Was einem manchmal am schönsten stinkt, ist die eigene Dummheit bzw. Ungenauigkeit, gepaart mit leicht widrigen Umständen
Ich war neulich in Italien und wollte von Bologna nach Ferrara mit dem Regionalzug fahren. Also suche ich mir am Vorabend online die Verbindung Bologna ab 10.15h nach Ferrara aus, bin am nächsten Morgen frühzeitig (fast 60 Minuten vor Abfahrt) am Bahnhof in Bologna und kaufe am Touchscreen-Automaten meine Fahrkarte (der Automat sagt mir sogar auf Deutsch: entwerten nicht vergessen! Ist bei allen Regionalzugtickets in Italien Pflicht).
Dann schaue ich auf die in Bologna wirklich sehr riesige und mit zig Zügen vollgepackte Anzeigetafel und sehe angeschrieben: "10.15 Ferrara Gleis 11". Also los zum Bahnsteig, an dem sich Gleis 11 befindet. Auf dem Bahnsteig erstmal einen Entwerter gesucht - es gibt keinen. Also wieder runter in die Unterführung, gleich neben der Treppe ist ein Entwerter, der sogar funktioniert. Hmmmm... wie denn nun das Ticket entwerten? Die Pfeile mit der Aufschrift "Validare" befinden sich auf der Rückseite, also schiebe ich das Ticket so in den Entwerter, dass der Stempelaufdruck auf der Rückseite erscheint. Aber ist das denn nun so richtig? Ich frage lieber nochmal einen Italiener, der oben am Bahnsteig steht und im Raucherbereich raucht. Er schüttelt den Kopf und meint, der Stempelaufdruck müsse auf die Vorderseite des Fahrscheins, und bietet mir sogar an mitzukommen, um mir zu helfen. Ich lehne das dankend ab, ist ja ein leichtes. Also wieder zum gleichen Entwerter, der vor 2 Minuten noch einwandfrei funktioniert hat, und den Fahrschein nochmal auf der Vorderseite entwertet. Nur leider ist diesmal der Stempelaufdruck nicht komplett - sondern nur das linke Drittel ist zu erkennen. Genau das ist mir übrigens vor einigen Monaten auch mal bei einem Entwerter am Münchner Ostbahnhof DB-Teil widerfahren (woraufhin ich die Tageskarte wegschmiss und eine neue Karte an einem anderen Entwerter stempelte, um mögliche Diskussionen bei einer Kontrolle zu vermeiden). Nun gut, was tun mit meinem Trenitalia-Ticket? Ich gehe zum nächsten Entwerter und stemple die Vorderseite nochmal, nun ist der Aufdruck komplett, aber auf der ganz linken Seite sieht man klar, dass da doppelt gestempelt wurde. War dann bei der Kontrolle später aber kein Problem und hat auch keinerlei Diskussion mit der Zugbegleiterin ausgelöst.
Um 9.41 wieder hoch zum Bahnsteig, prima, noch viel Zeit bis zur Abfahrt um 10.15, auf den Bahnsteigen rundherum stehen Regionalzüge in alle Richtungen bereits 30 Minuten vor Abfahrt bereit, es gibt relativ moderne Doppelstock-Wendezüge nach Ravenna und Venedig, einen einstöckigen Zug gebildet aus alten Nahverkehrswagen nach Rimini habe ich vor der Stempelaktion auch noch ausfahren sehen. Mein Gleis dagegen ist noch verwaist, genau wie die Anzeigetafel. Das ändert sich auch erstmal nicht. Um 9.54 kommt ein Zug aus Rimini auf meinem Gleis an, ich denke schon ob der möglicherweise nach einem gewissen Aufenthalt nach Ferrara weiterfahren wird und somit mein Zug sein könnte, doch niemand steigt ein, er blockiert einfach nur 10 Minuten das Gleis und verschwindet dann gegen 10.05 Uhr leer in Richtung Abstellung. Nun werde ich langsam unruhig - nur noch 10 Minuten bis zur Abfahrt, ist immer noch nicht mein Zug angeschrieben oder zu sehen... es wird 10.10, dann 10.15, der Bahnsteig füllt sich merklich mit Leuten, am Nachbarbahnsteig fährt gleich der 10.15h-Doppelstockzug nach Venedig ab, meine Gleis-Anzeigetafel ist immer noch leer. Da kommt um 10.15, also zu meiner eigentlich geplanten Abfahrtszeit, endlich ein fünfteiliger Triebwagen eingefahren, der Anzeige auf dem Innendisplay (Zuglaufanzeige mit allen Halten innen neben der Tür) des Zuges nach gerade aus Ferrara kommend! Einige Fahrgäste steigen aus, und ich stürme mit anderen wartenden Fahrgästen zusammen den Triebwagen. Um 10.16 am Fenster sitzend, sehe ich endlich den Zug auf der Anzeigetafel des Bahnsteigs angeschrieben: Ferrara 10.23h, in der Zeile darunter: Ankunft Ferrara 11.18h. 10.23h? Fast eine Stunde Fahrzeit, wo es doch nur 30 Minuten sein sollten? Jetzt werde ich endgültig stutzig, brauche aber noch einige Minuten des Realisierens und Handy-Recherche während der Fahrt, bis ich endlich kapiere, was ich falsch gemacht habe:
Ich habe in Bologna in der Haupthalle beim Fahrkartenkauf zwar auf der Anzeigetafel gesehen: 10.15h Ferrara Gleis 11.
