kinderbuch dargestellt wird. Ein Wartesaal, Toiletten, ein Mitarbeiter in Uniform der auch am Bahnsteig mal weiterhilft bzw. generell präsent ist, ein Fahrkartenverkauf, Gepäckschließfächer. Welcher kleine Bahnhof, pardon "Haltepunkt", hat das denn noch heutzutage? In der Regel reduziert zu Bahnsteigen mit Fahrkartenautomat, all zu oft das vormalige Bahnhofsgebäude verrammelt und verwaist. Früher waren Bahnhöfe Aushängeschild und sozialer Treffpunkt in Dörfern und Kleinstädten.

Und wofür das alles? Sind Fahrkarten billiger geworden? Züge pünktlicher? Steuerzuschüsse weniger? Wofür dann bitte?
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Beitrag von Rohrbacher »

riedfritz @ 29 Nov 2013, 11:49 hat geschrieben:
Rohrbacher hat geschrieben: aber die Autobahnen/Brücken sind für den heutigen Schwerverkehr einfach nicht ausgelegt. Natürlich geht deswegen alles sehr viel schneller kaputt. Daraus eine Unterfinanzierung abzuleiten hat schon eine ADAC-mäßige Dreistigkeit.
Deine Sachlichkeit ist nicht zu überbieten!
Wir wollen doch nicht persönlich werden. ;)
riedfritz @ 29 Nov 2013, 11:49 hat geschrieben:Die Fahrzeuge sind nicht schwerer geworden sondern lediglich mehr und wenn eine Brücke oder Strasse durch viel Verkehr abgenutzt ist, hat sie sich rentiert, offensichtlich ihre Aufgabe erledigt und ist zu ersetzen! Das ist bei Schienenwegen genauso!
Doch, die Fahrzeuge sind z.B. seit 1970 sehr wohl schwerer geworden. Und zwar in Bezug auf die Reifenauflagefläche. Früher waren auch die Anhänger und Auflieger oft mit Zwillingsreifen bereift, die dadurch das Gewicht bei gleicher zulässiger Achslast auf eine größere Fläche verteilt haben. Das hat allerdings den Nachteil von hohen Kosten (mehr Reifen nötig!), höherem Aufwand und größerer Reibung und dadurch einem größeren Spritverbrauch. Deswegen hat der moderne Eurosattelzug-Auflieger und viele Anhänger heute Breitreifen, die die entsprechenden Vorteile haben, aber blöderweise eine etwa um 1/3 schmalere Auflagefläche haben. Die Dinger fahren somit regelrecht Spurrillen in die Straßen. Das ist jetzt nichts, was ich mir ausdenke, das ist ein bekanntes Problem.

Dazu kommt, dass der Verkehr viel zu viel geworden, auch das denke ich mir nicht aus. Autobahnen und Fernstraßen sind vor Jahrzehnten mal für bestimmte Belastungen und Verkehrsmengen ausgelegt worden und die liegt weit unter dem, was viele heute tatsächlich an Schwerverkehr aushalten müssen. Bei Bahnstrecken ist das weit weniger ein Problem, die werden viel seltener so massiv an der Belastungsgrenze gefahren. Selbst die Münchner S-Bahnstammstrecke nicht. Das sind zwar viele Zugfahrten, aber die Züge sind sehr leicht. So ein 423 bringt es auf eine Radsatzlast von etwa 11t. Was für eine Streckenklasse hat der Stamm? Das müsste fast das doppelte möglich sein... Für schwere Lasten ist die Eisenbahn technisch das sehr viel geeignetere Verkehrsmittel.

Eine Pkw-Maut ist völliger Unsinn, wenn man nach dem Verursacherprinzip geht, dafür ist die Lkw-Maut zu niedrig und müsste auf allen Straßen erhoben werden.
riedfritz @ 29 Nov 2013, 11:49 hat geschrieben:Mit diesem Alter kann man die alten verkrusteten Strukturen, die vorher geherrscht haben, nicht beurteilen!
Das ist das Problem in der Diskussion. Diese verkrusteten Strukturen will keiner wieder einführen. Das brauchen wir auch nicht, denn die sind immer noch da! Die sind auch nicht das Problem, weil im Grunde wird gerne alles als "verkrustet" bezeichnet, was nicht so lustig bunt ist wie Privatfernsehen.

Im Nahverkehr bestimmt immer noch ein staatliches Planungsbüro was gefahren wird. Der einzige Unterschied ist, dass die "heutige Bundesbahn" (Aufgabenträger) nicht selbst, sondern ausschließlich mit Subunternehmern fährt. Mit ganz wenigen wirklich privaten, einigen ausländischen Staatsbahntöchtern, aber auch mit dem staatlichen Rechtsnachfolger der früheren Bundes-/Reichsbahn. Also: Mit Geld vom Bund bestellen die Länder Zugfahrten überwiegend bei einer Bahngesellschaft, die dem Bund gehört und überwiegend auf bundeseigenem Netz fährt. Das ist eigentlich nichts anderes wie früher, nur anders angemalt und mit einigen bereits erwähnten Nachteilen.

Nur im Güterverkehr sieht die Sache wirklich völlig anders aus als früher, aber da sieht man ja, was da angerichtet wurde. Ganzzüge, der Rest fährt auch wirtschaftlich völlig unnötig auf der Straße.
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Beitrag von GSIISp64b »

Ich bleibe dabei: Das Problem ist nicht das System. Das Problem ist, wie viel (oder besser: wie wenig) Geld der Staat in das System zu stecken bereit ist.
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Beitrag von bayerhascherl »

GSIISp64b @ 29 Nov 2013, 14:52 hat geschrieben: Ich bleibe dabei: Das Problem ist nicht das System. Das Problem ist, wie viel (oder besser: wie wenig) Geld der Staat in das System zu stecken bereit ist.
AUCH

Aber wieso sollte man den Privatsektor als Nutznießer an steuerlichen Subventionen unmittelbar beteiligen? Aus Sicht des Privatsektors ist die Antwort natürlich eindeutig.
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Beitrag von GSIISp64b »

bayerhascherl @ 29 Nov 2013, 15:03 hat geschrieben: Aber wieso sollte man den Privatsektor als Nutznießer an steuerlichen Subventionen unmittelbar beteiligen? Aus Sicht des Privatsektors ist die Antwort natürlich eindeutig.
Wenn der Privatsektor mit weniger Geld mehr Leistung bringt als der Staat selber, ist das aber eine Win-Win-Situation.

