Schienenknallen

Rund um die Technik der Bahn
G. Schwerl
Jungspund
Beiträge: 9
Registriert: 20 Apr 2015, 01:06

Beitrag von G. Schwerl »

Hallo zusammen!

Die knallenden, peitschenden Geräusche der Gleise beim Vorbeifahren eines Zugs – kommen die vom gestaucht werden der Schienen, bzw. längen/erhitzen sich diese kurzfristig unter dem Gewicht?

Und wenn ich das so richtig rate: Da es ja keine Lücken zwischen den Schienen mehr gibt, wie kommt ein Schienenstrang auf Dauer damit klar? Also ohne dass sich etwas lockert, die Schrauben raustattert usw.

(Laienfrage, youknow :rolleyes: Hoffentlich im richtigen Forum/Thread..)

Grüsse!
Benutzeravatar
hmmueller
König
Beiträge: 989
Registriert: 22 Apr 2011, 14:39
Wohnort: Grafing
Kontaktdaten:

Beitrag von hmmueller »

Was knallt und peitscht da?
Wenn ich am Münchner Ostbahnhof einem ICE oder neuen Containertragwagen oder in Grafing einem Railjet bei der Durchfahrt zuhöre, dann laufen die sehr ruhig über die Schienen drüber - da hör ich eigentlich keine "unstetigen" Geräusche ...

H.M.
Meine Eisenbahngeschichten - "Von Stellwerken und anderen Maschinen ..."
Die Organe der Bahnerhaltung sind ermächtigt, den Arbeitern zur Aneiferung angemessene Quantitäten von Brot, Wein oder Branntwein unentgeltlich zu verabfolgen. Nr. XXVII - Vorschriften für das Verhalten bei Schneefällen, K. k. Österreichische Staatsbahnen, Gültig vom 1. Oktober 1906; Artikel 14(5)
Benutzeravatar
Entenfang
"Lebende Forenlegende"
Beiträge: 8139
Registriert: 27 Aug 2012, 23:19
Wohnort: München

Beitrag von Entenfang »

Willkomen bei uns!
Hoffentlich im richtigen Forum/Thread..
Ja. :)
Die knallenden, peitschenden Geräusche der Gleise beim Vorbeifahren eines Zugs
Falls du das normale Fahrgeräusch eines fahrenden Zuges meinst, dürfte es sich wohl um das Abrollgeräusch der Räder auf den Schienen sowie insbesondere bei höheren Geschwindigkeiten um aerodynamische Verwirbelungen handeln.
Dass sich die Schienen nennenswert unter dem Gewicht eines Zuges verformen und dadurch Geräusche entstehen, wäre mir nicht bekannt. Sehr wohl aber kommt es zur Schienenerwärmung durch die Benutzung der Wirbelstrombremse beim ICE 3, die verursacht aber keine Geräusche.
Da es ja keine Lücken zwischen den Schienen mehr gibt, wie kommt ein Schienenstrang auf Dauer damit klar? Also ohne dass sich etwas lockert, die Schrauben raustattert usw.
Die Schienen werden verschweißt und die thermische Ausdehnung und Kontraktion damit behindert. Das bedeutet natürlich, dass es in der Schiene zu Spannungen kommt, wenn die Schienentemperatur höher oder niedriger als zum Zeitpunkt des Schweißens liegt. Im Winter wirken damit Zugkräfte, im Sommer Druckkräfte. Wenn die zu stark werden, würde es im Winter zu einem Schienenbruch und im Sommer zu einer Gleisverwerfung kommen.
Für die Schienenbefestigungen ist das nicht so problematisch, hier sind vor allem die Erschütterungen das Problem, die die Schraube lockern würden, wie du schon richtig vermutet hast.

In den Anfängen der Eisenbahnzeit wurden Schienennägel verwendet. Aber die haben sich natürlich relativ schnell gelockert.

Weltweit verbreitet hat sich der Oberbau K, in Deutschland werden heute üblicherweise Oberbau KS (bei Holzschwellen) und Oberbau W (bei Betonschwellen) verwendet. Eine schöne Übersicht gibt es hier.

Was eigentlich alle heutigen Schienenbefestigungen gemeinsam haben, ist eine wie auch immer eingebaute Feder, die dafür sorgt, dass sich die Schraube nicht einfach rausleiert. Hier z.B. beim Oberbau K sehr schön zu sehen.

Ich hoffe mal, das war einigermaßen verständlich und beantwortet deine Frage...
Mein Bahnjahr 2024
Zurückgelegte Strecke: 30.060 km - Planmäßige Gesamtreisezeit: 16,1 Tage - Gesamtverspätung (analog FGR): 626 min - Planmäßige Reisegeschwindigkeit: 78 km/h - Durchschnittliche Fahrzeitverlängerung aufgrund von Verspätung: 2,7% - Fahrtkosten: 10,6 Cent/km - Anschlussquote (alle Anschlüsse einer Verbindung mit min. 1 Umstieg erreicht): 87,5%
G. Schwerl
Jungspund
Beiträge: 9
Registriert: 20 Apr 2015, 01:06

Beitrag von G. Schwerl »

Danke Dir Entenfang!!! auch für die guten Links!

