Provokante Studie: Schienen weg in Ostdeutschland

Alles über Eisenbahn, was woanders nicht passt.
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Autobahn
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Beitrag von Autobahn »

@146225

Verstehe mich bitte nicht falsch, ich bin kein Befürworter von Streckenstilllegungen und/oder dem Abbau von Infrastruktur. Ich stelle aber die Frage, ob unter Kostengesichtspunkten ein Eisenbahnverkehr immer der richtige Weg ist.

Ich kann mir auch nicht wirklich vorstellen, dass ein dichter Takt (in dünn besiedelten Gebieten) mehr Fahrgäste generiert. Wie soll das gehen? Fahren die Leute dann ziellos durch die Gegend oder fahren sie mehrmals am Tag für jede Kleinigkeit los, statt sinnvollerweise alle Aufgaben des Tages auf einer Tour zu erledigen? Selbst wenn der ÖPNV im Minutentakt verkehren würde, bliebe es Zeitverschwendung.

Ich gebe Dir recht, die Taktausdünnung am Abend beginnt zu früh. Sie dürfte frühestens eine Stunde nach Geschäftsschluss beginnen. Das aber Busse und Bahnen rund um die Uhr in dichter Taktfolge fahren müssen, halte ich für Unsinn.

Düsseldorf hat darüber hinaus ein recht dichtes Nachtliniennetz, das bis in die von der Rheinbahn versorgten Nachbarstädte reicht. Zu Veranstaltungen (Karneval, Japanfest, Konzerte in der Arena usw.) fährt die Rheinbahn auch Verstärker mit Stadtbahnen im absoluten Bremswegabstand bis tief in die Nacht.

http://www.rheinbahn.de/fahrplan/nachtexpr...chtexpress.aspx

Ich persönlich habe davon aber noch keinen Gebrauch gemacht, weil ich nachts etwas Besseres vorhabe. Daher kann ich Dir nicht sagen, ob ich einen Sitzplatz bekommen hätte.

Selbstverständlich haben die Menschen in der Lausitz die gleichen Rechte, wie in Berlin, dem Ruhrpott oder Hamburg. Doch es gibt kein Grundrecht auf einen 10 Minutentakt ;). In Berlin fahren die U-Bahnen teilweise im 2-3 Minutentakt, weil die Züge zu klein sind (Achtung Ironie), in Görlitz bekäme man bei einer Fahrt nicht einen Berliner U-Bahn Zug voll.

Ich habe bewusst keine Strecken konkret aufgeführt. Vor allem, weil ich mich in der Gegend nicht auskenne. Daher danke für Deine Aufstellung. Ich werde mich aber hüten, irgendwelche Empfehlungen zu geben. Eben aus dem o. a. Grund.
Von diesen 10 Nebenstrecken war in der letzten Zeit eigentlich nur die KBS 606 Fröttstädt - Friedrichroda ernsthaft im Gespräch zur Einstellung des Personenverkehrs (derzeit mit 641), und das wäre insoweit halbwegs tragbar, als daß die Thüringerwaldbahn ja eine Alternativverbindung ins Mittelzentrum Gotha schafft. Alle übrigen haben wohl nach Ansicht der Besteller genügende oder gute Fahrgastzahlen.
Ob sich das Gutachten nur auf diese zehn Strecken bezieht oder auf mehr, entzieht sich meiner Kenntnis, denn das steht ja nicht im verlinkten Artikel. Aber offensichtlich sehen es die Gutachter anders, als die Besteller. Letztere brauchen es ja auch nicht selbst zu finanzieren, sondern verteilen die Zuschüsse des Bundes.

Mit den reflexartigen Feinbildern habe ich Dich nicht persönlich angreifen wollen. Wenn es so rüber gekommen ist, tut es mir leid.
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Beitrag von 146225 »