Ich sehe dabei auch nicht, was so böse daran ist, wenn Privatfirmen für eine Leistung, die sie für den Staat erbringen, auch Geld vom Staat bekommen.
Dauerhaft abwesend, und ich komme nicht mehr wieder.
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Beitrag von Rohrbacher »

GSIISp64b @ 29 Nov 2013, 15:12 hat geschrieben:Wenn der Privatsektor mit weniger Geld mehr Leistung bringt als der Staat selber, ist das aber eine Win-Win-Situation.
Wenn das so ist, wunderbar. Aber: Ist das denn wirklich so? In anderen Bereichen der alltäglichen Daseinsvorsorge geht der Trend ja wieder weg von den privaten, gewinnorientierten Unternehmen, hin zu Stadtwerken und kommunalen Unternehmen. Ich befürchte, derzeit kostet der Regionalverkehr in Bayern mehr als wenn die BEG mit eigenen Zügen einfach selbst fahren würde. Warum vergeben große Städte ihren Nahverkehr denn selten (als ganzes) an Privatunternehmen?

Ich glaube, so pauschal kann man das nicht sagen. Wenn ich als Kleinstadt einen Stadtbusverkehr haben möchte, bin ich warscheinlich billiger dran, wenn ich den an ein großes Busunternehmen vergebe. Wegen ein paar Bussen lohnt es kaum, einen Betriebshof samt Personal und das ganze zuzulegen. Aber wenn ich jetzt die Aufgabe bekomme, in ganz Bayern/Deutschland den Regionalverkehr zu organisieren, sieht die Geschichte meiner Meinung nach völlig anders aus.

Der Vorteil ist natürlich, man kann die Verantwortung und die ganze schlechte Presse auf ein Privatunternehmen abwälzen und steht vor allem als Politik gut da. Alle motzen über "die Bahn" und drohen damit bald mit dem Auto zu fahren, aber kaum jemand kommt auf die Idee wegen seiner Pendlersorgen eine andere Partei zu wählen. B-)
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218 466-1
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Beitrag von 218 466-1 »

bayerhascherl @ 29 Nov 2013, 12:19 hat geschrieben: Der Unterschied in unseren Kommentaren liegt im Wörtchen "kann" bzw. "könnte"! Aktuell "kann" man das natürlich nicht. Aber die Rechtslage und politischer Willen sind nicht unabänderlich bis in die alle Ewigkeit. Die aktuelle Generation, die in Wirtschaft und Politik maßgeblich verantwortlich zeichnet, wird natürlich nicht die Ideologie in Frage stellen, gar revidieren, mit der sie aufgewachsen ist und die sie ja auch selbst maßgeblich umgesetzt hat. Aber natürlich ist eine volle Rückverstaatlichung möglich. Und wenn es in Deutschland eine dem Gemeinwohl verpflichtete Behörde ist, die den Betrieb und alles drumherum organisiert, dann ist das sehr wohl auch mit EU Recht vereinbar (auch hier sollte man aber grundsätzlich eine andere Richtung einschlagen und nicht immer die EU benutzen, um über die Hintertür Politik zu machen, die Innenpolitisch eigentlich keine Mehrheiten beim Bürger findet...). (...) Rückkehr einer Bundesbahn, Rückkehr eines simplen Preismodells (Normalpreis Fernverkehr, Normalpreis Regionalverkehr, Zuschlag nur für 1. Klassen und ICE, Ermäßigung nur - wie allgemein üblich - für Senioren, Schüler und Studenten sowie Behinderte und Familienreisen). Dazu gibt es wieder eine Rabattkarte für 50% Rabatt (EINE, sonst nichts), für Vielfahrer.

Kein Prestige mehr. Weder bei Bahnhöfen, Instandhaltung in der Fläche hat Priorität vor Prachtbauten in den Metropolen, noch beim rollenden Material. Da, wo der Intercity vor Jahrzehnten bereits die selben Fahrtzeiten hatte wie heute der "Express" schafft man wieder lokbespannte Garnituren an, anstatt sich einen Porsche zu kaufen, den man in der Tempo 30 Zone eh nicht ausfahren kann, und damit die Unkosten in die Höhe zu treiben. Die Marge, die aktuell bei Ausschreibungen im Regionalverkehr noch (legitimerweise) als Gewinn bei den Eisenbahnunternehmen verbleibt, wenn man Regionalisierungsmittel und Fahrgeldeinnahmen mit den Betriebskosten gegenrechnet, wird in eine Verbesserung des Angebots von staatlicher Seite investiert (nicht nur einfach mehr Verbindungen sondern Priorität darauf, diese stets pünktlich usw. bedienen zu können). (...)

Die Bundesbahn hatte Vor- und Nachteile. Das Fahrzeugmaterial war für die damalige Zeit (FIS, Barrierefreiheit etc. waren noch kein Thema). hervorragend. Es gab durchaus Ansätze, das Angebot für Fahrgäste attraktiv zu machen, wie z.B. Speisen und Getränke auch in E mit dem "Kaffeeküch", oder mit der City-Bahn. Aber es waren halt nur Ansätze und jeweils nur regional brgrenzt. Der Mut zum flächemndekenden Einsatz hat gefehlt.
Zudem waren die Züge viel zu wenig unterwegs. Alles was keine Hauptabfuhrstrecke war, konnte von Stundentakten nur träumen. An Wochenenden waren bis vor 21 Jahren auf vielen Nebenstrecken nur einzelne oder überhaupt keine Züge unterwegs. Viele Stationen waren aufgelassen, kreuzungabahnhöfe und viele Strecke wurden stillgelegt. Erst als das Ende der Bundesbahn schon absehbar war, gab es z.B. mit dem "Allgäu-Schwaben-Takt" auch da Verbesserungen ... bis Mehdorn in die alten Muster zurück fiel.
Beim Fernverkehr war man mit dem ICE1 auch auf dem richtigen Weg und der wurde nur dort eingesetzt, wo er seine Vorteile auch ausspielen konnte. Heute ist ja fast alles ICE und wenn mal ein IC als Ersatzzug fährt, kann der den ICE-Fahrplan locker halten, trotz nur 200 km/h.
Der IR war auch ein Fortschritt gegenüber den D-Zügen und wurde sehr gut angenommen.