Ja, es ist alles beantwortet, von einem Wanderschutz wusste ich bis dato nichts, der dürfte einiges übernehmen.

@ Hmmueller: Vielleicht liegts an der Horchebene :ph34r: Am Bahnsteig oder sonstwie 'drüber' hört mans weniger als beim Radeln oder Gehen am darüberliegenden Bahndamm, wo sich ein Zug durch diese Geräusche ankündigt, bevor man ihn selbst hört (also die Maschine und die Rollgeräusche)
Benutzeravatar
hmmueller
König
Beiträge: 989
Registriert: 22 Apr 2011, 14:39
Wohnort: Grafing
Kontaktdaten:

Beitrag von hmmueller »

Ich werd' einmal drauf aufpassen ...

Der Vollständigkeit halber noch die zwei "unstetigen" Geräusche, die's nicht so selten gibt - leider ohne Fotos:

* Vor allem in der Nähe von Haltepunkten und vor Ausfahrsignalen sind die Schienen oft von durchdrehenden Rädern von Anfahrversuchen eingeschliffen. Beim schnellen Drüberfahren kann's da schon sehr krachen - fast so wie bei einem Schienenstoß.

* Darüberhinaus gibt's manchmal Brüche der Schienenoberfläche, die dann so ziehharmonikaartig zusammengeschoben werden. Auch dort entsteht ziemlich bald eine Delle in der Schienenoberfläche samt entsprechendem Krach.

(Sorry, dass mir für beides die Fachausdrücke momentan entfallen sind ...).
Meine Eisenbahngeschichten - "Von Stellwerken und anderen Maschinen ..."
Die Organe der Bahnerhaltung sind ermächtigt, den Arbeitern zur Aneiferung angemessene Quantitäten von Brot, Wein oder Branntwein unentgeltlich zu verabfolgen. Nr. XXVII - Vorschriften für das Verhalten bei Schneefällen, K. k. Österreichische Staatsbahnen, Gültig vom 1. Oktober 1906; Artikel 14(5)
Benutzeravatar
Galaxy
Lebende Forenlegende
Beiträge: 3292
Registriert: 07 Mär 2011, 18:17

Beitrag von Galaxy »

Entenfang @ 20 Apr 2015, 10:40 hat geschrieben:Die Schienen werden verschweißt und die thermische Ausdehnung und Kontraktion damit behindert. Das bedeutet natürlich, dass es in der Schiene zu Spannungen kommt, wenn die Schienentemperatur höher oder niedriger als zum Zeitpunkt des Schweißens liegt. Im Winter wirken damit Zugkräfte, im Sommer Druckkräfte. Wenn die zu stark werden, würde es im Winter zu einem Schienenbruch und im Sommer zu einer Gleisverwerfung kommen.
Was muss man berücksichtigen in einem Klima wie z.B. Wyoming wo ein normaler Winter Temperaturen von unter -40 C (kann aber auch unter -50 C sein), im Sommer häufig über +30 C (möglich aber auch +40 C) aufweist, mit häufigen Tag/Nacht Schwankungen von über 20 C?

Gibt es spezielle Legierungen, oder Gleiskörper die diesem Klima entgegenkommen, oder muss man einfach agieren nach dem Prinzip "Shit happens" und permanent messen, und reparieren? Macht es einen Unterschied wenn man die Gleise bevorzugt bei einen Temperatur Mittelwert schweißen würde? Wäre HGV mit den erforderlichen geringen Toleranzen überhaupt sinnvoll machbar?
mapic
Lebende Forenlegende
Beiträge: 2684
Registriert: 03 Apr 2004, 11:57
Wohnort: Holzkirchen
Kontaktdaten:

Beitrag von mapic »

Bei durchgängig verschweißten Schienen ist es sogar zwingend notwendig, das Schweißen bei einer ganz bestimmten Temperatur der Schiene (über die gesamte Länge) durchzuführen. Und das gilt nicht nur für besondere Klimaverhältnisse, sondern überall. Die kritischen Schweißungen können z.B. im Sommer tagsüber meist gar nicht durchgeführt werden, weil die Schienen dann zu warm sind. Die Spannung im Winter wäre dann zu hoch.
Weitere Informationen: http://www.gleisbau-welt.de/site/schweisse...ralisation.html
Benutzeravatar
hmmueller
König
Beiträge: 989
Registriert: 22 Apr 2011, 14:39
Wohnort: Grafing
Kontaktdaten:

Beitrag von hmmueller »

... wobei man tendenziell eher bei höheren Temperaturen verschweißt, weil sich bei niedrigeren Temperaturen dann Zugspannungen ergeben, die der Gleisrost besser verkraftet (es muss nur genügend Seitenverschiebewiderstand in gekrümmten Gleisen vorhanden sein, d.h. die Vorstopfung vor den Schwellenköpfen muss sauber durchgeführt sein). Druckspannungen durch Ausdehnung sind kritischer.