Autobahn @ 17 Aug 2009, 21:31 hat geschrieben: Ich stelle aber die Frage, ob unter Kostengesichtspunkten ein Eisenbahnverkehr immer der richtige Weg ist.
Womit wieder die bereits aufgeworfene Frage im Raum steht, was für Nahverkehr aller Art der ausschlaggebende Wert ist: Betriebswirtschaftlicher Nutzen oder Volkswirtschaftlicher Nutzen. Ich tendiere zu letzterem, was passiert wenn ersteres bei Gegenständen der Daseinsvorsorge zu sehr in den Vordergrund rückt, kannst Du mit Sicherheit in jenen Städten erfragen, die ihre Wasserversorgung im Cross-Border-Leasing verzockt haben :blink:
Ich kann mir auch nicht wirklich vorstellen, dass ein dichter Takt (in dünn besiedelten Gebieten) mehr Fahrgäste generiert. Wie soll das gehen?
Dünn besiedelte Gegend bedeutet normalerweise einen erhöhten Mobilitätsbedarf, weil eben Arbeitsplatz / Schule / Krankenhaus / Supermarkt / Sportverein und 1000 andere Dinge des alltäglichen Lebens meistens nicht genau um die Ecke, sondern doch ein Stück entfernt sind. Es liegt doch für einen Verkehrsbetrieb nahe, genau diesen Mobilitätsbedarf für den eigenen Umsatz auszunutzen. Das Zauberwort heißt neudeutsch "Modal Split", will sagen, welches Stück bekommt der Verkehrsbetrieb vom Gesamtkuchen, und an dieser Größenordnung muß gearbeitet werden. Will sagen, wenn der Durchschnittseinwohner 4 Fahrten/Tag macht, sind es im Idealfall 4 Bahnfahrten, wenn es blödt läuft, 0 Bahnfahrten. Des Anbieters der Mobilitätsdienstleistung größtes Interesse und ganzes Trachten muß also sein, den Wert möglichst nahe an 4 anzunähern, und das flächendeckend. Wer aber mit seinem Angebot überzeugen will, der muß ein gutes Angebot machen. Als erfolgreicher Verkehrsbetrieb nutzt man hier zu allererst die Bequemlichkeit der Leute aus. Will sagen, ein vernünftig komfortables Fahrzeug hält in Kundennähe (Idealradius: max. ~ 400-500 m zum Haltepunkt), es verkehrt regelmäßig und zuverlässig zum einfach durchschaubaren Tarif, und bringt die Masse der Kundschaft in annehmbarer Zeit umsteigefrei ans Ziel. Für die nicht solcherart abzudeckenden Verbindungen sind funktionierende und zeitnahe Verknüpfungen oberstes Gebot, will sagen, Taktknoten an zentralen Punkten und kurze Umsteigewege. Der Bus vom Ort abseits der Bahn fährt genau auf diese abgestimmt, zum gleichen Tarif, den kürzesten Fahrweg, und bis direkt an den Haltepunkt. Diese Dinge erfordern oft genug vom Status Quo ausgehend, nicht unerhebliche Investitionen in Fahrzeuge und Infrastruktur, und damit einen langwierigen Kampf mit (Lokal-)Politikern unterschiedlichster Sorte. Auch ist sehr viel Fingerspitzengefühl hinsichtlich der Detailumsetzung nötig, z.B. steht der Bau zusätzlicher Haltepunkte von der Zahl der potentiellen Nutzer her immer in Relation zur nicht beliebig überdehnbaren Gesamtfahrzeit.

Man sieht an der langen Aufzählung der Notwendigkeiten, welche en Detail und ortsspezifisch noch weitere Faktoren einbringen können: Direkt einfach ist es nicht. Aber wenn man als Verkehrsbetrieb diese Grundlagen umsetzen kann, schafft man genau die erfolgreichen Verkaufsargumente für das eigene Produkt, die jeder Händler versucht zu erreichen: Man ist eine Marke ("X-Bahn: Bewegt alle !"), hat einen hohen Bekanntheitsgrad auf dem Markt, baut eine Kundenbindung auf. Ein hoher Anteil von treuen Stammkunden senkt zwar den Preis für das Produkt (günstigere Zeitkarten/Abos), aber man hat diese Kunden für einen gewissen Zeitraum sicher, und sie wirken als kostenlose Mulitiplikatoren, die glaubwürdig positive PR vermitteln. Lohn der Mühen können, vom Status quo ante ausgehend, Fahrgastzuwächse deutlich > 100% sein. Was sich dann natürlich für das Folgeprojekt der dortigen Lokalpolitik wunderbar als "Verkaufsargument" unterbreiten läßt, und auch in der Umweltbilanz des eigenen Unternehmens schön aussieht. ("X-Bahn entlastet die Region um ... Tonnen CO² pro Jahr !") Nette Nebeneffekte, die es kostenlos gibt, sind Neider (fast nichts motiviert besser als das) und Nachahmer (dann hat man wirklich was erreicht).