In Zeiten der Bahn AG gab es nur noch ein weiteres Beispiel, das aber schon unter der neuen Gewinnstrategie gelitten hat und sich daher nicht etablieren konnte. Den MET.
Als Bundesbahn würden solche Züge heute auf mehreren Strecken Bundesweit zum normalen Bahnbetrieb gehören, auch original in silber.
Den ICE-T würde es wohl nicht geben und man hätte sich die NT-Blamage erspart, (wobei der Bahn AG da kein Vorwurf gemacht werden kann, da man nocht wissen konnte, dass die 411/415 ihren Zweck nicht erfüllen würden).
ICE 3 gäbe es vmtl. schon, immerhin könnte auf der KRM ja sonst kein Zug fahren.
Dosto-IC und ICx wäre kein Thema. Entweder durch MET-ähnliche Züge odeer durch neue RIC-Wagen wäre der Fuhrpark längst modernisiert.
Im NV hätte es m.E. einen Nachfolger der n-Wagen gegeben.

Umdenken könnte man schon und die Bahn zu einen Vorzeigeobjekt machen, mit zuverlässingen, pünktlichen und komfortablen Zügen, auch als Bahn AG. Ggf. müsste man halt aus der EU austreten um den Wettbewerb im Regionalverkehr zu unterbinden, damit keine billigen Triebzüge mehr fahren, oder eben die Ausschreibungen so gestalten, dass die Züge komfotabel sein müssen und mehr als nur Baujahr, midestanzahl der Sitzplätze und maximale Länge vorgeben und die Leistungen nach Qualität, statt nach Preisen vergeben. Veolia und agilis würden wohl kapitulieren ... oder Luxuszüge aufbieten. ;)
Attraktive Preise und dichte Takte auf augebauten Strecken.
Wenn das alles voranden wäre und funktioniert, dann kommen auch wesentlich mehr Fahrgäste.

Dann sperrt man noch sämtliche Innenstädte für den MIV, verdreifacht die Benzinsteuer ... ähm nein, der MIV hätte ja nur noch geringe Bedeutung, daher gar nicht nötig.

Es ist alles eine Frage der allgemeinen Bedeutung der Bahn und ...
GSIISp64b @ 29 Nov 2013, 14:52 hat geschrieben:Ich bleibe dabei: Das Problem ist nicht das System. Das Problem ist, wie viel (oder besser: wie wenig) Geld der Staat in das System zu stecken bereit ist.
Genau.
Keine Alternative zum Transrapid MUC
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Beitrag von riedfritz »

Im Großen und Ganzen stimme ich der Einschätzung von Br 218 zu.

Zum ganzen System würden aber auch der Bevölkerungs-und-Industrieentwicklung angepasste Neubaustrecken gehören.
Wenn man sich ansieht, in welchem Schneckentempo die Genehmigungsverfahren laufen (bis einmal fünf Kröten eine neu Heimat gefunden haben) schleicht solch eine Bahnstrecke dem aktuellen Bedarf um Jahrzehnte hinterher. Selbst umfangreiche "Runderneuerungen" werden wie ein Neubau behandelt und Grundstücksanlieger können Umbauten jahrelang verhindern.


Viele Grüsse,

Fritz
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Beitrag von bayerhascherl »

GSIISp64b @ 29 Nov 2013, 15:12 hat geschrieben: Wenn der Privatsektor mit weniger Geld mehr Leistung bringt als der Staat selber, ist das aber eine Win-Win-Situation.

Ich sehe dabei auch nicht, was so böse daran ist, wenn Privatfirmen für eine Leistung, die sie für den Staat erbringen, auch Geld vom Staat bekommen.
Es gibt kein Perpetuum mobile, auch nicht finanziell.

Erstens ist beim Privatsektor von vorneherein der Profitanspruch beteiligt, der bei ansonsten identischer Kostenstruktur die Gesamtkosten nur weiter erhöht. Also weniger Leistung für das gleiche Geld, nicht mehr.

Zweitens, was Privatisierungen bewirkt haben: man hat den Politikern das wenig populäre Geschäft von Kürzungen, Streichungen und Sozialabbau abgenommen. Und das war für unsere Gesellschaft definitiv keine Win-Win-Situation. Nicht einmal finanziell. Menschen, die früher Arbeiten erledigten, die heute Maschinen machen, der Kunde selbst machen muss oder auch gar niemand mehr macht/entfallen sind, sind ja nicht aus der Welt. Nur sind sie jetzt frustriert, häufig langzeitarbeitslos oder prekär beschäftigt. Aufjedenfall ist die Summe der Arbeitsplätze deutlich gesunken, darüber dürfen auch statistische Kosmetik nicht hinwegtäuschen. Die ach so niedrige Arbeitslosigkeit beruht auf jeder Menge Teilzeit- und Minijobs (Unterbeschäftigung) und auch jeder Menge Arbeitsloser, die in "Maßnahmen" geparkt sind oder einfach nicht mehr mitgezählt werden. Schätzungen gehen dahin, dass die inoffizielle Arbeitslosigkeit gut doppelt so hoch ist, wie die offizielle. Und da wir nicht in den USA sind werden all diese Menschen vom Sozialstaat finanziell unterstützt. Kosten damit jede Menge Steuergeld, anstatt Steuern und Abgaben zu zahlen und sind auch weniger emsige Konsumenten. Also selbst "eiskalt" ökonomisch gedacht gibt es dabei insgesamt keine "Win-Win-Situation!". Der einzelne Etat mag dadurch entlastet worden sein, ein anderer umso mehr belastet - für die Finanzierung von Arbeitslosigkeit, statt für Dienstleistungen. Wo ist da die Win-Win-Situation? Du musst immer das GROSSE GANZE betrachten, nicht nur betriebswirtschaftliche Einzelaspekte.

Dazu kommt: der Bund finanziert Neubauprojekte ebenso wie den subventionsbedürftigen Regionalverkehr. Nur dass daran private Eisenbahnunternehmen auch ihre Rendite erwirtschaften. Das ist nicht "böse", aber aus meiner Steuerzahlersicht ineffektive Mittelverwendung. Das ganze gesellschaftliche Klima seit den 1990ern lässt uns aber "instinktiv" etwas anderes glauben, wir haben doch gelernt, dass Privat besser und überhaupt... was immer wieder suggeriert wird internalisiert man eben.
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Beitrag von Flo_K »

GSIISp64b @ 29 Nov 2013, 15:12 hat geschrieben: Wenn der Privatsektor mit weniger Geld mehr Leistung bringt als der Staat selber, ist das aber eine Win-Win-Situation.