Die genauen Temperaturen müsste ich irgendwo rausgraben (hat aber sicher hier schneller jemand bei der Hand - hängen von Schienentyp ab), aber als Faustregel glaube ich mich zu erinnern, dass man ideal um den "2/3-Punkt" schweißt, also etwa bei einem Temperaturhub von -25°...50° (in der Sonne!), also bei einem Delta-T von 75° bei 2/3 davon über dem niedrigsten Wert, also bei -25° + 2/3 * 75° = -25° + 50° = +25°.

H.M.
Meine Eisenbahngeschichten - "Von Stellwerken und anderen Maschinen ..."
Die Organe der Bahnerhaltung sind ermächtigt, den Arbeitern zur Aneiferung angemessene Quantitäten von Brot, Wein oder Branntwein unentgeltlich zu verabfolgen. Nr. XXVII - Vorschriften für das Verhalten bei Schneefällen, K. k. Österreichische Staatsbahnen, Gültig vom 1. Oktober 1906; Artikel 14(5)
Auer Trambahner
*Lebende Forenlegende*
Beiträge: 10819
Registriert: 04 Mai 2005, 08:58
Wohnort: Drunt in da greana Au
Kontaktdaten:

Beitrag von Auer Trambahner »

Wegen dem "peitschenden" Geräusch. Das klingt für mich nach der Oberleitung.
Der mit dem Ölkännchen tanzt!
Benutzeravatar
Entenfang
"Lebende Forenlegende"
Beiträge: 8139
Registriert: 27 Aug 2012, 23:19
Wohnort: München

Beitrag von Entenfang »

hmmueller @ 20 Apr 2015, 20:04 hat geschrieben:[...]Druckspannungen durch Ausdehnung sind kritischer.


H.M.
Dazu kommt noch, dass man über einen Schienenbruch meistens noch drüberfahren kann, während eine Verwerfung häufig zur Entgleisung führt.

Die genauen Temperaturen müsste ich irgendwo rausgraben (hat aber sicher hier schneller jemand bei der Hand - hängen von Schienentyp ab), aber als Faustregel glaube ich mich zu erinnern, dass man ideal um den "2/3-Punkt" schweißt, also etwa bei einem Temperaturhub von -25°...50° (in der Sonne!), also bei einem Delta-T von 75° bei 2/3 davon über dem niedrigsten Wert, also bei -25° + 2/3 * 75° = -25° + 50° = +25°.
Wir hatten als Faustregel genau den arithmetischen Mittelwert + 3° Zuschlag, da Verwerfung gefährlicher als Bruch. Zusätzlich noch + 3° bei Wirbelstrombremse. Aber das war nur eine Grundlagenveranstaltung, genaue Werte oder Werte für verschiedene Legierungen kann ich nicht liefern. Ausschlaggebend für die Spannung ist abgesehen vom Temperaturunterschied noch der Schienenquerschnitt.

Formelmäßig sieht das Ganze so aus:
Sigma = Alpha * E * delta T
Spannung [N/mm^2] = Wärmedehnungskoeffizient [1/K] * Elastizitätsmodul [N/mm^2] * Temperaturunterschied [K] (in eckigen Klammern die Einheiten: Newton und Kelvin)
Berechnung (für Stahl für den Wert von H.M.): Max. Spannung = 1,115*10^-5 [1/K] * 2,1 * 10^5 [N/mm^2] * 50 [K] = 117 [N/mm^2]
Jetzt muss man diesen Wert noch mit dem Schienenquerschnitt multiplizieren (Bsp. Der Standard in Europa, die UIC 60-Schiene hat 7690 mm^2)

Max. Zugkraft = max. Spannung * Querschnitt =117 [N/mm^2] * 7690 [mm^2] = 899730 [N] = 900 [kN] -> gar nicht wenig!

Gut, genug der Wiederholung Schienenverkehrsanlagen :D
Mein Bahnjahr 2024
Zurückgelegte Strecke: 30.060 km - Planmäßige Gesamtreisezeit: 16,1 Tage - Gesamtverspätung (analog FGR): 626 min - Planmäßige Reisegeschwindigkeit: 78 km/h - Durchschnittliche Fahrzeitverlängerung aufgrund von Verspätung: 2,7% - Fahrtkosten: 10,6 Cent/km - Anschlussquote (alle Anschlüsse einer Verbindung mit min. 1 Umstieg erreicht): 87,5%
143
König
Beiträge: 920
Registriert: 18 Jul 2010, 09:18

Beitrag von 143 »

könnte der Beschreibung nach auch rollierende Radsätze gewesen sein.