Merke: SO sieht erfolgreich angewandte Betriebswirtschaftslehre im Bahnbereich aus, nicht nur blutleere Kostenrechnerei ohne Hintergründe. Es wäre zwar trotz allem vermessen anzunehmen, daß ein solcherart geführter Betrieb ohne öffentliche Mittel auskommt, allerdings ist der volkswirtschaftlich erzielte Nutzen deutlich besser als bei zwanghaftem Kaputtsparen, will sagen, für die gleiche Summe investierter Euros kommt mehr dabei heraus. Was will man bei der Verwendung öffentlicher Gelder denn mehr erreichen als einen möglichst effizienten Mitteleinsatz ?

Natürlich weiß auch ich, daß die Realität auf Deutschlands Gleisen (noch) viel zu oft anders aussieht. Aber sollte uns das davon abhalten, Verbesserungen Schritt für Schritt anzustreben ? Erst das Bessere entscheidet dauerhaft, was gut ist !
Aber offensichtlich sehen es die Gutachter anders, als die Besteller. Letztere brauchen es ja auch nicht selbst zu finanzieren, sondern verteilen die Zuschüsse des Bundes.
So ganz richtig ist es nicht, da die Besteller in den letzten Jahren oftmals in einer sehr unschönen Zwickmühle gefangen waren: Mit sinkendem Mitteleinsatz mehr Leistungen erhalten, und dabei aber noch auf die jeweiligen politischen Befindlichkeiten vor Ort Rücksicht nehmen - nur Fahrzeuge vom Hersteller X, nur Anbieter mit Standort Y, und so weiter, und so weiter... Letztendlich lockt auch in diesem Spiel bei erfolgreicher Betätigung das Leckerli zusätzlicher Landesmittel :rolleyes:
Mit den reflexartigen Feinbildern habe ich Dich nicht persönlich angreifen wollen. Wenn es so rüber gekommen ist, tut es mir leid.
Ich fühlte mich keine Sekunde lang persönlich unsauber angegriffen, also bleib entspannt B) - ich habe lediglich eine nach meinem Ermessen sachlich falsche Feststellung korrigiert.
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Beitrag von Hot Doc »

Starker Beitrag!
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Autobahn
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Beitrag von Autobahn »

@ 146225
Womit wieder die bereits aufgeworfene Frage im Raum steht, was für Nahverkehr aller Art der ausschlaggebende Wert ist: Betriebswirtschaftlicher Nutzen oder Volkswirtschaftlicher Nutzen. Ich tendiere zu letzterem, .....
Öffentlicher Nahverkehr wird (leider) niemlas einen betriebswirtschaftlichen Nutzen erreichen, weil die dazu erforderlichen Fahrpreise (politisch) nicht durchsetzbar sind. Der volkswirtschaftliche Nutzen wird vom Steuerzahler finanziert.
Es liegt doch für einen Verkehrsbetrieb nahe, genau diesen Mobilitätsbedarf für den eigenen Umsatz auszunutzen.
Der Umsatz ist nicht der Maßstab, sondern die Gewinn und Verlustrechnung. Natürlich ist es toll, wenn der Umsatz gesteigert werden kann. Dazu sind attraktive Fahrpläne durchaus geeignet. Aber, siehe oben.

Ich kenne in meiner Region zumindest einen Anbieter, der mit großem Einsatz in seinem Einzugsbereich die Trendwende geschafft hat. Es ist die schon mehrfach im Forum erwähnte Regiobahn. Aber das ist ein dicht besiedeltes Gebiet im Einzugsbereich der Landeshauptstadt Düsseldorf. Es ist natürlich auch richtig, dass jeder eingenommene Euro die staatlichen Zuschüsse verringert.