Das war nur leider die Tafel für ankommende Züge

:ph34r: Die hängt nämlich an italienischen Bahnhöfen leider sehr häufig direkt neben der Anzeigetafel für Abfahrten und ist optisch/baulich nicht wirklich klar voneinander getrennt, so dass man wirklich penibel auf die Aufschrift ganz oben auf der Tafel schauen muss, ob Arrivi oder Partenze draufsteht! Eigentlich ist es auch meistens gar nicht so schlimm, wenn man erstmal den Fehler macht, auf die Ankunftstafel zu schauen, wenn man einen abfahrenden Zug sucht. In meinem Fall kam nur leider auch noch das seltene Unglück dazu, dass genau zur gleichen Minute ein Zug aus Ferrara angekommen ist, in der ich in ebendiese Stadt abfahren wollte!
Als weitere Erschwerung hatte mein ursprünglich geplanter 10.15h-Zug nach Ferrara gar nicht Ferrara als Endziel, sondern Venedig. Es war der Doppelstockzug am Nachbarbahnsteig, den ich eine halbe Stunde lang direkt vor meiner Nase stehen hatte! Leider wird ja auf den mobilen Seiten von Trenitalia und bahn.de das Endziel eines Zuges nicht angezeigt, wenn man eine Verbindung sucht (warum eigentlich nicht, bzw. warum bei bahn.de nur auf der Desktopversion?).
Aber: wie es das Schicksal manchmal gut mit einem überforderten Reisenden meint, hatte ich noch Glück im Unglück und war somit der lucky loser: der 10.23h-Triebwagen nach Ferrara, von dem ich ursprünglich gar nicht wusste, dass es ihn gibt, der aber nach einer 8 Minuten-Kurzwende als Bummelzug mit allen Unterwegshalten direkt 8 Minuten hinter dem Venedig-RE abfährt, hat mich dann nur eine halbe Stunde später als ursprünglich geplant in Ferrara auf den Bahnsteig entlassen, und war zudem noch deutlich leerer als der Venedig-Zug. Wenn es nicht zufälligerweise diesen 8-Minuten-Abstand gegeben hätte - den gibt es nämlich nur ein paar Mal am Tag - hätte ich in Bologna als Strafe zur eigenen Dummheit 2 Stunden auf die Anzeigetafel starren können, denn die nächste Verbindung nach Ferrara wäre dann wirklich erst um 12.15 gewesen (da ist vormittags eine Lücke im Stundentakt).
Bei Zugreisen in Italien also immer merken: auf die Anzeigetafel zu schauen ist nicht gut, wenn man eine Abfahrtstafel braucht, Regionalzugtickets müssen immer entwertet werden, und es ist immer gut, sich über den kompletten Zuglauf seiner Verbindung klar zu sein, also den genauen Endbahnhof zu kennen (oder alternativ mit der Zugnummer zu arbeiten, was ich leider auch nicht gemacht hatte).
In meinem Fall hätte ich sogar jegliche Verwirrung vermeiden können, wenn ich in Bologna einfach ganz oldschool auf den gelben gedruckten Abfahrtsplan geschaut hätte, dort stand nämlich der 10.15h-Venedig-Zug mit Unterwegshalten inkl. Ferrara und korrekter Gleisangabe dran. Hier wäre Papier mal wieder deutlich vor Elektronik gegangen, auch daran habe ich erst später gedacht und das bei meiner Rückkehr nach Bologna nochmal geprüft.