Ich sehe dabei auch nicht, was so böse daran ist, wenn Privatfirmen für eine Leistung, die sie für den Staat erbringen, auch Geld vom Staat bekommen.
So leicht ist es ja aber nicht, sondern von Vertrag zu Vertrag unterschiedlich. Gibt es Geld nur vom Besteller, oder darf das EVU die Fahrgeldeinnahmen behalten, oder ist es eine Kombination. Hinter Deiner Aussage steht die Annahme, dass es ein Privater in jedem fall so viel wirtschaftlicher macht, als ein staatlicher Anbieter, dass von den Einsparungen genug übrig bleibt, dass der Private als auch der Staat dabei sparen.

Aber die Frage ist halt, ob erstens diese Annahme stimmt und ob es zweitens wirklich eine Win Win Situation ist, wenn Steuergelder in den Gewinn ausländischer Unternehmen, bzw. sogar Staatsbahnen fließen. Man könnte den Gewinn auch im System halten und beispielsweise endlich mal mehr investieren. Das geht aber nur mit einem Eisenbahnbetrieb, der NICHT Gewinnorientiert ist. Bei dem es wurscht ist, ob man Ende was grünes steht, oder doch nur ne schwarze Null. Und apropos ausländische Staatsbahnen: Die von dir so positiv beschriebenen "privaten" sind doch auch oft Staatsbahnen. Eigentlich müsstest Du ihnen nach Deiner Logik auch unterstellen, nicht effektiv zu arbeiten.
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Beitrag von GSIISp64b »

bayerhascherl @ 29 Nov 2013, 16:20 hat geschrieben: Es gibt kein Perpetuum mobile, auch nicht finanziell.

Erstens ist beim Privatsektor von vorneherein der Profitanspruch beteiligt, der bei ansonsten identischer Kostenstruktur die Gesamtkosten nur weiter erhöht. Also weniger Leistung für das gleiche Geld, nicht mehr.
Unter der Voraussetzung, dass Unternehmen und Staat mit gleicher Effizienz arbeiten. De facto haben die Privatunternehmen aber durch den Markt einen höheren Spar- und Innovationsdruck. Dadurch gilt diese Prämisse nicht und deine ganze Argumentation kippt im ersten Satz in sich zusammen.

Es gibt da übrigens keine Möglichkeit, Gewinne im System zu halten. Entweder macht der Staat Verlust, weil er Geld für die diversen Aufwendungen der Bundesbahn ausgibt, oder der Staat macht etwas weniger Verlust, weil er Geld für einen privaten Dienstleister ausgibt, der dann einen Teil als Gewinn bei sich behält und den Rest auch wieder für die diversen Aufwendungen eines Bahnbetriebs ausgibt.

Es gibt im Bahnbetrieb keine Gewinne. Das System macht in Summe Verluste. Und egal, wie man es dreht und wendet, am Ende des Tages müssen diese Verluste beim Staat landen, sonst funktioniert es einfach nicht.

Und für die Kompensation dieser Verluste wird immer nur eine bestimmte Menge Geld zur Verfügung stehen. Egal wie viel Geld das ist, dieses Geld sollte so effizient wie möglich investiert werden. Und ich persönlich sehe empirisch betrachtet in meiner subjektiven Wahrnehmung das heutige System als massiv effizienter als das von vor der Bahnreform. Heute wird m. W. weniger Geld ausgegeben und trotzdem fahren mehr Leute Bahn! Da können wir hier diskutieren, wie wir wollen, aber irgendwas muss richtig laufen.
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Beitrag von bayerhascherl »

GSIISp64b @ 29 Nov 2013, 16:38 hat geschrieben:
bayerhascherl @ 29 Nov 2013, 16:20 hat geschrieben: Es gibt kein Perpetuum mobile, auch nicht finanziell.

Erstens ist beim Privatsektor von vorneherein der Profitanspruch beteiligt, der bei ansonsten identischer Kostenstruktur die Gesamtkosten nur weiter erhöht. Also weniger Leistung für das gleiche Geld, nicht mehr.
Unter der Voraussetzung, dass Unternehmen und Staat mit gleicher Effizienz arbeiten. De facto haben die Privatunternehmen aber durch den Markt einen höheren Spar- und Innovationsdruck. Dadurch gilt diese Prämisse nicht und deine ganze Argumentation kippt im ersten Satz in sich zusammen.
Bei dir sehe ich keine Argumentation, sondern eine unbelegte Prämisse. De facto hätte eine große einheitliche Verkehrsgesellschaft den größten denkbaren Hebel bei der Einkaufspolitik und kann auch Fahrzeuge bestellen, die haargenau auf die reelen Bedürfnisse zugeschnitten sind (und kein Jota zusätzliche Technik und damit zusätzliche Kosten, anders bei den heute üblichen Plattformen, die dabei auch noch enorme Zulassungsprobleme bergen, andere Baustelle).
Auch kann eine staatliche Gesellschaft privilegiert werden (zB Umsatzsteuerbefreiung), da sie ja umgekehrt auch im Sinne des Gemeinwohls nicht ertragsorientiert wirtschaftet. "Effizienz" ist erst einmal eine Floskel, wenn nicht klar ist, was damit gemeint sein soll. Unbesetzte Stellen, deren Arbeit die vorhandenen Mitarbeiter irgendwie auffangen müssen (oder es dann einfach zu Störungen im Betriebsablauf kommt)? Das mag monetär günstiger sein, in den Augen eines Controlers. Effizient ist es aber bestimmt nicht, Personal gelinde gesagt stets zu 100% auszulasten (im Sinne langfristiger Personalentwicklung) und Kundschaft Zeit und Nerven zu kosten, in Folge von Verspätungen usw. Bei der Sicherheit kann es keine "Effizienz" geben, was nötig ist, das ist nötig. Ebenso bei der Instandhaltung. Wo kann also "Privat" effizienter sein, wenn man wirklich die SELBEN Standards bzgl. Arbeitsbedingungen für Beschäftigte usw. anlegt. Bitte erörtere das.
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Beitrag von GSIISp64b »

bayerhascherl @ 29 Nov 2013, 16:44 hat geschrieben: Bei dir sehe ich keine Argumentation, sondern eine unbelegte Prämisse.
Das liegt daran, dass mir doch eh keiner zuhört, dass du eh nicht bereit bist zu glauben, irgendwas könne heute besser sein als vor dreißig Jahren und dass ich, weil das nicht nur bei dir so ist, langsam keinen BOCK mehr darauf habe, noch zu argumentieren. Ich habe auch Besseres zu tun, weißt du?