Aber das kann nicht funktionieren, wenn die Nutzer fehlen. Ich betone noch einmal, es ist schade um jede stillgelegte Strecke. Aber, ... (ich will mich nicht wiederholen)
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Beitrag von Rohrbacher »

Öffentlicher Nahverkehr wird (leider) niemlas einen betriebswirtschaftlichen Nutzen erreichen, weil die dazu erforderlichen Fahrpreise (politisch) nicht durchsetzbar sind. Der volkswirtschaftliche Nutzen wird vom Steuerzahler finanziert.
Warum sollte der öffentliche Verkehr einen betriebswirtschaftlichen Nutzen bringen, aber bei Straßen kräht da kein Hahn danach!? Ja, in Neubaugebieten sind die neuen Straßen dahin oft bei den Erschließungskosten der Grundstücke mit drin, aber bei Gemeindeverbindungs-, Kreis-, Land- bzw. Staats- oder Bundesstraßen sowie Bundesautobahnen zahlt das schön die die Gemeinschaft. Das ist auch völlig okay, denn öffentliche Infrastruktur ist eine gemeinschaftliche Aufgabe, dazu gehört aber auch die Eisenbahn! Oder wurde schonmal wo die Müllabfuhr eingestellt, weil es zu teuer war und sich nicht rentiert hat. Die Leute haben selber Autos und können den Müll zu einem Sammelhof pro Landkreis wegfahren... <_<
Aber das ist ein dicht besiedeltes Gebiet im Einzugsbereich der Landeshauptstadt Düsseldorf.
Dann nimm' die Bayerische Oberlandbahn, dann hast du abgesehen von den Startschwierigkeiten eine Verdreifachung der Fahrgastzahlen in 10 Jahren durch ein wesentlich verbessertes Zugangebot in einem ländlichen Raum mit Haushalten, die mit zu den wohlhabendsten in Deutschland gehören. Auch diese Strecken waren schon einstellungsgefährdet.
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Beitrag von WorldOfPhysics »

Autobahn @ 16 Aug 2009, 23:58 hat geschrieben: Für mich ist ein Linienbus, ein Bürgerbus oder ein Anrufsammeltaxi ebenso ein sinnvolles Angebot, und zwar in dünn besiedelten Gebieten. Auch die Taktfolge richtet sich logischerweise nach der Bevölkerungsdichte.
Wie richtet sie sich logischerweise nach der Bevölkerungsdichte? Menschen in Kleinstädten warten nunmal nicht lieber als Menschen in Großstädten... darum fährt einfach niemand mehr (freiwillig) Bus/Straßenbahn o.ä. wenn man im schlimmsten Fall 2 Stunden warten muss, nachdem man eine Viertelstunde einkaufen/shoppen/beim Arzt war.
Die Tageszeit spielt auch eine Rolle. Seien wir doch einmal ehrlich. Wann benutzt der Normalbürger ein Verkehrsmittel? In erster Linie doch wohl, um seinen Arbeitsplatz zu erreichen. Und das ist in den meisten Fällen doch wohl morgens. Am Nachmittag will er wieder zurück. Da gibt es noch die Gruppe der Rentner und Hausfrauen. Die werden hoffentlich den Berufsverkehr meiden. Gut, es gibt auch noch ein paar Touristen, aber die sollten eigentlich Zeit haben und sich die Stadt anschauen. Und irgendwann werden in (fast) jeder Stadt die Bürgersteige hochgeklappt. Der größte Teil der Bevölkerung sitzt vor der Glotze. Nur ein paar Unentwegte kippen sich den Gerstensaft in den Rachen oder zappeln in der Disco. Für diese Klientel gibt es in vielen Städten Discolinien, das finde ich auch völlig richtig. Die sind auch richtig lange unterwegs und am Ziel ist vielleicht der Eine oder Andere schon wieder nüchtern, aber dafür einen Taktverkehr auf allen Linien aufrecht zu erhalten, wäre sicher nicht sinnvoll.
Beim Lesen von diesem Absatz sträuben sich mir die Haare ("Touristen [..] sollten eigentlich Zeit haben"). Erstens ist der Anteil der "Normalbürger", die morgens zum Arbeiten gehen und abends wieder zurück wollen, nicht so groß. Zweitens scheinst du wohl der Meinung zu sein, dass alle Menschen die gleichen Interessen/Gewohnheiten haben. Drittens vergisst du z.B. Schüler & Studenten vollkommen, auch Teilzeitarbeit wird überhaupt nicht beachtet. Viertens werden die Bürgersteige entgegen deiner Annahme wohl doch nicht ganz so zügig hochgeklappt wie du meinst; wenn ich abends gegen 20 Uhr den Bus benutze treffen sich an den Haltestellen die Menschen, die gerade vom Einkaufen nach Hause wollen und die Menschen, die gerade wieder in die Stadt fahren, um sich zu amüsieren (Essen, "Gerstensaft in den Rachen kippen", Theater, Kino und später vielleicht auch "in der Disco zappeln").
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Autobahn
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Beitrag von Autobahn »

