Tag 11 Warendorf -> München
Der Koffer wird zugeklappt und die Heimreise angetreten. Für die Anreise zum Bahnhof probiere ich gleich mal ein weiteres öffentliches Verkehrsmittel aus: Den
Bürgerbus.
Für 1€ bekomme ich eine 25-minütige
Stadtrundfahrt.
Mit +4 kommt der Sprinter mit genau acht Sitzplätzen. Der Bus wird von Ehrenamtlichen gesteuert und fährt unter der Woche im Stundentakt ohne Voranmeldung.
Ein alter Mann steigt zusammen mit mir an der ersten Haltestelle der Linie ein. „Zur Josefskirche“, erklärt der Mann beim Einsteigen und bezahlt einen Euro. „Ich nehme mal an, Sie wollen zum Bahnhof?“, werde ich gefragt. Das ist korrekt.
In diversen
Schleifen werden die umliegenden Wohngebiete in 30er-Zonen durchfahren.
Wegen einer gesperrten Straße wird der Bus am Stadtrand über einen Wirtschaftsweg im Wald gewendet. Es ist ein sonniger Tag und im Bus ist es ziemlich heiß. Entweder es gibt keine Klimaanlage oder sie wird aus irgendwelchen Gründen nicht benutzt.
Unterwegs steigt ein Rentnerpaar ein und wieder aus, dann eine Frau, die am Bahnhof noch sitzen bleibt. Wir behalten die leichte Verspätung bis zur Ankunft. Nach zehn Minuten Aufenthalt fährt der Bus wieder zurück.
Aufgrund des späten Betriebsbeginns und der langen Fahrzeit ist der Bus nicht für Pendler geeignet. Zielgruppe sind eindeutig alte Menschen und dafür ist es meiner Ansicht nach genau das richtige Konzept. Die lange Fahrzeit ist bei kurzen Fußwegen verkraftbar und die Fahrt ohne Voranmeldung macht die Nutzung einfach, auch wenn es beim Arzt mal länger dauert.
Einzig das Fahrplankonzept erschließt sich mir nicht auf Anhieb. Offensichtlich ist ein Anschluss von/nach Münster vorgesehen.
Bus an x:01
Zug ab x:13
Zug an x:50
Bus ab x:11
Dabei wird die Chance auf den Anschluss aus Richtung Rheda verschenkt (Zug an x:09) bzw. besteht nur mit hohem Risiko.
Durch ein Verschieben des kompletten Umlaufes um 4 Minuten würden immerhin 3 von 4 Umsteigebeziehungen abgedeckt, davon 2 mit sehr günstiger Umsteigezeit.
Bus an x:05
Zug nach Münster ab x:13
Zug aus Münster an x:50
Zug aus Rheda an x:09
Bus ab x:15
Nachteil wären natürlich die „gewonnenen“ zusätzlichen 4 Minuten Umsteigezeit aus Richtung Münster.
Der heutige Reiseplan sieht recht entspannt aus:
Warendorf.........ab 12:13
ERB 74417
Münster Hbf.......an 12:45
.........................ab 13:10
ERB 90023
Warburg............an 15:16
.........................ab 15:23
RE 4663
Kassel-Wilh........an 15:57
.........................ab 16:23
ICE 881
München Hbf......an 19:40
Pünktlich startet die Fahrt mit der Eurobahn und ich bin verrückt genug, die BÜ bis Münster zu zählen. Es sind 59, davon 47 unbeschrankt. Der Abschnitt Warendorf – Telgte ist mit Abstand der Schlimmste.
Der Bedarfshalt Everswinkel liegt treffsicher in der 500 Hz-Beeinflussung der 20 km/h am BÜ, genau wie der Halteplatz in Warendorf, obwohl es hier vermeidbar wäre.
Am Esig Münster sehen wir wegen Deckungssignal in Bahnsteigmitte Hp2 Zs3 2. Über die ewig lange Einfahrstrecke geht mindestens eine Minute verloren.
Der Münsteraner Hbf wird zurzeit in einen Glaskomplex umgebaut.
