Cloakmaster @ 7 Oct 2018, 22:26 hat geschrieben:Eine "reale Arbeitslosenquote im negativen Bereich (während die "offizelle" um die 5% lag) ist auch extrem spannend. Was genau mag man sich denn nun uner der "realen Quote" von minus 1% vorstellen?
Das Diagramm ist tatsächlich ein Knaller, beste Realsatire.
Klar gesagt: Das Diagramm ist Käse. Sieht man schon daran, wenn man den Terminus „Vollzeitäquivalenzarbeitslosenquote“ mal in Google eintippt. Das ergibt keinen genauen Treffer, weder eine Erklärung dieses einzelnen Begriffs noch irgendeine Arbeit oder gar Quelle, die damit hantiert.
Und den Käse sieht man auch schon an der Aufmachung, wenn die dreisätzige „Lesehilfe“ in ihrer Parataxe zuerst deskriptiv die beiden Quoten nennt. Das zeigt schon, welche Zielgruppe damit bedient werden soll – eine, die bereits mit dem Ablesen von Zahlen aus einem Graphen Probleme hat. Das spricht natürlich nicht gegen diese Leute, sondern vor allem gegen die Ersteller dieser, ähm, „Hilfe“, die gleich ihre Interpretation von wegen Propaganda mit zwölf Ausrufezeichen im Subtext hinterher schieben.
Zur Frage selber, das FTE (full time equivalent) ist eher ein Begriff aus der Mikroökonomie; im Wesen geht darum, die notwendige Arbeitsvolumen bzw. -zeit, die real auf verschiedene Stellen (Vollzeit, Teilzeit usw.) verteilt ist, vergleichbar zu machen.
Als gesamtwirtschaftliche, in diesem Sinne makroökonomische Kenngröße ist ein FTE eher ungewöhnlich, aber auch keinesfalls unüblich. Im Wesen geht es auch dort um die Arbeitszeit, zu ihrer Berechnung werden die je nach Betrieb oder Zweig üblichen Arbeitsvolumina durch die ebenso üblichen Vollzeitjahresarbeiten geteilt. Alleine diese verkürzte Definition deutet an, wie komplex die makroökonomische Berechnung ist.
Die, Lesehilfe, so berechnete gesamtwirtschaftliche Arbeitsmenge für die BRD seit 1949 muss für das Diagramm noch durch irgendetwas geteilt werden, es wird ja eine Quote abgebildet. Als „Arbeitslosenquote“ wird das in irgendeinem Maß die verfügbare Anzahl an... an..., ja, an wem denn sein? Nennen wir sie mal potentielle Arbeitsmenge durch gesamtwirtschaftlich verfügbare Erwerbstätige, die es brauchen würde, um die Arbeitsvolumen komplett zu besetzen.
Das kann nämlich erklären, wie es 1949 und 1953 bis 1957 zu negativen Quoten kam. Das (makroökonomisch gesprochen) verfügbare Angebot an Arbeit(-skraft) ließe derart definiert auch negativ darstellen: um die gesamtwirtschaftliche Nachfrage nach Arbeit(-skraft) in Vollzeitstunden zu befriedigen hätte es, vollzeitäquivalent umgerechnet, ein Angebot in dieser und jener Höhe geben müssen. Die Menge konnte der Arbeitsmarkt nicht hergeben und die Lücke an Arbeitskräften ließe sich definitionsgemäß negativ darstellen.
Kurz gesagt, die negative Quote drückt einen Arbeitskräftemangel aus.
So viel zur Erklärung. Das Diagramm krankt, neben den Anmerkungen
Entenfangs über den Mangel des Untersuchungsdesigns, aber auch noch an anderen Sachen. Allem voran mein liebstes Bonmot, es lässt sich nur Gleiches mit Gleichem vergleichen, um Erkenntnisse zu gewinnen. Sonst sind wir ratzfatz wieder an dem Punkt, dass Autofahren doch so viel billiger als Bahnfahren ist, auch wenn der Sprit noch zwofuffzich pro Liter kostet.