Mir sträuben sich die Haare, wenn ich die immer wieder gestellten Forderungen nach einem jederzeit verfügbaren öffentlichen Nahverkehr höre. Dieser wird von den Steuerzahlern finanziert, und nicht von den Nutzern. Die Fahrpreise haben eher symbolischen Wert. Und da muss man - zumindest auf dem Land - mit Nachteilen leben. Dafür hat man aber eine andere Lebensqualität (Ruhe, bessere Luft) als in der Stadt. Es fehlen vielleicht einige Dinge, die es in der Stadt gibt, aber wer auf dem Land lebt, will es ja so (oder darf er nicht in die Stadt ziehen?)
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Beitrag von JeDi »

Autobahn @ 18 Aug 2009, 08:54 hat geschrieben: Mir sträuben sich die Haare, wenn ich die immer wieder gestellten Forderungen nach einem jederzeit verfügbaren öffentlichen Nahverkehr höre.
Warum denn? Die Albtalbahn zeigt doch, dass das auch in ländlich geprägten Regionen durchaus machbar ist.
Dieser wird von den Steuerzahlern finanziert, und nicht von den Nutzern. Die Fahrpreise haben eher symbolischen Wert. Und da muss man - zumindest auf dem Land - mit Nachteilen leben. Dafür hat man aber eine andere Lebensqualität (Ruhe, bessere Luft) als in der Stadt. Es fehlen vielleicht einige Dinge, die es in der Stadt gibt, aber wer auf dem Land lebt, will es ja so (oder darf er nicht in die Stadt ziehen?)
Sowas nennt man dann eben Mischkalkulation. Ist wie zum Beispiel bei Semestertickets. Alle zahlen einen bestimmten Betrag, und wers nutzt, zahlt mehr.
Ich halte übrigens 1382,40€ für eine Studentenjahreskarte (und die brauch ich - trotz Wohnort in der Stadt - um zur Uni zu kommen) nicht grade für Symbolisch.
Electrification
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Beitrag von Electrification »

Autobahn @ 18 Aug 2009, 08:54 hat geschrieben: Mir sträuben sich die Haare, wenn ich die immer wieder gestellten Forderungen nach einem jederzeit verfügbaren öffentlichen Nahverkehr höre. Dieser wird von den Steuerzahlern finanziert, und nicht von den Nutzern.
Als Steuerzahler bin ich gerne bereit dafür zu zahlen, viele andere auch. Also warum meinst du für alle Steuerzahler sprechen zu können? Ein gut ausgebauter ÖPNV sollte uns etwas Wert sein, so wie Bildung und Kulturangebote.
Das Geld ist gut investiert, ganz im Gegensatz zu Geldern die der Steuerzahler sonst berappen muss für sinnlose Dinge und da reden wir von ganz anderen Dimensionen. Die Abwrackprämie, der goldene Handschlag für die Bankenführungskräfte, Entwicklungshilfe für China usw., der Steuerzahler wird hier in Geiselhaft genommen.
Hier wird sich immer über die Peanuts für den ÖPNV aufgeregt, aber dass wo anders Kaviar verschleudert wird, interessiert wieder nicht.

Ich hoffe du verbringst auch in anderen Foren so viel Zeit um auf die Ausgabe von Steuergeldern zu verweisen, z. B. in einigen Straßenforen, wo die wildesten Pläne geschmiedet werden, am besten alle 10 km eine Autobahn.
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Beitrag von Rohrbacher »