Oder meinst Du schlichtweg das typische pfeifende Geräusch der Schienen bei herannahendem Zug?
VossBär
Haudegen
Beiträge: 655
Registriert: 16 Dez 2006, 09:12

Beitrag von VossBär »

Nach dem vielen Gerate hätte ich auch noch eine Theorie.
Vll. wurde das Peitschen/ Knaller in bzw. in der Nähe einer Kurve gehört.
Das könnte durch den Schlupf der starren Achsen verursacht sein. Weil das kurvenäußere Rad schneller drehen müßte als das innere. Aber das geht ja nicht. Und hoffentlich habe ich das jetzt richtig geschrieben. :ph34r:
146225
*Lebende Forenlegende*
Beiträge: 18043
Registriert: 01 Apr 2007, 17:45
Wohnort: TH/EDG

Beitrag von 146225 »

Stahl hat nebenbei ja auch noch eine eigene Geräuschkulisse - will also sagen, der darüber fahrende Zug löst in der Schiene eine bestimmte Tonlage an Klang aus, die per se einfach durch den Werkstoff bestimmt da ist, aber deswegen weder fehlerhaft noch gefährlich?

Oder, auch banal: Fahrzeuge mit Flachstellen im Zugverband?
München kann jeder. Duisburg muss man wollen!
143
König
Beiträge: 920
Registriert: 18 Jul 2010, 09:18

Beitrag von 143 »

VossBär @ 20 Apr 2015, 21:09 hat geschrieben: Nach dem vielen Gerate hätte ich auch noch eine Theorie.
Vll. wurde das Peitschen/ Knaller in bzw. in der Nähe einer Kurve gehört.
Das könnte durch den Schlupf der starren Achsen verursacht sein. Weil das kurvenäußere Rad schneller drehen müßte als das innere. Aber das geht ja nicht. Und hoffentlich habe ich das jetzt richtig geschrieben. :ph34r:
Stichwort: Konizität
Benutzeravatar
Luchs
Lebende Forenlegende
Beiträge: 2034
Registriert: 07 Apr 2007, 11:33
Wohnort: München

Beitrag von Luchs »

Weiters Stichwort Sinuslauf.

Luchs
G. Schwerl
Jungspund
Beiträge: 9
Registriert: 20 Apr 2015, 01:06

Beitrag von G. Schwerl »

Also – komischerweise– ist es mir nach Entenfangs und hmmuellers Erläuterungen und dem Link zur Gleisbaufirma völlig einsichtig, wie das Geräusch entsteht.

So hab ichs verstanden: Dem Gleisstrang gehts wie einem Seil, das man in der Hand hält und ihm einen Höhenschlag mitgibt. Dann läuft eine Welle durch das Seil hindurch.
Der fahrende Zug stresst das Material vor sich her, quasi, erst recht wenn leichte Höhenunterschiede da sind (wie von Hmmueller beschrieben) und diese Kraft pflanzt sich fort, bringt die Schiene quasi leicht zum flattern, schwingen - genauso hört sichs an. Und deshalb auch der Wanderschutz, da ist es in seinen Ursachen beschrieben.

Das Geräusch kommt nicht von der Oberleitung und ob es in Kurven auftritt, keine Ahnung... ich kenns von den schnellen Streckenabschnitten.
Benutzeravatar
Entenfang
"Lebende Forenlegende"
Beiträge: 8139
Registriert: 27 Aug 2012, 23:19
Wohnort: München

Beitrag von Entenfang »

Um wilde Spekulationen zu vermeiden, wäre es vielleicht zweckmäßig, ein Video mit dem entsprechenden Geräusch zu zeigen. Bei der Eisenbahn gibt es schließlich ziemlich viele mögliche Geräuschquellen.
Mein Bahnjahr 2024
Zurückgelegte Strecke: 30.060 km - Planmäßige Gesamtreisezeit: 16,1 Tage - Gesamtverspätung (analog FGR): 626 min - Planmäßige Reisegeschwindigkeit: 78 km/h - Durchschnittliche Fahrzeitverlängerung aufgrund von Verspätung: 2,7% - Fahrtkosten: 10,6 Cent/km - Anschlussquote (alle Anschlüsse einer Verbindung mit min. 1 Umstieg erreicht): 87,5%
G. Schwerl
Jungspund
Beiträge: 9
Registriert: 20 Apr 2015, 01:06

Beitrag von G. Schwerl »

Gerne!

