Ohne Ausbau der S4-West wird nach der Elektrifizierung 2020 kein einziger Nahverkehrszug zusätzlich verkehren. Für einen über 300 Mio Euro teuren Ausbau ein Armutszeugnis. Die Gemeinden dürfen bei der Modernisierung von Bahnübergängen, Brücken und Unterführung mitfinanzieren, aber bekommen nicht einmal die Brosamen von der Elektrifizierung über ein verbessertes Nahverkehrsangebot ab. In den vergangen Tagen startete ich deshalb eine Briefaktion an MdBs, MdLs, Bürgermeister und Landräte entlang der Stecke. Werden Sie aus dem Dornröschenschlaf erweckt?
Hier mein Schreiben:
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Derzeit laufen die Planungen der Elektrifizierung der Bahnstrecke München-Lindau auf Hochtouren, in diesem Jahr wird die Planfeststellung eingeleitet, 2017 ist mit Baurecht zu rechnen und 2020 wird die elektrifizierte Strecke in Betrieb gehen. Zwar ermöglicht die rund 300 Millionen Euro teure Elektrifizierung schnellere und doppelt so viele Fernverkehrszüge München-Zürich, aber wegen des Nadelöhrs zwischen München und Geltendorf wird kein einziger zusätzlicher Nahverkehrszug verkehren. Zwar wurde der Ausbau dieser Strecke vom Landtag einstimmig gefordert, doch passiert ist nichts. Die Staatsregierung hat den Ausbau Pasing- Buchenau 2013 als Fern- und 2014 als Nahverkehrsprojekt beim Bund angemeldet, aber die Planung kommt nur schleppend voran, und die Finanzierung ist alles andere als gesichert. Ich bitte daher die Politiker entlang den Bahnstrecken München-Allgäu sich bei Staats- und Bundesregierung vehement dafür einzusetzen, dass das Nadelöhr München-Geltendorf bis zur Einweihung der Elektrifizierung 2020 beseitigt wird.
Vor fast drei Jahren liess ich ausgewählten Lokalpolitikern entlang den Bahnstrecken ins Allgäu ein
Schreiben zukommen, in dem ich eindringlich davor warnte, dass es ohne einen Ausbau der 34 Kilometer langen zweigleisigen Mischverkehrstrecke zwischen Pasing und Geltendorf (S4 West) zu Fahrplanchaos nicht nur bei der S-Bahn, sondern auch im Regional- und Fernverkehr kommen würde. Das Schreiben habe ich beigelegt. Sehr erfreut war ich, dass mein Schreiben fast wortwörtlich in einem
Landtagsantrag von 2012 übernommen wurde und vom Landtagsplenum einstimmig verabschiedet wurde. Leider gaben sich die Landtagsabgeordneten mit der lapidaren Antwort der Staatsregierung zufrieden, die Deutsche Bahn plane das Fernverkehrsangebot ohne einen Ausbau im S-Bahnbereich. Was diese Antwort bedeutet, hat Harald Strassner von DB Netze im Oktober 2014 klar gemacht (
Süddeutsche Zeitung, 2.10.2014): Die Anzahl der Regionalzüge bliebe nach der Elektrifizierung unverändert. Strassner räumte ein, dass es bitter sei, die Kapazitäten, die die Elektrifizierung für den Regionalverkehr ins Allgäu schafft, nicht nutzen zu können.
Wie gross das Potenzial für eine Ausdehnung des Regionalverkehrs auf der Strecke München-Allgäu ist, wurde im Rahmen der vorzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung zur Elektrifizierung München-Lindau publik gemacht (
Prognose Zugzahlen). Heute verkehren zwischen Geltendorf und Kaufering 75 Züge des Nahverkehrs, nach Elektrifizierung (und Streckenausbau Pasing-Buchenau bzw. Eichenau) sollen es 134 sein, also 80% mehr.
Die Politiker entlang den Bahnstrecken ins Allgäu müssen sich deshalb unbedingt für den Streckenausbau Pasing-Eichenau stark machen. Bis Herbst 2015 wird der Gesamtplanentwurf des Bundesverkehrswegeplans 2015 erarbeitet. Bereits im Vorfeld sollen die Volksvertreter bei Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt – in seinem Wahlkreis Weilheim liegen die betroffenen Bahnhöfe Geltendorf und Kaufering – vorstellig werden, um auf diese Synergien zwischen dem von Bayern angemeldeten Projekt S4 West und der Elektrifizierung Lindau-München hinzuweisen. Da der Streckenausbau eine Mischverkehrsstrecke betrifft, sollten die Politiker auch bei der Staatsregierung vorstellig werden. Zwar hat der Staatsminister des Inneren,
Joachim Herrmann, im Mai 2015 verkündet, er wolle den 3-gleisigen Ausbau Pasing-Eichenau rasch vorantreiben. Seither wurde jedoch nichts mehr von diesem Projekt gehört. Das Projekt wurde im Herbst letzten Jahres zum Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz beim Bund angemeldet, aber dies garantiert noch lange nicht dessen Finanzierung. Von einer vorzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung geschweige denn einer Einleitung der Planfeststellung ist weit und breit nichts zu hören. Auf einer
Liste der dem Innenministerium unterstellten Bayerischen Eisenbahngesellschaft zur Infrastrukturplanung Bahnknoten München ist der Ausbau der S4 West nicht einmal erwähnt. Dies lässt die Befürchtung aufkommen, dass der S4-Ausbau bei der Staatsregierung keine hohe Priorität geniesst.
Auffallend ist auch, dass sowohl das
Gutachten zu Bewertung der Elektrifizierung von 2006 als auch das Gutachten zur
Gutachten zu Bewertung des viergleisigen Ausbaus Pasing-Eichenau von 2012 von einer viel zu niedrigen Ausdehnung des Nahverkehrs ausgehen. So geht das Elektrifizierungsgutachten nur von 54 Nahverkehrszügen (27 pro Richtung) zwischen Geltendorf und Buchloe aus (siehe Seite 10), jene zur S4 West nur von 110 Zügen (55 pro Richtung) aus. Gemäss Harald Strassner von DB Netze werden jedoch 2025, unter der Annahme, dass beide Projekte verwirklicht werden, 134 Züge verkehren. Damit ist davon auszugehen, dass beide Projekte isoliert betrachtet wurden, und die Synergieeffekte unberücksichtigt blieben. Beide Gutachten haben daher den Nutzen der jeweiligen Ausbaumassnahmen systematisch unterschätzt.