Mir sträuben sich die Haare, wenn ich die immer wieder gestellten Forderungen nach einem jederzeit verfügbaren öffentlichen Nahverkehr höre. Dieser wird von den Steuerzahlern finanziert, und nicht von den Nutzern. Die Fahrpreise haben eher symbolischen Wert.
Wer bezahlt denn die ganzen Straßen? Das was du an Kfz- und Energiesteuer zahlst, ist weniger als ein symbolischer Wert! Bei uns wird die "Dorfstraße" komplett saniert inkl. Gehwege und allem. Das bezahlt der Landkreis und die Gemeinde sogar ohne Zuzahlung der Anwohner, also ganz ohne symbolischen Wert. Die Kosten dafür kommen nie wieder rein - außer bei den nächsten Steuern. Denn dafür zahlt man Steuern. ÖPNV gehört da aber ganz klar auch mit dazu!!
Und da muss man - zumindest auf dem Land - mit Nachteilen leben.
Aber natürlich nur beim ÖPNV/SPNV. Oder sind die Staats- und Bundesstraßen "auf dem Land" irgendwie schlechter? Oder die Autobahnen? Niemand redet von einem 10-Minutentakt in 500 Einwohnerdörfer, aber wenn Orte mit 10000 Einwohnern drei Mal am Tag angefahren werden und rund rum erheblicher Kfz-Verkehr auf öffentlich bezahlten Straßen stattfindet, sodass man teilweise nicht recht über die Straße kommt, dann ist das nicht in Ordnung und hat mit Stadt oder Land gar nichts zu tun.
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autolos
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Beitrag von autolos »

Rohrbacher @ 18 Aug 2009, 15:49 hat geschrieben: Wer bezahlt denn die ganzen Straßen?
Es muß differenziert werden zwischen der Infrastruktur und dem Betrieb. Die Infrastruktur "Straße" ist in Bau und Betrieb ungleich billiger als eine Schienenstrecke. Der Betrieb auf der Schiene ist teurer als auf der Straße.

Die ganzen Argumente, von wegen "volkswirtschaflicher Nutzen" sind natürlich wohlfeil, aber da alles über einen Kamm geschoren wird, ist es doch vielfach nur Wunschdenken. Sind die Mrd. für die Karlsruher S-Bahn wirklich sinnvoll? Jetzt ja, da die Investitionen als Sunk Costs nicht mehr beachtet werden müssen. Aber wenn bspw. eine Verdreifachung des Verkehrs nur eine Verdoppelung der Nachfrage nach sich zieht, darf am Nutzen gezweifelt werden. Auch darf man die dichte Besiedlung um Karlsruhe nicht mit den wirklich dünn besiedelten Gebieten in Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern vergleichen. In Brandenburg (ohne Potsdam) und Mecklenburg-Vorpommern leben gerademal soviele Menschen wie in Berlin und Potsdam.

Im übrigen: Für staatliche Investitionsprojekte wird eine volkswirtschaftliche Kosten-Nutzen-Rechnung erstellt. Diese ist maßgeblich und basiert nicht auf Träumen, sondern ist wissenschaftlich fundiert.
Für die, die sich anmaßen über den Wert und Unwert anderer zu urteilen: Die Würde des Menschen ist unantastbar!
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Beitrag von Oliver-BergamLaim »

Also ich weigere mich ja nach wie vor, in Deutschland von "dünn besiedelten Regionen" zu sprechen. Hier kann man doch keine 500 Meter mit dem Auto fahren, ohne dass man schon wieder in ner Ortschaft oder nem Weiler durchkommt.

In den USA oder Kanada, da können wir von dünner Besiedlung sprechen und problematischem ÖPNV...
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Beitrag von 146225 »

Was ich auch noch nicht ganz nachvollziehen kann in dieser erregten Debatte über Steuermittel: Wer von uns kann schon nachvollziehen, für wen oder was seine ganz persönlichen Steuereuronen ausgegeben werden ? Also ich kann es nicht, von daher weiß ich nicht, ob ich irgendwo in Deutschland Nahverkehr oder doch eher einen Kindergarten finanziere, einem Beamten seine Besoldung ermögliche, Zinslasten trage oder vielleicht noch etwas ganz anderes gewollt oder ungewollt damit bewege. Die Entscheidung darüber steht mir ohnehin auch nicht zu.

Und nochmal: Die Vorstellung, weniger Nahverkehr = weniger Steuern ist illusorisch.
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Beitrag von tobster »

Oliver-BergamLaim @ 18 Aug 2009, 17:35 hat geschrieben: Also ich weigere mich ja nach wie vor, in Deutschland von "dünn besiedelten Regionen" zu sprechen. Hier kann man doch keine 500 Meter mit dem Auto fahren, ohne dass man schon wieder in ner Ortschaft oder nem Weiler durchkommt.