Es bleibt aus statistischer Sicht Käse, die übliche Kennzahl „Arbeitslosenquote“ mit einer weitestgehend unbekannten „FTE-Arbeitslosenquote“ zu korrelieren und zu sagen, in Wirklichkeit haben wir 30 Prozent Arbeitslose. Zu unterschiedlich sind die zugrunde gelegten Definitionen, um die Kennzahlen zu ermitteln (nebenbei, genau da sind die Hebel, um die Arbeitslosenstatistik zu kritisieren, aber so etwas lässt sich nicht schmissig in einem Diagramm ausdrücken, ist es doch viel zu abstrakt, wenn ein krank gemeldeter rgistrierter Arbeitsloser sich krank meldet und für diesen Zeitraum aus der Statstik fliegt, weil angeblich nicht arbeitsbereit).
Das stört vor allem an zwei Punkten: Einmal sollte – nein, eher muss – jedem klar sein, der mit abstrakten Kennzahlen hantiert, dass hinter der Arbeitslosigkeit eine große Menge individueller Schicksale stecken, die in der Regel mit heftigen Einschränkungen einhergeht. Und das nicht nur mit dem Bezug von ALG II. Das Bewusstsein fehlt in der grafischen Darstellung.
Und einmal, damit verknüpft, legt die FTE-Quote wie der Name sagt Vollzeit zugrunde. Sie klammert also andere Arbeitsformen, allem voran Teilzeit, aus und impliziert damit, dass individuell nur Vollzeitstellen vorhanden sind. Das ist offensichtlich nicht der Fall. Bei aller notwendigen Kritik am Arbeitsmarkt über die Auswüchse der Lockerungen des Regelarbeitsverhältnisses haben andere Formen, allen voran Teilzeit, ihre Berechtigung.
Das mündet dann in die Sentenz, dass etwa eine Person, die bewusst eine Teilzeitstelle ausfüllt und mit dem erzielten Einkommen zufrieden ist, nicht in der Arbeitslosenquote erfasst ist, in die VZÄ-Quote allerdings als sozusagen „teilzeitarbeitslos“ eingeht.
Und solche Leute wollen die Realität erklären.
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Aus der Beschreibung des Videos:
Hermann Ploppa zeigt in seinem Vortrag, dass die Idee der "Alleinschuld" Deutschland, speziell am [sic] der Vernichtung des jüdischen Lebens in Europa eben nur aus einer speziellen Perspektive erzählt wird, nämlich die anglo-amerikanische Geschichte. Dass gerade die Macht- und Geldeliten in England und den USA den Rassenwahn des 20. Jahrhundert beheizten und förderten wird gekonnt ignoriert oder überhaupt geschichtsrevisionistisch weggelogen.
Gerade aber jetzt, wo in der Gegenwart Menschen wieder über große Teile der Massenmedien, egal ob Mainstream oder alternative Medien, gegeneinander aufgehetzt werden wäre ein gewogener Blick in die Vergangenheit und ihre Macher wichtig und lehrreich.
Mit Gruppe42 freuen wir uns, Hermann Ploppa zu diesem brisanten Thema referieren zu lassen.
Wir wünschen beste Überhaltung! Hermann Ploppa ist Autor und studierter Germanist, machte sich an die Arbeit [sic] um konkreter den Machteliten auf die Finger zu sehen und suchte seine Spuren in Archiven und Bibliotheken - er wurde fündig.
Seine wichtige Arbeit präsentierte er in den Büchern "Hitlers amerikanische Lehrer" [sic] um welches sich auch dieser Vortrag dreht.