Hör du erstmal auf, blödsinnige Aphorismen wie die vom wirtschaftlichen perpetuum mobile zu dreschen, dass nichts mit dem, was ich sage, zu tun hat. Dann können wir vielleicht weiterreden.

Fakt ist jedenfalls: Weniger Investitionen, mehr Personen und Güter als je zuvor. Das ist zwar nicht wirklich ceteris paribus, aber ich sehe darin trotzdem ein Zeichen, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
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GSIISp64b @ 29 Nov 2013, 16:38 hat geschrieben: Egal wie viel Geld das ist, dieses Geld sollte so effizient wie möglich investiert werden. Und ich persönlich sehe empirisch betrachtet in meiner subjektiven Wahrnehmung das heutige System als massiv effizienter als das von vor der Bahnreform. Heute wird m. W. weniger Geld ausgegeben und trotzdem fahren mehr Leute Bahn! Da können wir hier diskutieren, wie wir wollen, aber irgendwas muss richtig laufen.
Ja aber es ist eben gerade die Frage, um welchen Preis dies geschieht. Geschieht es beispielsweise für den preis einer Verschlechterung von Kundenorientierung, Komfort und Service, ist es nicht wünschenswert. Die Frage also, wie Du Effizienz betrachtest. Wenn es sich nur um "Irgendwas, das fährt, verkehrt von A nach B" betrachtest mag das ja vielleicht noch stimmen (aber nur vielleicht) und man kann sich dafür feiern. Wenn dieses nur scheinbare mehr an Effizienz aber dazu führt, dass nicht direkt messbare Größen darunter leiden, dann sieht das schon ganz anders aus.

Und dass mehr Leute Bahn fahren: Hier ist noch lange nicht gesagt, dass das an der Attraktivität der Bahn liegt, oder daran, dass sie attraktiver geworden ist. Es kann viele Gründe geben, dazu hatten wir in diesem Forum aber schon ne Diskussion
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Beitrag von GSIISp64b »

Wie gesagt: Investitionen zu Beförderungsleistung halte ich für ein sehr gutes Kriterium. Und wie gesagt: Dieses Kriterium gibt mir Recht.
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Boris Merath
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Beitrag von Boris Merath »

GSIISp64b @ 29 Nov 2013, 16:38 hat geschrieben: Unter der Voraussetzung, dass Unternehmen und Staat mit gleicher Effizienz arbeiten. De facto haben die Privatunternehmen aber durch den Markt einen höheren Spar- und Innovationsdruck. Dadurch gilt diese Prämisse nicht und deine ganze Argumentation kippt im ersten Satz in sich zusammen.
Alles eine Frage der Struktur. Wenn man auf Budgetbasis arbeitet, wo jeder möglichst viel Geld ausgeben muss, damit ihm das Budget nicht gekürzt wird, kommt nichts sinnvolles dabei raus, das stimmt. Nur - es hat nie jemand durchgezogen, hier etwas zu ändern, weil alles außer privat ja angeblich nicht geht.
Bis zur vollzogenen Anbringung von ausreichenden Sandstreuapparaten an allen Maschinen haben die Bahnwärter bei aufwärtsgehenden Zügen auf stärkeren Steigungen die Schienen ausgiebig mit trockenem Sand zu bestreuen und für die Bereithaltung eines entsprechenden Vorrathes zu sorgen.

Fahrdienstvorschrift bayerische Staatsbahnen 1876
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Beitrag von GSIISp64b »

Boris Merath @ 29 Nov 2013, 17:07 hat geschrieben: Alles eine Frage der Struktur. Wenn man auf Budgetbasis arbeitet, wo jeder möglichst viel Geld ausgeben muss, damit ihm das Budget nicht gekürzt wird, kommt nichts sinnvolles dabei raus, das stimmt. Nur - es hat nie jemand durchgezogen, hier etwas zu ändern, weil alles außer privat ja angeblich nicht geht.
Dann nenne doch mal eine deiner Meinung nach sinnvolle Struktur, die Konkurrenzdruck ersetzen kann.
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Galaxy
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Beitrag von Galaxy »

bayerhascherl @ 29 Nov 2013, 16:44 hat geschrieben:De facto hätte eine große einheitliche Verkehrsgesellschaft den größten denkbaren Hebel bei der Einkaufspolitik und kann auch Fahrzeuge bestellen, die haargenau auf die reelen Bedürfnisse zugeschnitten sind (und kein Jota zusätzliche Technik und damit zusätzliche Kosten, anders bei den heute üblichen Plattformen, die dabei auch noch enorme Zulassungsprobleme bergen, andere Baustelle).
Auch kann eine staatliche Gesellschaft privilegiert werden (zB Umsatzsteuerbefreiung), da sie ja umgekehrt auch im Sinne des Gemeinwohls nicht ertragsorientiert wirtschaftet. "Effizienz" ist erst einmal eine Floskel, wenn nicht klar ist, was damit gemeint sein soll. Unbesetzte Stellen, deren Arbeit die vorhandenen Mitarbeiter irgendwie auffangen müssen (oder es dann einfach zu Störungen im Betriebsablauf kommt)? Das mag monetär günstiger sein, in den Augen eines Controlers. Effizient ist es aber bestimmt nicht, Personal gelinde gesagt stets zu 100% auszulasten (im Sinne langfristiger Personalentwicklung) und Kundschaft Zeit und Nerven zu kosten, in Folge von Verspätungen usw. Bei der Sicherheit kann es keine "Effizienz" geben, was nötig ist, das ist nötig. Ebenso bei der Instandhaltung. Wo kann also "Privat" effizienter sein, wenn man wirklich die SELBEN Standards bzgl. Arbeitsbedingungen für Beschäftigte usw. anlegt. Bitte erörtere das.

