Balduin @ 7 Apr 2015, 21:35 hat geschrieben:Ich hab mal gehört es soll Zugsicherungssysteme und Stellwerke geben, die einen Lokführer beeinflussen und er dagegen nur bedingt etwas machen kann, und das auch auf der hintersten Bimmelbahn.
Dann hast Du das aber nicht von jemand gehört, der Ahnung hat. Den Lokführer steuert niemand fern - und die Lok auch nicht.
Man hat nur Systeme, die einen mehr (LZB, ETCS) oder weniger (PZB, Krokodil, ...) großen Teil der häufigsten Fehler verhindern (aber nie alle Fehler verhindern können!). Im Störungsfall können alle diese Systeme überbrückt werden - gegen mutwillige Fehlhandlungen hat kein System eine Chance.
Du weißt schon dass seit den 80ern auch Züge mit diversen Bordcomputern vollgestopft sind die alles mögliche erledigen?
Bordcomputer in den 80ern? Träum weiter. Einzig auf einem geringen Teil der Fahrzeuge die LZB.
Die Indusi z.B. wird schon sehr viel länger verwendet. Ist zwar kein Computer, aber auch ein automatisches System. Software ist prinzipiell nichts anderes.
Die Indusi ist kein automatisches System, sondern ein Überwachungssystem - in der ursprünglichen Form basierend auf einigen wenigen rein mechanischen Komponenten.
Software ist erheblich etwas anderes, weil das eine ganz andere Komplexität hat.
Es gab mal eine Prämisse: Menschen sind schlechte Beobachter, aber gute Entscheider - Computer hingegen schlechte Entscheider, aber gute Beobachter. Entsprechend hat man die Funktionen und Aufgaben in der Luftfahrt aufgeteilt. Man täte gut daran, dies nicht zu ändern.
Bei der Bahn ist man in der Hinsicht schon weiter, dort entscheided zum Teil schon der Computer. Und es wird immer mehr. Genauso wird es früher oder später in der Luftfahrt kommen, wie auch im Straßenverkehr und allen anderen möglichen Bereichen des Lebens.
Ein Computer mit heutiger Technologie wird immer in bestimmten Situationen versagen. Heutige Systeme arbeiten nach Regeln (und zu gewissem Teil auch auf maschinellem Lernen), die durch den Entwickler vorgegeben wurden. Ein Entwickler kann bei komplexen Aufgabenstellungen aber nie alle möglichen Situationen berücksichtigen.
Bei der Bahn ist die Situation einfach: Wenn Strecke frei, dann gebe dem nächsten Zug die Fahrerlaubnis. Auf dem Fahrzeug: Wenn Fahrerlaubnis, dann fahre. Das sind einfache, simple Regeln, die Menge der möglichen Eingaben ist begrenzt (ja, natürlich ist ETCS aufwendiger, und damit nicht mehr trivial, aber die Zahl der mögichen Eingaben ist begrenzt, damit ist das ganze - fehlerfreies Arbeiten vorausgesetzt (das es natürlich auch nicht gibt) - zumindest theoretisch beherrschbar). Der Grundzustand (der z.B. bei nicht plausibler Eingabe eingenommen wird) ist einfach stehen bleiben. das ist realisierbar.
In der Luftfahrt sieht das ganz anders aus. Hier haben wir eine große Zahl verschiedener Eingaben, die das System beeinflussen. Ein Entwickler kann nie alle möglichen Situationen vorhersehen. Und genau hier kommt der Pilot ins Spiel - der kann nämlich, im Gegensatz zum Entwickler ohne Glaskugel, den konkreten Fall sehen, und darauf reagieren. Auch auf einen Fall, den es noch nie gegeben hat, und der daher in der Software nicht vorgesehen ist.
Den Regelbetrieb kann der Autopilot schon lange erfassen - aber für die seltenen Spezialfälle muss der Pilot immer in der Lage sein, einzugreifen.
Ändern wird sich das frühestens, wenn die Forschung in der künstlichen Intelligenz deutliche Fortschritte gemacht hat - wobei ich da aber nicht sicher bin, ob ich einen solchen Fortschritt will.....
Und das sage ich als jemand der des Öfteren selbst mit technischen Geräten im allgemeinen und PCs im besonderen auf dem Kriegsfuß steht.
Und das sage ich als hauptberuflicher Softwareentwickler.
JeDi @ 7 Apr 2015, 21:56 hat geschrieben:Es gibt Technik, die das Verhalten des Lokführers (zur sicheren Seite hin) absichert. Gibt es Züge, die nicht nur automatisch Bremsen, sondern auch automatisch fahren können?
Na klar. Jeder ICE und viele Güterzüge z.B.
Balduin @ 7 Apr 2015, 23:09 hat geschrieben:Vollbahnen und Flugverkehr könntest ebenfalls dahin bringen. Wäre halt mit entsprechenden Aufwand verbunden hinsichtlich die Zugänglichkeit von außen weiter einzuschränken und alle möglichen Störgrößen sensorisch zu erfassen. Ist technisch schon heute möglich, nur noch viel zu teuer.
Nein, es ist nicht möglich, weil die nötige Zuverlässigkeit nicht erreicht werden kann. Das ganze scheitert bereits daran, dass bei einer Vollbahn die Anfahrt eines Mitarbeiters je nach Ort des gestörten Zuges u.U. Stunden dauern kann - und beim Flieger ist die Anreise eines Mitarbeiters, der das gestörte Flugzeug sicher landet, völlig unmöglich. Im Störfall werden aber auch weiterhin Menschen gebraucht.
Bis zur vollzogenen Anbringung von ausreichenden Sandstreuapparaten an allen Maschinen haben die Bahnwärter bei aufwärtsgehenden Zügen auf stärkeren Steigungen die Schienen ausgiebig mit trockenem Sand zu bestreuen und für die Bereithaltung eines entsprechenden Vorrathes zu sorgen.
Fahrdienstvorschrift bayerische Staatsbahnen 1876