Catracho @ 27 Nov 2015, 07:26 hat geschrieben:
Ich will da jetzt nicht zu weit ausschweifen, aber dazu nur folgendes. So große Freunde der direkten "von unten" Demokratie ihr Schweizer auch sein mögt, auch sie birgt, genau wie die repräsentative "von oben" Demokratie ihre Risiken und Probleme. Beide Prinzipien haben ihre Vor- und Nachteile und die direkte Demokratie und Volksabstimmungen mitsamt ihrer Ergebnisse können ebenso zu massivem Unrecht führen, wie die Entscheidungen "unserer" Politiker "von oben". Die Einführung des Frauenwahlrechts in der Schweiz ist da ein schönes Beispiel. Insofern kann ich die Reserviertheit gewisser Politiker vor Volksabstimmungen durchaus nachvollziehen, das kann nämlich ebenso gut in die Hose gehen. Und dann zu sagen "aber es ist doch die Mehrheitsmeinung" macht es eben auch nicht besser. Letzten Endes ist keines der beiden Systeme besser oder schlechter oder gar ideal. Mal trifft das eine gute oder schlechte Entscheidungen, mal das andere.
Mfg
Catracho
Hallo
Grundsätzlich gebe ich dir Recht.
Aber: Schauen wir mal die Geschichte der Schweiz und diejenige Deutschlands an:
Das Territorium der Schweiz ist seit 1815 unverändert (von marginalem Landabtausch, infolge von Bauarbeiten etc. mal abgesehen), seit 1848 haben wir die Staatsform und seit 1850 die gleiche Währung. Der letzte Krieg auf Schweizer Boden war 1847. Er dauerte vom 3. November bis zum 29. November 1847. Seitdem konnte der Bewohner also sein Vermögen in Sach- oder Geldwerten aufbauen und vermehren. Ohne Angst zu haben dass es verloren ging.
Das Referendums- und Initiativrecht auf Bundesebene wurde in der heutigen Form bis 1891 eingeführt. Ein Angriffskrieg konnte sich die Schweiz nie leisten. Einfach deshalb, weil niemand hingegangen wäre. Da bin ich sicher: Das Volk hätte sich gegen jeden Angriffskrieg ausgesprochen. Also den Politikern waren in dieser Sache die Hände gebunden.
Schauen wir mal bei Euch:
1866, Preußisch-Österreichischer Krieg, Ausgelöst von Preussen,
Verluste:
Österreich: 1.313 Offiziere, davon 330 gefallen, und 41.499 Mann, 5.328 gefallen
Sachsen: 55 Offiziere, davon 15 gefallen, sowie 1.446 Mann, davon 120 gefallen
Preußen: 359 Offiziere, davon 99 gefallen, sowie 8.794 Mann, davon 1.830 gefallen
Die Streitkräfte Preußens, Italiens und ihrer Alliierten hatten insgesamt etwa 37.000 Tote und Verwundete zu beklagen, deutlich weniger als ihre Kontrahenten.
Quelle: Wiki
1870 1871, Deutsch-Französischer Krieg, Ausgelöst durch Provokation von Preussen ("Emser Depesche" Quelle: O. v Bismarck, Gedanken und Erinnerungen)
Verlust der Deutschen 49.380 Tote, der Franzosen 138.900 Tote (Quelle: Brockhaus, bei Zeno.org)
1914 -1918, Erster Weltkrieg
Verluste:
http://de.statista.com/statistik/daten/stu...-1914-bis-1918/
Fast 9.5 Millionen.
1939 - 1945, Zweiter Weltkrieg
Die Kriegstoten der gelisteten Staaten ergeben eine Summe von ca. 65 Millionen Menschen, darunter mehr als die Hälfte Zivilisten Quelle: Wiki.
Fazit:
Ein ziemlicher Erfolg der Deutschen Politiker, die alle bei der Auslösung dieser Kriege massgeblich mitgewirkt haben.
Was man immer vergisst sind die Einzelschicksale hinter diesen Zahlen: Zwei Beispiele aus meiner Familie:
Mein Grossvater, aus der Ostmark

, wurde im Russlandfeldzug verwundet, und es mussten ihm mehrere Zehen amputiert werden. Fazit: r konnte seinen Beuf nicht mehr ausüben und musste sich zeitlebens als Handlanger auf Baustellen verdingen.
Der Grossvater meiner Frau, wurde im 1. Weltkrieg infolge eines Gasangriffes blind. Er bekam in Klagenfurt eine Traffik. Das sicherte zwar das überleben, aber er und seine Familie mussten immer untendurch.
Kommen wir zur Vernichtung des Vermögens: Der Franken besteht seit 1850. Regulär abgewertet wurde er einmal in den 30er Jahren, um 15%.
Im Gegensatz hat Deutschland im letzten Jahrhundert zweimal seine Währung auf null abschrieben: Das erste mal bei der galoppierenden Inflation und das zweite mal nach 45. Wer in der DDR wohnte, kam dann 1990 nochmals in den Genuss einer massiven Vermögensreduktion.
Auch hier ein Beispiel: Der Mann meiner Taufpatin war Auslandsschweizer und wurde 1918 in Ostpreussen geboren. Er erzählte mir selber noch, wie sein Vater, am Freitag buchstäblich rennen musste um Lebensmittel mit dem Lohn zu kaufen. Am Montag wäre das Geld schon weniger wert gewesen.
Ich glaube, jeder der in einer Familie lebt, die im zweiten Weltkrieg ausserhalb der Schweiz lebte, kann solche Geschichten en Masse bringen, was ein Krieg für Auswirkungen fürs einfach Volk hat.
Denn der Krieg muss immer unten ausgefressen werden. Die Schweine, die ihn ausgelöst haben, die sorgen schon dafür, dass sie ihre Schäfchen auf dem trockenen haben.
Ich gebe Dir grundsätzlich recht, dass auch in einer direkten Demokratie Entscheide fallen, die nicht besonders vernünftig sind. Das Frauenstimmrecht ist eine der schlechten Entscheidungen. Aber: ganz überspitzt gefragt: Ist das Frauenwahlrecht (nur Wahlrecht, denn ein Stimmrecht haben weder die Männer noch die Frauen in Deutschland in Bundessachen) 2 Weltkriege wert?
Dann kommt noch was: Ich glaube, ein Stimmbürger der am Sonntag Morgen seinen Stimmzettel einwirft, ausgeschlafen und nüchtern, wird sicher die besseren Entscheidungen treffen, als Politiker die nach einem Sitzungsmarathon, mit viel Alkohol, um 3 Uhr morgens zu einer Einigung kommen.
Ich bin sicher, ein LKW Chauffeur würde in dem Zustand in dem die Politiker die Sitzungen verlassen, aus dem Verkehr gezogen und müsste seinen Ausweis längere Zeit abgeben.
Die Geschichte zeigt nun: Wir haben seit 1847 Ruhe im Land, Ihr musstet Deutschland dauernd neu aufbauen.
Gruss Guru