Schau dir zum Beispiel den Rüstungssektor an. Der A400M in Europa und die F-35 in den USA kosten die Steuerzahler über 100% mehr als vereinbart. Die Boeing 787 ist in der Entwicklung auch ca. 100% teurer, aber zahlen die Fluggesellschaften einen Cent mehr als vereinbart? Nein. Der Staat zahlt mehr da die Hersteller die Arbeitsplatz-Keule schwingen. Der Staat lässt sich erpressen da Wähler es nicht tolerieren würden wenn Werke schließchen. Die USAF became C-17 die sie nicht wollte, die US Army M1A1 Panzer die sie nicht wollte, nur weil bestimmte Senatoren Arbeitsplätze in ihrem Bezirk erhalten wollten. Für die betroffenen Arbeitnehmer sicherlich ein segen, für das gesamt System aber Gift.

Ein sehr krasses Beispiel:

http://www.reuters.com/article/2013/11/18/...E9AH0LQ20131118

Das Pentagon kann seit 1996 US$ 8,5 billionen (und nein ichverwechsele nicht die amerikanische Billion mit der deutschen Billionen, es ist von Trillion die rede) in Ausgaben nicht nachvollziehen. :blink: Das mesite Geld ist wahrscheinlich nicht in irgendwelche Kanäle geflossen, die wissen einfach nur nicht wie das Geld ausgegeben wurde.

...Reuters has found that the Pentagon is largely incapable of keeping track of its vast stores of weapons, ammunition and other supplies; thus it continues to spend money on new supplies it doesn't need and on storing others long out of date. It has amassed a backlog of more than half a trillion dollars in unaudited contracts with outside vendors....In one example of many, the Army lost track of $5.8 billion of supplies between 2003 and 2011 as it shuffled equipment between reserve and regular units.....Consider the "vehicular control arm," part of the front suspension on the military's ubiquitous High Mobility Multipurpose Vehicles, or Humvees. As of November 2008, the DLA had 15,000 of the parts in stock, equal to a 14-year supply, according to an April 2013 Pentagon inspector general's report. And yet, from 2010 through 2012, the agency bought 7,437 more of them - at prices considerably higher than it paid for the thousands sitting on its shelves.
:unsure:

Sorry aber i.d.R ist Staatsbetrieb ein Synonym für Misswirtschaft.


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Beitrag von Flo_K »

GSIISp64b @ 29 Nov 2013, 17:06 hat geschrieben: Wie gesagt: Investitionen zu Beförderungsleistung halte ich für ein sehr gutes Kriterium. Und wie gesagt: Dieses Kriterium gibt mir Recht.
So. Und ich behaupte, dass die Beförderungsleistung als alleinige Variable zur Beurteilung der Effekte von Wettbewerb nicht wirklich viel aussagt.
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Beitrag von Entenfang »

bayerhascherl @ 29 Nov 2013, 14:07 hat geschrieben: Zur Erheiterung zwischendrin mal zwei Werbevideos aus den 1980ern, von hier erwähnten vormaligen Bundesbehörden :D

http://www.youtube.com/watch?v=E6Kxw-OcDxg
Das Bordtelefon finde ich ja sehr schick.
Mein Bahnjahr 2024
Zurückgelegte Strecke: 30.060 km - Planmäßige Gesamtreisezeit: 16,1 Tage - Gesamtverspätung (analog FGR): 626 min - Planmäßige Reisegeschwindigkeit: 78 km/h - Durchschnittliche Fahrzeitverlängerung aufgrund von Verspätung: 2,7% - Fahrtkosten: 10,6 Cent/km - Anschlussquote (alle Anschlüsse einer Verbindung mit min. 1 Umstieg erreicht): 87,5%
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Beitrag von Rohrbacher »

GSIISp64b @ 29 Nov 2013, 16:48 hat geschrieben:Das liegt daran, dass mir doch eh keiner zuhört, dass du eh nicht bereit bist zu glauben, irgendwas könne heute besser sein als vor dreißig Jahren
Vielleicht bist du nicht bereit zu glauben, dass wir auf dem Holzweg sein?
GSIISp64b @ 29 Nov 2013, 16:48 hat geschrieben:und dass ich, weil das nicht nur bei dir so ist, langsam keinen BOCK mehr darauf habe, noch zu argumentieren. Ich habe auch Besseres zu tun, weißt du?
Niemand zwingt dich. Oder doch?
GSIISp64b @ 29 Nov 2013, 16:48 hat geschrieben:Fakt ist jedenfalls: Weniger Investitionen, mehr Personen und Güter als je zuvor.
So kann man sich natürlich die Welt auch hindrehen, wenn der Straßenverkehr deutlich mehr gewachsen ist als der Bahnverkehr.

Aber egal. Ja, heute hat die Bahn so viele Fahrgäste und Güter transportiert wie nie zuvor. Nur hat das mit der Diskussion Pseudo-Privatbahn vs. Staatsbahn nichts zu tun, das ist den Leuten nämlich meist gar nicht wirklich bewusst und eher wurscht. Der Verkehr ist allgemein sehr stark gewachsen, z.B. durch den Trend zu immer größeren Entfernungen zwischen Wohn- und Arbeitsort. Oder selbst die alte Behörden-Bundesbahn wäre nicht einfach auf dem Stand von 1993 stehengeblieben, wie manchmal getan wird. Die Einführung moderner Züge und Stellwerke samt deren geringere Personalkosten hätte dennoch stattgefunden (die SBB fährt auch nicht mit Dampfloks) und wie ich neulich behauptet habe, vielleicht sogar schneller, Thema "Vor der Ausschreibung machen wir nix, wer weiß ob wir die gewinnen".

Übrigens kann man selbst den teilweise dichten Taktverkehr nicht auf die neue bunte Bahnwelt zurückführen. Beim Verkehrsaufkommen von 1993 wüsste ich nämlich nicht, ob es den heute gäbe oder ob der mit dem entsprechenden politischen Willen nicht auch möglich gewesen wäre. Die BEG beschließt heute, was sie fährt, je nachdem was finanziell möglich ist. Das hat zu Zeiten der Bundesbahn im Prinzip auch so ähnlich stattgefunden. Heute sind das eben jährlich um die 6 Mrd. Euro Regionalisierungsgelder, früher hätte man davon gesprochen, dass die Bundesbahn im Regionalverkehr 6 Mrd. Euro Miese gemacht hat. Alles eine Frage der Sichtweise.

