Zwecks Streckenerstbefahrung soll es Richtung Südostbayern gehen. Außerdem habe ich mein Deutschlandticket im Dezember noch kaum genutzt…
An einem eisigen Morgen starte ich mit dem Fahrrad zum Ostbahnhof. Die Bäume erstrahlen in voller Pracht des über Nacht gefrorenen Nebels, doch noch traut sich die Sonne nicht durch.
Einladender Bahnhofszugang an der Friedenstraße
Bisschen Chaos muss sein
Die RB 40 nach Mühldorf fährt pünktlich ein. Dass die Tür defekt ist, bemerke ich erst nach einer Weile, da man die neongelben Zettel durch die schmalen und schmutzigen Scheiben in den Türen kaum erkennen kann.
Kreuzungsaufenthalt in Dorfen

Immer wieder folgen Abschnitte, an denen die Bäume keinen Raureif aufweisen, dann wieder Abschnitte mit sehr üppiger Pracht. Interessant, welche kleinen Unterschiede in den Wetterverhältnissen hier ausschlaggebend sind…
Pünktlich erreiche ich Mühldorf. Die RB nach Trostberg ist mit +10 angekündigt wegen Verspätung aus vorheriger Fahrt. Gut, hier wäre es auch völlig unmöglich, einen Ersatzzug bereitzustellen, schließlich befinden wir uns mitten im Nirgendwo.
So habe ich also reichlich Zeit, dem Aufbau des Taktknotens zuzusehen.
Und leider auch, alles Defekte zu dokumentieren.
Ob die Toiletten…
…oder der ZZA…
…oder die Schließfächer, alles kaputt.
Nicht kaputt ist dagegen 928 586 und fährt nach Landshut aus.
Während ich am Bahnsteig 2/3 warte, nähert sich ein Desiro, vermutlich meine RB nach Traunreut. Die eingestellte Fahrstraße führt allerdings nach Gleis 1, obwohl auf der Abfahrtsanzeige und im DB Navigator weiterhin Gleis 2 steht. Auf Gleis 1 wird aber Ankunft von Traunstein angezeigt, daher wechsle ich flott das Gleis. Wenn der ZZA auf Gleis 2 nicht nur bruckstückhaftes Flimmern anzeigen würde, hätte man dort vielleicht auch einen Hinweis auf den Gleiswechsel lesen können. Und dass die Umsteiger nach München und Simbach jetzt nicht einfach bahnsteiggleich umsteigen können, sondern noch schnell durch die Unterführung rennen müssen, ist natürlich auch wenig erfreulich, aber vermutlich darauf zurückzuführen, dass die RB nach Simbach sonst bis zur Abfahrt „eingesperrt“ wäre.
Leider kein 628, wie schade…

Mit +10 geht’s dann los, an den Haltewunschtastern steht es nur auf Tschechisch angeschrieben und das Fahrzeug hat ein üble Flachstelle. Mich hat es ja in Osteuropa immer fasziniert, dass man dort jahrelang mit den deutschen Beschriftungen herumfährt, aber inzwischen sind wir auch auf diesem Niveau angelangt, Hauptsache irgendwas fährt. Und das WC ist natürlich auch defekt.
Bis Garching geht es auf der gut ausgebauten Hauptstrecke flott voran, dann weiter über die nur zweistündlich bediente Nebenbahn mit viel Pfeifen bis nach Hörpolding. Es ist nur eine Handvoll Fahrgäste im Zug. Schließlich bricht die Sonne durch und zaubert diesen cyanblauen Himmel, wie es ihn nur an kalten Wintertagen zu geben scheint, vor die Scheiben.
Rumpelrumpel. Pfeif! Pfeif!
Das Betriebskonzept zwischen Mühldorf und Traunstein ist recht spannend, denn von Hörpolding wird mit Richtungswechsel noch die Stichstrecke nach Traunreut bedient, ehe es wieder über Hörpolding weiter nach Traunstein geht. In Traunreut besteht deutlich höheres Fahrgastpotenzial, hier steigen über zehn Fahrgäste ein, als wir mit +10 halten und ich aussteige.
Zeit für einen kleinen Spaziergang. Zusätzlich zu den zweistündlichen Zügen Mühldorf – Traunstein gibt es noch einen Stundentakt Traunstein – Traunreut. Durch die ganzen Stichfahrten gibt es zwischen Hörpolding und Traunreut recht viele Fotogelegenheiten und ich muss mich schon recht beeilen, um den nächsten Zug aus Traunstein bei der Einfahrt nach Traunreut abzulichten.
Bitte entschuldigt den kleinen Exkurs, aber der Raureif ist auch recht fotogen…
Der Verstärkerzug verlässt nach kurzer Wendezeit Traunreut wieder Richtung Traunstein.
Nun habe ich mehr Zeit und spaziere gemütlich nach Hörpolding. Die Sichtbeziehung, die hier durch ein parkendes Fahrzeug blockiert werden kann, leuchtet mir allerdings nicht ein.
Formsignale von Hörpolding mit Alpenkulisse - da der nächste Zug mir entgegenkommt und über Gleis 3 fährt, lässt sich das Motiv so mit Zug nicht umsetzen.
Aber ich will ja noch eine Streckenerstbefahrung erledigen und daher mit dem nächsten Zug nach Traunstein, also bleibt nur noch Zeit für ein Bild des nächsten Zuges nach Traunreut von einem Erdhaufen, dessen Brombeergestrüpp zum Glück im Winterschlaf ist.
Keine Viertelstunde später kehrt der reimportierte Desiro wieder zurück.
Direkt vor dem Krankenhaus Traunstein wurde 2016 ein neuer Haltepunkt angelegt. Ein mittelalter Mann sitzt im Wartehäuschen und macht keine Anstalten, einzusteigen, als der Zug hält. Der Tf fertigt den Zug ab und da setzt sich der Mann fast wie in Zeitlupe in Bewegung Richtung Tür, doch der Zug fährt ohne hin ab. Pünktlich erreiche ich Traunstein.