Youtube -Link
bei Min. 2:20- 22 (peitschen) und nochmal deutlicher (knallen) 3:41 bis 3:46.

Wie die Schiessereien in einem 40 Jahre alten Western :)
Benutzeravatar
hmmueller
König
Beiträge: 989
Registriert: 22 Apr 2011, 14:39
Wohnort: Grafing
Kontaktdaten:

Beitrag von hmmueller »

2:20 sind anlaufende Spurkränze in der Kurve.

3:41 sind Schläge aufgrund minimaler Unebenheiten in den Schienen (etwa die von mir erwähnten Anschleifungen aufgrund von Anfahrversuchen, aber auch leichte Dellen an den Schweißstellen - der geschweißte Stahl ist ein wenig weicher als der Schienenstahl [ich glaube, weil nicht oberflächenvergütet], dadurch entsteht im Lauf der Zeit an diesem "Stoß" doch eine leichte Delle).
Meine Eisenbahngeschichten - "Von Stellwerken und anderen Maschinen ..."
Die Organe der Bahnerhaltung sind ermächtigt, den Arbeitern zur Aneiferung angemessene Quantitäten von Brot, Wein oder Branntwein unentgeltlich zu verabfolgen. Nr. XXVII - Vorschriften für das Verhalten bei Schneefällen, K. k. Österreichische Staatsbahnen, Gültig vom 1. Oktober 1906; Artikel 14(5)
Benutzeravatar
guru61
Kaiser
Beiträge: 1184
Registriert: 20 Mär 2011, 08:24
Wohnort: Arolfingen

Beitrag von guru61 »

G. Schwerl @ 20 Apr 2015, 21:48 hat geschrieben: Also – komischerweise– ist es mir nach Entenfangs und hmmuellers Erläuterungen und dem Link zur Gleisbaufirma völlig einsichtig, wie das Geräusch entsteht.

So hab ichs verstanden: Dem Gleisstrang gehts wie einem Seil, das man in der Hand hält und ihm einen Höhenschlag mitgibt. Dann läuft eine Welle durch das Seil hindurch.
Der fahrende Zug stresst das Material vor sich her, quasi, erst recht wenn leichte Höhenunterschiede da sind (wie von Hmmueller beschrieben) und diese Kraft pflanzt sich fort, bringt die Schiene quasi leicht zum flattern, schwingen - genauso hört sichs an. Und deshalb auch der Wanderschutz, da ist es in seinen Ursachen beschrieben.

Das Geräusch kommt nicht von der Oberleitung und ob es in Kurven auftritt, keine Ahnung... ich kenns von den schnellen Streckenabschnitten.
Hallo
seit ich regelmässig an der NBS in der Schweiz Fotos mache, und abei längere Zeit an der strecke Warte, kann ich bestätigen, dass sich die Gleise, mitunter mit einem "Twäng" melden.
Besonders am Morgen, wenn sie frisch besonnt werden.
Trotz aller Theorie, gibt halt manchmal was bei der Spannung etwas nach, dass sich in einem Petschenartigen Geräusch äussert.
So wie hier bei 23.04:
https://www.youtube.com/watch?v=FHPQy1-S_F8

In der Zeit, da ich dort stand, es waren ca 2 Std, trat das Geräusch etwa 10 Mal auf. Es kam wirklich vom Gleis.

Gruss Guru
Gruss Guru
Bild
Benutzeravatar
hmmueller
König
Beiträge: 989
Registriert: 22 Apr 2011, 14:39
Wohnort: Grafing
Kontaktdaten:

Beitrag von hmmueller »

Na das is'n Ding - sowas hab ich noch nie gehört ... schon das Knacken, wenn die Spannung in einer Schiene so groß wird, dass sie sich in einer Schienenbefestigung verschiebt.

Aber das darauffolgende "Wisch": Ist das das Hin- und Herlaufen der Schallwelle in der Schiene? Rein prinzipiell ist die Schallgeschwindigkeit in Stahl um die 5 km pro Sekunde - das würde man nie so hören. Gibt es in diesem Fall Reflexionen der Welle irgendwo (an der nächsten Weiche? an einer viel festeren Einspannung etwa an einer festen Fahrbahn?), und die sich überlagernden Schwingungen erzeugen diesen "relativ langsam laufenden" Schalleffekt?

Strange ...