Ein Großteil der Einsparungen und Gewinne (!) der letzten Jahre kam übrigens durch den Abbau der eigenen Substanz auf Kosten eines mäßig zuverlässigen Schrumpfnetzes. Auch die angeblichen Einsparungen durch Personalabbau in den 90er Jahren kamen der Staatskasse im Sozialsystem wieder entgegen und der Bahn gelegentlich auch wie neulich z.B. in Mainz. Auch darf man bei den Konzernzahlen nicht vergessen, dass ein großer Teil auch aus dem Auslandsgeschäft stammt und die Bahn heute keine Aufträge mehr annehmen muss, die mehr kosten als sie einbringen.

Man darf sich das nicht so einfach machen. Beispiel: Gut, die Stadtwerke haben aus gewissen Gründen die MVG als Tochterunternehmen gegründet, aber ansonsten ist der Stadtverkehr in München heute kaum anders organisiert als 1993. Trotzdem kann man nicht sagen, dass der Münchner Stadtverkehr auf dem Stand von 1993 stehengeblieben ist, oder?
GSIISp64b @ 29 Nov 2013, 16:48 hat geschrieben:Das ist zwar nicht wirklich ceteris paribus, aber ich sehe darin trotzdem ein Zeichen, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
Kommt drauf an, wo du hin möchtest. ;)
Galaxy @ 29 Nov 2013, 17:29 hat geschrieben:Sorry aber i.d.R ist Staatsbetrieb ein Synonym für Misswirtschaft.
Wir haben heute bei der Bahn weiterhin einen Staatsbetrieb bzw. ganz viele, bis auf einige Güterbahnen und andere seltene Ausnahmen hängen da ja überall mehrheitlich Staaten oder Kommunen mit drin.

Auch in der Privatwirtschaft wird fleißig Geld versenkt und falsch gewirtschaftet. Wenn die Firmen besonders groß sind, fällt das eben manchmal auf. Schlecker ist pleite, Quelle ist pleite, Praktiker ist pleite, Mercedes hat mit Chrysler einen Haufen Geld versenkt, BMW tat ähnliches mit Rover und über mit Steuergeld gerettete, "notleidende" Banken müssen wir nicht reden. Auch wenn Privatfirmen Gebäude bauen oder Maschinen entwickeln lassen wird gerne mal was teurer als geplant. Eigentlich bei jedem Autohersteller ist die Entwicklung eines Modells am Ende teurer als gedacht. Nur behalten die das möglichst für sich. Für FDP-Sprüche besteht daher eigentlich kein Anlass. ;)

Man darf auch "Staat" und "Politik" nicht verwechseln. Es gibt sicher Berühungspunkte, aber Gemeindeverwaltung und Gemeinderat sind ja z.B. durchaus unterschiedliche Paar Schuhe.
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Beitrag von vuxi »

bayerhascherl @ 29 Nov 2013, 16:20 hat geschrieben: Menschen, die früher Arbeiten erledigten, die heute Maschinen machen, der Kunde selbst machen muss oder auch gar niemand mehr macht/entfallen sind, sind ja nicht aus der Welt. Nur sind sie jetzt frustriert, häufig langzeitarbeitslos oder prekär beschäftigt. Aufjedenfall ist die Summe der Arbeitsplätze deutlich gesunken, darüber dürfen auch statistische Kosmetik nicht hinwegtäuschen.
Du wärst vermutlich auch gegen die Einführung der Mähdrescher/Traktoren gewesen. Da wurden auch eine große Menge Leute durch eine Maschine ersetzt. Die Behauptung, dass die Zahl der Arbeitsplätze gesunken ist würde ich auch nicht als so totsicher ansehen wie du behauptest. Die Zahl der Arbeitsplätze für eher schlecht qualifizierte Menschen mag aber wirklich gesunken sein.
bayerhascherl
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Beitrag von bayerhascherl »

...schon die Wertung von schlecht qualifizierten Arbeitnehmern, im Zuge der Durchökonomisierung der Gesellschaft, finde ich falsch. Wieso ist jemand "schlecht" qualifiziert, wenn er einfach praktische Begabungen hat? Ich bin angehender Jurist und bin schon bei den geringsten handwerklichen Herausforderungen schlicht hilflos und würde mich nie dazu aufschwingen mich später mal, selbst wenn ich promovieren sollte, als "besser" qualifiziert zu betrachten, als zB meine Friseurin (ICH kann keine Haare schneiden, ohne dass mein "Opfer" hinterher entstellt ist... sie hat das nicht studiert, deswegen ist die Qualifikation nicht "schlechter"). Und ein guter Pizzabäcker hat ein Talent, was viel wert ist wenn man Hunger hat und/oder gesellig mit Freunden beisammen sitzen will im Restaurant, aber es gibt dafür kein Zertifikat, auch der beste Pizzabäcker Deutschlands müsste sich als "Ungelernter" beim Jobcenter vorstellen, wenn er mal seinen Job verliert. Das sind für mich einfach die falschen Maßstäbe für Fertigkeiten.