Alle neurechten Buzzwörter dabei:
- die „Alleinschuld“ Deutschlands in Anführungszeichen, um auf den Schuldkult zu anzuspielen, der Verweis auf die nationalsozialistische Herrschaft solle noch heute Deutschland klein halten;
- eine „spezielle Perspektive“, um die allgemeine Ansicht abzuwerten und die eigene Ansicht gleichberechtigt daneben stellen zu können;
- anglo-amerikanisch, denn alles Schlechte kommt bekanntlich von dort;
- „Macht- und Geldeliten in England und den USA“, denn alles Schlechte kommt bekanntlich von dort;
- gekonntes Ignorieren, um sich als Aufbereiter der Wahrheit hinzustellen, ist ja alles durch die spezielle Perspektive verdeckt;
- „geschichtsrevisionistisch weggelogen“, um bei aller vorgegaukelten Neutralität die Emotionalisierung nicht zu vergessen und Framing zu betrieben, denn wer auch beim Ablesen von Zahlen aus Diagrammen eine „Lesehilfe“ braucht, darf 1:13:32 Stunden Vortrag nicht unvorbereitet über sich ergehen lassen;
- Aufhetzen in den Mainstream- und alternativen Massenmeiden – bald haben wir wieder Krieg hier!!1elf Ebenso Framing, um den heutigen Zustand als instabil hinzustellen und letztlich Gewalt als legitimes politisches Mittel anwenden zu können;
- „ein gewogener Blick in die Vergangenheit und ihre Macher“ dient nur zur Selbststilisierung und Aufwertung der eigenen Perspektive; man beachte noch die Formulierung, wonach die Macher der Vergangenheit (aus-)gewogener angeblickt werden sollten: nachdem die
JudenGeldelite und der Kriegsgegner in der speziellen Perspektive ja zu positiv wegkommen, ist eigentlich naheliegend, wer gewogener angeschaut werden soll;
- Gruppe 42: Wer bei wiki nachliest, findet nur einen Artikel über eine tschechische Künstlergruppe – diese Gruppe 42 hängt erkennbar Verschwörungstheorien nach und ist bislang wenig beachtet, deswegen auf die Schnelle nur der Verweis auf Psiram;
- „Wir wünschen beste Unterhaltung!“ - merkwürdiger Wunsch bei einem Vortrag. Nichts gegen lockere Vorträge, aber gute Unterhaltung ist da nicht wirklich naheliegend, was wiederum zeigt, dass es weniger darum geht, etwas zu lernen, sich mit etwas auseinanderzusetzen, sondern berieselt zu werden;
- natürlich ein studierter Germanist, das Studium als Ausweis der eigenen Qualifikation, aber merkwürdigerweise sind das irgendwie immer Quereinsteiger in ein Themenfeld. Muss der junge unverbrauchte Blick außerhalb der speziellen Perspektive sein (ob sich die Gruppe 42 ihr verstopftes Klo wohl von einem nicht ausgebildeten Klempner, der früher mal Steuerrecht in Bad Salzuflen gelernt hatte, repaprieren lässt?);
- „konkreter den Machteliten auf die Finger zu sehen“ sprachliche Konkretisierung der Eliten durch bestimmten Artikel, wer genau es ist, wird natürlich nicht gesagt – und immer so eine vermeintlich lockere Phrase, die die Kleinbürgerlichkeit und den engen Horizont des Verfassers ausweist: auf die Finger schauen. Man schaut Kindern und Ladendieben auf die Finger, keiner Gruppe. Man beachte den so installierten Individualkollektiv, die Gruppe steht für einen Menschen, die genau so handelt und jeder Mensch lässt sich 1:1 als Vertreter der Gruppe betrachten.
- „er wurde fündig“ - ausdrücklich ohne Wertung der Qualität, was soll das, irgendwas Offensichtliches extra zu betonen, sonst hätte der Hermann doch keinen Vortrag gehalten;
- „seine wichtige Arbeit“ - erneute Selbstaufwertung
- Buchtitel „Hitlers amerikanische Lehrer“ - ist jetzt klar, wer den Zweiten Weltkrieg vom Zaun gebrochen hat? Was es mit dem Schuldkult auf sich hat...