H.M.
Meine Eisenbahngeschichten - "Von Stellwerken und anderen Maschinen ..."
Die Organe der Bahnerhaltung sind ermächtigt, den Arbeitern zur Aneiferung angemessene Quantitäten von Brot, Wein oder Branntwein unentgeltlich zu verabfolgen. Nr. XXVII - Vorschriften für das Verhalten bei Schneefällen, K. k. Österreichische Staatsbahnen, Gültig vom 1. Oktober 1906; Artikel 14(5)
G. Schwerl
Jungspund
Beiträge: 9
Registriert: 20 Apr 2015, 01:06

Beitrag von G. Schwerl »

Aber das darauffolgende "Wisch": Ist das das Hin- und Herlaufen der Schallwelle in der Schiene? Rein prinzipiell ist die Schallgeschwindigkeit in Stahl um die 5 km pro Sekunde - das würde man nie so hören. Gibt es in diesem Fall Reflexionen der Welle irgendwo (an der nächsten Weiche? an einer viel festeren Einspannung etwa an einer festen Fahrbahn?), und die sich überlagernden Schwingungen erzeugen diesen "relativ langsam laufenden" Schalleffekt?


Es wird die Luft sein, die wischt, wenn die Schallgeschwindigkeit im Stahl so hoch ist.
(Wie bei einer Peitsche, da knallt auch die Luft und nicht die Peitsche, die sehr schnell sich fortsetzende Welle in der Schnur durchbricht beim Knall die Schallmauer)
Benutzeravatar
hmmueller
König
Beiträge: 989
Registriert: 22 Apr 2011, 14:39
Wohnort: Grafing
Kontaktdaten:

Beitrag von hmmueller »

Mhm ... ich sag einmal: nein. Luft "knallt" (oder "wischt") doch nicht, sondern irgendwas erzeugt einen solchen Schall, der dann über die Luft zu uns kommt.

Wenn eine Druckfront sich mit Schallgeschwindigkeit an uns vorbeibewegt, hören wir nicht was "vorbeilaufendes", sondern höchstens die Überlagerung aller Wellen als Überschnallknall. Daher muss sich in dem Video irgendetwas "ziemlich langsam" (mit ein paar 100 km/h, also weit unter Schallgeschwindigkeit in Luft) bewegen.
* Doch eine Druckwelle im Stahl, die aber durch die Befestigungen massiv runtergebremst wird?
* Oder die Oberleitung (die Wellengeschwindigkeiten dort liegen m.W. um die 300...400 km/h)?

:unsure:

H.M.

// Edit: Tippf.
Meine Eisenbahngeschichten - "Von Stellwerken und anderen Maschinen ..."
Die Organe der Bahnerhaltung sind ermächtigt, den Arbeitern zur Aneiferung angemessene Quantitäten von Brot, Wein oder Branntwein unentgeltlich zu verabfolgen. Nr. XXVII - Vorschriften für das Verhalten bei Schneefällen, K. k. Österreichische Staatsbahnen, Gültig vom 1. Oktober 1906; Artikel 14(5)
Benutzeravatar
Galaxy
Lebende Forenlegende
Beiträge: 3292
Registriert: 07 Mär 2011, 18:17

Beitrag von Galaxy »

Ein wirklich interessanter Thread. Ich danke für die Antworten. :)
hmmueller @ 21 Apr 2015, 17:33 hat geschrieben:Mhm ... ich sag einmal: nein. Luft "knallt" (oder "wischt") doch nicht, sondern irgendwas erzeugt einen solchen Schall, der dann über die Luft zu uns kommt.

Wenn eine Druckfront sich mit Schallgeschwindigkeit an uns vorbeibewegt, hören wir nicht was "vorbeilaufendes", sondern höchstens die Überlagerung aller Wellen als Überschnallknall. Daher muss sich in dem Video irgendetwas "ziemlich langsam" (mit ein paar 100 km/h, also weit unter Schallgeschwindigkeit in Luft) bewegen.
* Doch eine Druckwelle im Stahl, die aber durch die Befestigungen massiv runtergebremst wird?
* Oder die Oberleitung (die Wellengeschwindigkeiten dort liegen m.W. um die 300...400 km/h)?
Das ist eher Ansichtssache. Was man letztendlich hört sind die Luftmoleküle die in Bewegung versetzt werden. Natürlich ist die Ursache dieser Verdrängung nicht die Luft selber. Spätestens beim Überschallknall würde ich sagen das die Luft selber den Knall erzeugt. Denn der Knall entsteht weil die Luftmoleküle sich nicht schnell genug bewegen und gegeneinander knallen.

Schallwellen sind etwas über das es einen erstaunlichen Mangel an Wissen gibt. Als Space Shuttle Columbia auseinander brach konnte die Analyse der Trümmer die dokumentierte Zerstörung nicht erklären. Natürlich verursacht strukturelles versagen bei Mach 18+ große Zerstörung, aber es wurden Legierungen mit hohen Titan Anteil pulverisiert. Man vermutet das sich mehrfach überlappende Hyperschallwellen eine dynamischen Prozess ausgelöst haben. Der Leiter der Untersuchung war übrigens der Ehemann einer der Columbia Astronauten.... Wenn man sich anschaut wie schwer die Industrie im 21 Jahrhundert mit Hyperschall zurechtkommt, ist es schon erstaunlich das mit Rechenschieber konstruierte Flugzeuge wie die Blackbird, oder Valkyrie mit MAch 3+ fliegen konnten.
143
König
Beiträge: 920
Registriert: 18 Jul 2010, 09:18

Beitrag von 143 »

hmmueller @ 21 Apr 2015, 08:59 hat geschrieben: 2:20 sind anlaufende Spurkränze in der Kurve.