Es ist so, dass viele Arbeitsplätze entfallen sind, die nicht an höhere Formalqualifikationen als Hürden gekoppelt sind, inkl. dem komplett überflüssigen Trend zur "Höherqualifizierung", bis dahin dass man aus uralten Anlernberufen wie Gebäudereiniger Lehrberufe gemacht hat. Wieder eine Hürde mehr aufgebaut, mit zweifelhaftem Nutzen - aber irgendwie muss man ja einen Arbeitsmarkt verwalten, in dem die tollen Jobs nicht aus dem Boden sprießen, bloß weil inzwischen fast jeder zweite Schüler Abi macht und ganz tolle Sachen mit Auslandssemester usw. studiert. Das führt ebenso zu einem enormen Druck auf Menschen, die aus diversen Gründen einfach keine längere Formalbildungslaufbahn durchlaufen konnten, wie der Trend zur Automatisierung, der sich ja auch nur insofern finanziell "lohnt", weil die Folgekosten (Arbeitslosigkeit und Minderbeschäftigung) sozialisiert werden und die Effizienzsteigerungen privatisiert werden. Leider hat die Politik den Fehler gemacht, die wachsenden Löcher in den Sozialversicherungen steuerlich auszugleichen (alleine der Rentenzuschuss entwickelt sich zu einer Art "Schwarzem Loch"), anstatt die Wirtschaft voll an den Folgen dieser Ideologie zu beteiligen, so dass ein Umdenken stattfinden könnte. Mit dem Gipfel, dass man Lohndumping inzwischen sogar schon staatlich de facto fördert, indem jeder Chef sagen kann, dessen Mitarbeiter bei Vollzeitarbeit nicht einmal soviel verdient wie das Existenzminimum nach ALGII beträgt, "hol dir den Rest vom Jobcenter" (d.h. vom Staat). Jobs, wo einem der Chef ins Gesicht schaut und sagt "Okay, ich geb dir eine Chance, bis Morgen!" und die Sache dann läuft, wenn der Mann oder die Frau ehrliche Maloche abliefert, die gibt es quasi nicht mehr. Und genau darum haben wir einen so hohen "Sockel an Langzeitarbeitslosigkeit" (wie sich technokratisch gerne die Politiker ausdrücken). Das ist eine persönliche Härte für diese Menschen und ökonomisch für die Gesellschaft ein wachsendes Problem. Diese Mitbürger erwerben ja beispielsweise auch keine Rentenansprüche, damit ist neue Altersarmut als Massenphänomen in der Zukunft in Deutschland vorgezeichnet.

Bezieht man das alles in die Gesamtrechnung mit ein, dann muss man einfach anders über Arbeitsmarktpolitik sprechen, als bisher. Und ich sage, schon rein ökonomisch, man muss und soll Menschen ohne (ausreichendes) Einkommen finanziell unterstützen. Aber grundsätzlich würde ich bevorzugen, Arbeitsplätze zu fördern, anstatt Arbeitslosigkeit finanzieren zu müssen, auch im Sinne der Menschen, denn arbeitslos zu sein ist mit Sicherheit kein Vergnügen. Und ja, bei all den Modewörtern von Innovation und wie flexibel man sein muss, lebenslanges lernen, meine Güte: es gibt einfach Leute die haben halt nicht das Talent zum Abitur, an der Oberstufenmathe bin ich auch regelmäßig verzweifelt. Und die laufen immer wieder gegen Mauern und werden zusätzlich noch unter Druck gesetzt, weil bei uns ja jeder seines Glückes Schmied sei und demzufolge ganz allein für Scheitern verantwortlich. Wer keinen Job findet bemühe sich nicht zu stark oder sei zu schlecht qualifiziert, wer sich nicht höherqualifiziert sei selbst schuld, verweigere sich gar (Sanktionen im Leistungsbezug),.. ich will mir gar nicht vorstellen, was für ein Dasein das sein muss, wenn man sich einmal in dieser Spirale befindet und abgeschrieben wurde. Wieviel erfüllter wären viele Menschen, wenn man stattdessen zB bei einem staatlichen Eisenbahnunternehmen durchaus sinnvolle Jobs schafft, die sich aber scharf betriebswirtschaftlich kalkuliert nicht rechnen. Gepäckträger, Lotsen an den Fahrkartenautomaten für Ältere, Reisebegleiter für Kinder die alleine reisen,..an Arbeit per se mangelt es uns nicht! Wieso nicht Leuten eine sinnvolle Tätigkeit geben, in dem Beispiel Fahrgästen helfen und dabei unter dem Strich kaum mehr auszugeben, aber dadurch auch die Binnenkonjunktur zu stärken (Leute mit geringen Einkommen leben "von der Hand in den Mund" und geben das was sie an Einkommen erzielen wieder aus, Vermögensbildung betreibt man nicht mit 1.200 netto). Mit positiven Rückkoplungseffekten auf andere Arbeitsplätze, Steuereinnahmen, usw.

Das soll kein fertiges Konzept sein um Deutschland umzukrempeln, ich denke ich drücke mich eh schon zu lange aus (aber auch gerade lang genug, um zu sagen, was ich ausdrücken will). Aber ich denke, es ist klar, worum es mir im Kern ging, als ich diesen Aspekt angesprochen habe. Ansonsten gebe ich dir natürlich unumwunden recht!
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Beitrag von Galaxy »

Rohrbacher @ 29 Nov 2013, 18:07 hat geschrieben: Wir haben heute bei der Bahn weiterhin einen Staatsbetrieb bzw. ganz viele, bis auf einige Güterbahnen und andere seltene Ausnahmen hängen da ja überall mehrheitlich Staaten oder Kommunen mit drin.
Sage ich auch immer. Immerhin muss die DB als AG eine ordentliche Buchhaltung führen.
Auch in der Privatwirtschaft wird fleißig Geld versenkt und falsch gewirtschaftet. Wenn die Firmen besonders groß sind, fällt das eben manchmal auf. Schlecker ist pleite, Quelle ist pleite, Praktiker ist pleite, Mercedes hat mit Chrysler einen Haufen Geld versenkt, BMW tat ähnliches mit Rover und über mit Steuergeld gerettete, "notleidende" Banken müssen wir nicht reden. Auch wenn Privatfirmen Gebäude bauen oder Maschinen entwickeln lassen wird gerne mal was teurer als geplant. Eigentlich bei jedem Autohersteller ist die Entwicklung eines Modells am Ende teurer als gedacht. Nur behalten die das möglichst für sich. Für FDP-Sprüche besteht daher eigentlich kein Anlass. ;)
Ja, und Firmen wie Schlecker haben für ihre Misswirtschaft die Quittung bekommen. Wäre Schlecker ein Staatsbetrieb wäre dieses miserable Unternehmen noch am Markt. Für die betroffenen Arbeitnehmer ist das natürlich schlimm, aber ansonsten vermisst keiner Schlecker, die Kunden sind all bei DM, und Rossmann unter gekommen. Natürlich werden in der Privatwirtschaft Modelle oft teurer als gedacht. Ich habe ja selber die Boeing 787 genannt. Nur Boeing bleibt auf den Mehrkosten sitzen, die ~800 Bestellungen die die vor dem Erstflug hatten werden nicht teurer. Die können natürlich versuchen die Mehrkosten auf neue Bestellungen zu übertragen, dann laufen die aber gefahr sich aus dem Markt zu preisen.

Das mit den Banken ist allerdings ein guter Einwand. Das "to big to fail" Dilemma muss gelöst werden, damit Banken die versagen vom Markt verschwinden.
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