
Um nochmal den Bogen zum wahrscheinlichen Thema des Monats zu schlagen:
Das Heute-Journal fand ich bezüglich Guttis Rücktritt recht interessant, besonders den Kommentar von Theo Koll, wonach der Ex-(Selbst-)Verteidigungsminister eher über seine eigene Beliebtheit denn über einen politischen Fehler gestolpert ist sowie eine Kurzzusammenfassung seiner 2-jährigen Blitzkarriere, die mit der Geschichte Ikarus' parallelisiert wurde. Außerdem wurden am Ende der Sendung einige Meinungen von Bürgern über (fast) ganz Deutschland verteilt zusammengeschnipselt.
Anscheinend hat der optische Halbbruder von Kai Diekmann ("Willste Butter für ein Jahr, streich dem Diekmann durch das Haar") bei vielen - im positiven Sinne - ein Stein im Brett, als Politiker mit Rückgrat, dem man vertrauen wollte, als jemand, dem man zutraut(e), etwas zu bewegen und im Sinne der breiten Masse zu handeln.
Einfache Frage: warum? Was hat er in 9 Monaten Wirtschaftsminister geschafft, was in 16 Monaten im BVM? Was blieb denn hängen? Wirtschftsminister während der Wirtschaftskrise... ja gut, da haben auch Merkel und Steinbrücke eine wichtige Rolle gespielt; ich jedenfalls trau mir keine abschließende, umfassende Beurteilung zu. Ich würde seine Rolle eher positiv sehen, auch wenn die vorbereitete Lösung der "Opel-Krise" sich ja in Luft auflöste, als GM nicht verkaufen wollte.
Unvergessen ist ja in dem Zusammenhagn sein Broadway-Foto. Das zeichnet aber icht seine politische Arbeit aus, ist aber zugleich irgendwie sinnbildlich für sein Politikerleben: Glamour, Selbstpräsentation und schnuckelig-vertrauenserweckend und (welt)offen aussehen.
Als Verteidungsminster... er kam mit den Luftangriffen von Kunduz gleich zu Beginn seiner Amtszeit in negative Schlagzeilen, als er den Einsatz für "militärisch angemessen" bezeichnete und letztlich durch Stühlerücken (Entlassung eines Staatssekretärs) die Affäre aus dem öffentlichen Blickfeld holte - ein Bauernopfer? Ein Untersuchungsausschuss ermittelte bis derletzt.
Bei dem Todesfall auf der "Gorch Fock" entband er ja recht schnell den zuständigen Kommandanten, was aber auch sicherlich nicht der Weisheit letzter Schluss war. Auch das sieht für mich eher nach Bauernopfer aus, um seine handlungsstärke zu demonstrieren.
Den Afghanistaneinsatz hat er als "Krieg" bezeichnet und die Grenze zwischen Politikrhetorik und Umgangssprache aufgeweicht... ja gut, er war der Erste. Andererseits kenne ich noch aus dem Gemeinschaftskundeunterricht das Schlagwort "asymmetrische Kriegsführung", so gesehen ist seine Leistung lediglich der Tabubruch. Etwas an sich Selbstverständliches aber als großen Pluspunkt herauszustellen - obwohl, auch in einem Flyer zum BRB-LINT wurden als Pluspunkt die Poltersessel herausgehoben. Wird doch nicht etwa ein neuer Trend werden, Selbstverständlichkeiten anzupreisen...
Letztlich die Plagiatsaffäre, bei der er der Salami-Taktik folgend alles scheibchenwiese zugab. Ein klares Eingeständnis, mit dem wahrscheinlichen, allzu plumpen Abkupfern Mist gebaut zu haben, vermisse ich; stattdessen würden nun die Soldaten unter der medialen Dauerbeschallung leiden.
Nicht zu vergessen die große Bundeswehrreform, die er lediglich anstoßen konnte: Pi*Daumen 12 Monate Vorbereitungszeit - ich weiß nicht, ob das lang ist. Ob sie erfolgreich ist, kann noch nicht beurteilt werden. Dass er sie angepackt hat, ist auf jeden Fall positiv.
Um mal zu meiner Ausgangsfrage zurückzukommen: Warum glauben sehr viele, dass Gutti ein saugut(t)er Politiker wäre? Er hat Licht, er hat Schatten - was überwiegt, muss jeder für sich selber beurteilen.
Ich persönlich finde, dass er sich hochstilisiert hat: der Besuch in Afghanistan mit seiner Frau - PR at its best, was Helmut Schmid wohl noch heute Fragezeichen ins Gesicht treibt. Das Kerner-Interview dort - das gleiche. Und dann noch Steffis Auftriit in dieser elendigen Sendung "Tatort Internet" (um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Missbrauch von Kindern ist sehr schlimm. Das Internet ist aber sicher nicht schuld daran.) Zupackend im dahinsiechenden und zermürbenden Afghanistankrieg, zupackend gegen Pädophelie - so die Message. Jetzt fällt er von ganz oben runter. "Ikarus" ist halt doch eine wunderschöne Parabel.
Herzlichst
Jogi
Ich hoffe, ihr nehmt mir meine langen Beiträge nicht übel. Ich versuche, kürzer zu werden.