3:41 sind Schläge aufgrund minimaler Unebenheiten in den Schienen (etwa die von mir erwähnten Anschleifungen aufgrund von Anfahrversuchen, aber auch leichte Dellen an den Schweißstellen - der geschweißte Stahl ist ein wenig weicher als der Schienenstahl [ich glaube, weil nicht oberflächenvergütet], dadurch entsteht im Lauf der Zeit an diesem "Stoß" doch eine leichte Delle).
bei dem Kurvenradius werden die Spurkränze nicht anlaufen. Tippe mal auf Bohrschlup bzw. Querschlupf.

Ist das eigentlich die Unterwesterwaldbahn? Wenn ja an welcher Stelle genau?
Benutzeravatar
hmmueller
König
Beiträge: 989
Registriert: 22 Apr 2011, 14:39
Wohnort: Grafing
Kontaktdaten:

Beitrag von hmmueller »

Da kann man schon drüber diskutieren ... aber das da
Denn der Knall entsteht weil die Luftmoleküle sich nicht schnell genug bewegen und gegeneinander knallen.
stimmt nicht. Der "Knall" ist tatsächlich eine kegelförmige Druckfront, an der durch Überlagerung aller Schallwellen, die vom "Projektil" ausgehen, die Amplitude formal unendlich, in der Praxis sehr hoch wird. Deshalb entsteht der Knall auch nicht einmal, sondern diese Druckfront läuft rund um das und insbesondere unter dem Projektil mit, und jeder, über den sie drüberfährt, hört "seinen" Knall.
... bei dem Kurvenradius werden die Spurkränze nicht anlaufen. Tippe mal auf Bohrschlup bzw. Querschlupf.
Ich sage gleich, dass das nicht mein Fachwissen ist: Aber ich glaube das nicht. Der "Sound" des Schlupfes ist nach meinem Dafürhalten ein ziemlich tiefes Knattern oder Rattern.
Ich bleibe bei meinem Spurkranzanlauf - der Sinuslauf eines Schienenfahrzeuges, insbesondere der führenden Achsen, ist ja bei weitem nicht so "schön", wie uns das die Theoretiker immer hinmalen, sondern wird überlagert durch Zufallsbewegungen und zusätzliche Schwingungen aus dem Zugverband und aus der Antriebsstrecke. Alle diese Effekte erzeugen Bewegungsamplituden, die sich zufällig überlagern - und da kann es auch bei größeren Radien schon dazu kommen (aber dann eben wie hier selten), dass zufällig alle Amplituden in dieselbe Richtung gehen und sich so hoch aufaddieren, dass es zum Anlauf kommt ...
Ich kenne den Radius an der gezeigten Stelle nicht, aber soviel ich mich grob erinnern kann, werden Spurkranzschmierungen schon bei Radien unter 300m aktiv - und das macht ja nur Sinn, wenn auch dort schon Spurkranzanlauf vorkommt.
Meine Eisenbahngeschichten - "Von Stellwerken und anderen Maschinen ..."
Die Organe der Bahnerhaltung sind ermächtigt, den Arbeitern zur Aneiferung angemessene Quantitäten von Brot, Wein oder Branntwein unentgeltlich zu verabfolgen. Nr. XXVII - Vorschriften für das Verhalten bei Schneefällen, K. k. Österreichische Staatsbahnen, Gültig vom 1. Oktober 1906; Artikel 14(5)
143
König
Beiträge: 920
Registriert: 18 Jul 2010, 09:18

Beitrag von 143 »