Weiter geht es im Flirt 2 der Eurobahn nach Warburg und Bielefeld. Nach pünktlicher Abfahrt stehen wir ewig in Münster-Hiltrup, anschließend Zwangsbremsung vor Rinkerode. Während die Auslastung zu Beginn noch etwa 50% beträgt, lässt sie bald nach. Erst ab Paderborn füllt sich der Zug wieder. Die Verspätung von zwischenzeitlich 10 Minuten ist mittlerweile durch die längeren Aufenthalte in Hamm und Paderborn wieder abgebaut. Nach einem roten Esig und einer anschließenden Zwangsbremsung lande ich mit +2 in Warburg. Der RE nach Kassel kommt wenige Minuten später.
Da kann die Fahrgastmeute schon mal den Kopf verdrehen. Ich wusste gar nicht, dass hier 612er fahren. Auf der Hinfahrt war es ein 628. Im RE findet eine Fahrgastbefragung statt, doch dieses Mal werden nur die genutzten Tickets abgefragt, nicht die Reisekette.
Leicht hinter Plan komme ich in Kassel-Tiefgarage an.
Eine Ludmilla tuckert durch das Gleisvorfeld
Daraufhin wird die Fahrt mit +6 fortgesetzt.
Die umgekehrte Wagenreihung mit der 2. Klasse an der Zugspitze kommt mir äußerst gelegen. Ingolstadt wird überpünktlich erreicht. Freie Fahrt bis zum Ziel
Planmäßig endet die Reise unter dem Grundig-Schriftzug. Ob es wohl meine letzte sein wird?
Fazit
Den Regionalverkehr auf den kleinen Nebenstrecken habe ich als gut funktionierend erlebt. Häufige Umstiege und kurze Umsteigezeiten stellen kein Problem dar. In den meisten größeren Bahnhöfen gibt es gute Taktknoten. Tariflich ist die Situation ziemlich komplex. Auch wenn das Personal gerne weiterhilft, empfiehlt es sich, selbst vorher zu recherchieren. Den günstigsten Preis erreicht man oft nur durch Stückelung. In vielen Unternehmen existiert allerdings die Weisung, Stückelungen nicht aktiv anzubieten.
Die Anerkennung der variantenreichen regionalen Angebote ist recht gut. Nur nützt das wenig, wenn man die günstigste Fahrkarte weder am Startbahnhof noch im Zug kaufen kann. Leider ist ein völlig undurchschaubarer Urwald an Angeboten entstanden, in welchem sich auch das Personal verirrt. Und ständig werden neue Bäume gepflanzt… Haben die Informationen über regionale Angebote im Bayern-Kursbuch 2009 noch auf drei Seiten gepasst, benötigt man im Aktuellen bereits neun.
Wenn Oma mit ihren zwei Enkeln in Oelsnitz in die VBG einsteigt und zur Zub „Ich hätte gerne eine Fahrkarte nach Dessau mit BC 50. Kann ich die bei Ihnen kaufen?“ sagt, so muss die Antwort selbstverständlich „Ja.“ lauten. Und der Preis sollte derselbe sein, egal ob die Fahrkarte bei der DB, bei der VBG, am Automaten, am Schalter, im Internet oder im Zug gekauft wird.
Die Entwicklung zum elektronischen Ticket sehe ich in dieser Hinsicht einerseits als Chance, andererseits aber auch als Risiko. So könnte problemlos der günstigste Tarif vom Start zum Ziel berechnet und die Einnahmen gerecht an alle beteiligten Unternehmen verteilt werden. Doch bis zur ausreichenden Verbreitung von Smartphones oder einem durchgehenden Tarif von Aš nach Cursdorf wird wohl noch viel Wasser den Rhein herunterfließen. An motiviertem Personal mangelt es jedenfalls nicht.
Gesamtfahrpreis Bahn und ÖPNV: 122,10€, davon 3 Fahrten Sommerticket
Gesamtfahrzeit Bahn: 25h 54 min
Gesamtverspätung (analog FGR): 5 min
Gefahrene Bahn-km: 2005
Abschließend möchte ich noch Grüße an alle Zub, Tf und Busfahrer richten, die ich in Gespräche verwickelt habe.
Mein Dank geht an meinen Mitbewohner sowie alle weiteren Beteiligten für ihre Gastfreundschaft und die schönen gemeinsamen Tage. Und danke natürlich für die Geduld bei meinen zahlreichen Fotostops…