Der Desiro ist bei der Erzgebirgsbahn registriert, war aber offenbar in Tschechien im Einsatz. Richtung Norden gibt es ein anderes Betriebskonzept – bis Hörpolding fahren zweistündlich zwei Zugteile gemeinsam und werden dort geflügelt. 642 211 wird als Traunreuter Zugteil angehängt, dahinter der Zug nach Waging, den ich nehmen werde.
642 619 wirbt in einem hübschen Violett für Arbeitsplätze bei der SOB.
Bevor die Rückfahrt nach Mühldorf und Traunreut anzutreten ist, bleibt noch Zeit für ein Schwätzchen.
Nach einer kurzen Fahrt im Gegengleis Richtung Salzburg zweigt die Nebenbahn nach Waging ab. Unter Dauerpfeifen geht es über unzählige BÜ durch den Wald und plötzlich senkt sich der Nebel wieder über die Landschaft.
Nach kurzer Wendezeit in Waging macht sich der Desiro bereits wieder auf den Rückweg.
Kurioserweise gibt es hier auf den Bäumen überhaupt keinen Raureif – auf der Fahrt war mir aber ein Abschnitt im Wald aufgefallen, der auch ohne Schnee sehr winterlich wirkt und ich laufe bis zur Ankunft des nächsten Zuges zurück.
Der Nebel wird immer dichter…
Ich unterschätze den Weg bis zur nächsten Fotostelle und schaffe es gerade noch rechtzeitig. Zum Glück macht der Zug durch das ständige Pfeifen rechtzeitig auf sich aufmerksam.
Stillleben mit Dorf-Haltepunkt
Ich laufe weiter bis Otting, habe dort aber noch etwa eine halbe Stunde bis zur Rückfahrt. Jetzt wird es leider schnell kalt.
642 619 kehrt zurück, nur ein einziger Fahrgast steigt hier aus und der wohnt auch gleich im Bahnhofsgebäude.
Nun bricht die Nacht herein. Schon von Weitem hört man es Pfeifen, dann tauchen die Spitzenlichter auf. Wärme naht.
Wieder ist nur eine Handvoll Fahrgäste im Zug. Ein älterer Mann redet relativ leise, aber sehr eindringlich auf die ihm gegenübersitzende Frau ein. Er grantelt ununterbrochen herum, es geht um irgendwelche Fotos, ich kann dem Gespräch aber nicht folgen. „Wos legstn jedes Wort auf die Goldwaag… Des mid de Fodos is… blablablarhabarber grantel“
Das WC funktioniert dieses Mal, doch in Traunstein gibt es kurzen Anschluss nach Salzburg, sodass ich eine halbe Stunde warten muss. Immerhin, der Buchladen hat geöffnet und der Wartebereich ist sogar leicht beheizt, ja ist denn heute Weihnachten? Oh, Moment…
Wenige Minuten vor der Abfahrt wird der RE 5 dann mit +12 wegen Grenzkontrolle angekündigt. Es ist wirklich eisig auf dem Bahnsteig und nach nur wenigen Minuten im leichten Wind bin ich wieder durchgefroren. Dann kommt der ziemlich volle Zug eingefahren. Ich ergattere einen der letzten Gepäck-Sitzplätze und spätere Zusteiger müssen fast alle stehen. Wie praktisch, dass eine Tür defekt ist, so generiert man zusätzliche Stehplätze…
Nach einer Überholung durch die Westbahn endet die Fahrt mit +15 am Ostbahnhof, ich schwinge mich im stockdunklen Fahrradständer auf den Sattel und sause nach Hause.
In diesem Sinne, nachträglich…
…und Danke an alle Eisenbahner, die trotz der widrigen Umstände noch mit Freude ihrem Job nachgehen!