hmmueller @ 21 Apr 2015, 20:29 hat geschrieben: Ich sage gleich, dass das nicht mein Fachwissen ist: Aber ich glaube das nicht. Der "Sound" des Schlupfes ist nach meinem Dafürhalten ein ziemlich tiefes Knattern oder Rattern.
Ich bleibe bei meinem Spurkranzanlauf - der Sinuslauf eines Schienenfahrzeuges, insbesondere der führenden Achsen, ist ja bei weitem nicht so "schön", wie uns das die Theoretiker immer hinmalen, sondern wird überlagert durch Zufallsbewegungen und zusätzliche Schwingungen aus dem Zugverband und aus der Antriebsstrecke. Alle diese Effekte erzeugen Bewegungsamplituden, die sich zufällig überlagern - und da kann es auch bei größeren Radien schon dazu kommen (aber dann eben wie hier selten), dass zufällig alle Amplituden in dieselbe Richtung gehen und sich so hoch aufaddieren, dass es zum Anlauf kommt ...
Ich kenne den Radius an der gezeigten Stelle nicht, aber soviel ich mich grob erinnern kann, werden Spurkranzschmierungen schon bei Radien unter 300m aktiv - und das macht ja nur Sinn, wenn auch dort schon Spurkranzanlauf vorkommt.
Also i.d.R. hat man rund 10 mm Spurspiel (je nach Abnutzung von Rad und Schiene auch mehr). Da müssten dann schon ziemlich hohe Gleislageabweichungen vorhanden sein. Würde ich ausschließen. Außerdem wären das ja dann eher singuläre Ereignisse und nicht so was lang andauerndes.
Aber das mit denn 300 m Bogenradius stimmt in etwa. Nach Augenmaß sind das in der Kurve aber mehr. 300m sind schon sehr wenig. Davon abgesehen rechnen auch die "Theoretiker" nicht mit idealem Gleis - höchstens bei reinen Lastannahmerechungen (VDV 152).

Für mich klingt das nach wie vor nach kraftschlußinduziertem Schlupf.

Ratterschwingungen liegen übrigens bei rund 20-40 Hz, das hier ist wesentlich mehr.
mapic
Lebende Forenlegende
Beiträge: 2684
Registriert: 03 Apr 2004, 11:57
Wohnort: Holzkirchen
Kontaktdaten:

Beitrag von mapic »

hmmueller @ 21 Apr 2015, 20:29 hat geschrieben: Ich kenne den Radius an der gezeigten Stelle nicht, aber soviel ich mich grob erinnern kann, werden Spurkranzschmierungen schon bei Radien unter 300m aktiv - und das macht ja nur Sinn, wenn auch dort schon Spurkranzanlauf vorkommt.
Das dürfte je nach Fahrzeug recht unterschiedlich sein. Ich hab grad mal nachgeschaut. Beim Integral wird unter 800m bei mehr als 20 km/h geschmiert.
Benutzeravatar
Wildwechsel
"Lebende Forenlegende"
Beiträge: 6891
Registriert: 21 Jan 2003, 12:50
Wohnort: München

Beitrag von Wildwechsel »

143 @ 21 Apr 2015, 20:40 hat geschrieben: Für mich klingt das nach wie vor nach kraftschlußinduziertem Schlupf.
Vorweg: hierzu bin ich auch völliger Laie. Aber ich habe mir erst das Video angesehen beziehungsweise angehört, und dann hier gelesen. Und beim Anhören war ich gedanklich sofort beim Schlupf. Für anlaufende Spurkränze finde ich gerade kein Beispiel auf Youtube, in der Realität würde mir spontan die Kurve von München Nord nach München Allach einfallen.
Beste Grüße usw....
Christian


Die drei Grundsätze der öffentlichen Verwaltung in Bayern:
1. Des hamma no nia so gmacht
2. Wo kamat ma denn da hi
3. Da kannt ja a jeda kemma
G. Schwerl
Jungspund
Beiträge: 9
Registriert: 20 Apr 2015, 01:06

Beitrag von G. Schwerl »

Mhm ... ich sag einmal: nein. Luft "knallt" (oder "wischt") doch nicht, sondern irgendwas erzeugt einen solchen Schall, der dann über die Luft zu uns kommt.


Also Schall, der unser Ohr erreicht, sind wellenförmig sich ausbreitende Zonen mehr oder weniger verdichteter Luftmoleküle, soweit schon einverstanden?
(Drum ist Schallgeschwindigkeit in der Luft auch temperaturabhängig, sprich abhängig von der Bewegung der Moleküle)

Bei einem Knall (wie eben beim Durchbruch der Schallmauer) kommt eine Druckwelle aus stark verdichteten Luftmolekülen daher.
Das wischen oder zischen davor ist diese sehr schnell beschleunigende Welle im Material, die Luftmolekülverbände zu entsprechenden Wellenmustern anschubst (– ein Lautsprecher macht auch nichts anderes als das)

Im Gegensatz zu peitschenden Schienen sind wenigstens peitschende Peitschen gut erforscht :)
Die Mechanik einer durch einen Seil laufenden Welle beruht auf dem Prinzip der Lagrange'sche Bewegungsgleichung. Die kinetische Energie beschleunigt das freie Seilende in Bruchteilen einer Sekunde auf die Schallgeschwindigkeit und darüber. So entsteht der charakteristische Peitschenknall.

http://www.science-at-home.de/referate/peitsche.php

Wenn man die entsprechende Stelle auf 23:04 im Video auf 0.25 faches Tempo verlangsamt, hört man noch deutlicher den typischen Nachhall des Peitschens.
Antworten