In den USA oder Kanada, da können wir von dünner Besiedlung sprechen und problematischem ÖPNV...
Was nun "dünn besiedelt" ist, darüber kann man sicherlich streiten, und obs das in Deutschland gibt.

Es ist aber definitiv so, dass nicht alle Regionen gleich dicht besiedelt sind. Und dann spielt ja für die ÖPNV-Erschließbarkeit auch noch die Siedlungsstruktur eine Rolle, ob sich die zentralisiert in relativ großen, dafür relativ weit voneinander entfernten Orten sammelt, oder ob sie annähernd gleichmäßig verteilt ist (alle 500m ein Weiler und so).
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Autobahn
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Beitrag von Autobahn »

Zur Bevölkerungsdichte (Einwohner jeweils pro Km²)

Ich will mir nicht die Mühe machen, alle Bundesländer aufzuführen. Die genannten dürften reichen.

Mecklenburg-Vorpommern: 72,7 EW
Schwerin (Landeshauptstadt): 735 EW
Wesenberg (Mecklenburg): 36 EW
Wustrow (bei Wesenberg): 17 EW

Brandenburg: 86 EW
Potsdam (Landeshauptstadt): 805 EW
Rheinsberg: 27 EW

Berlin: 3848 EW

NRW: 528 EW
Düsseldorf (Landeshauptstadt): 2683 EW
Region Rhein-Ruhr: 1430 EW
Ostbevern: 120 EW

Bayern: 177,5 EW
München (Landeshauptstadt): 4354 EW
Walchensee (Kochel am See): 52 EW

Die Orte mit der niedrigen Einwohnerdichte sind willkürlich aus der Karte gewählt und erheben keinen Anspruch, der Ort mit der niedrigsten Bevölkerungsdichte im jeweiligen Bundesland zu sein.
Und nochmal: Die Vorstellung, weniger Nahverkehr = weniger Steuern ist illusorisch.
Es geht um den Einsatz der Mittel an der richtigen Stelle. Bei 27 Einwohnern pro Km², wie z.B. in Rheinsberg, braucht man keinen RE im Stundentakt. Und bei 120 Einwohnern pro Km² wohl auch keine Nachtbuslinien in Ostbevern.
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Beitrag von glemsexpress »

autolos @ 18 Aug 2009, 17:33 hat geschrieben:Es muß differenziert werden zwischen der Infrastruktur und dem Betrieb. Die Infrastruktur "Straße" ist in Bau und Betrieb ungleich billiger als eine Schienenstrecke. Der Betrieb auf der Schiene ist teurer als auf der Straße.
Beddenke die externen Kosten wie Unfälle, Lärm, Umweltzerstörung usw.
autolos @ 18 Aug 2009, 17:33 hat geschrieben:Sind die Mrd. für die Karlsruher S-Bahn wirklich sinnvoll?
Ich glaube nicht das die Karlsruher Stadtbahn Mrd von € gekostet hat.
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Beitrag von Autobahn »

glemsexpress @ 18 Aug 2009, 22:15 hat geschrieben:Beddenke die externen Kosten wie Unfälle, Lärm, Umweltzerstörung usw.
Bei der Bahn passieren keine Unfälle (Viareggio, Eschede), die Bahn ist absolut geräuschlos, die Trassen verbrauchen keinen Platz :lol: und der Antrieb ist absolut umweltfreundlich (es gibt ja keine Dieselloks) und der Strom für Triebwagen für die E-Loks und ET´s kommt aus der Steckdose, ääh Oberleitung (dem Fahrdraht?) usw.
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Beitrag von Rohrbacher »

Bei der Bahn passieren keine Unfälle (Viareggio, Eschede)
Sagt niemand. Aber allein in meinem und den angrenzenden Landkreisen wurden von der Polizeit 12 Unfälle im Straßenverkehr mit 2 Toten gemeldet. Hier noch der Hinweis, dass es sich um Unfälle handelt und nicht um gefährliche Situationen, Beinaheunfälle, bei denen aber nichts passiert ist.
die Bahn ist absolut geräuschlos
Ich bin heute beim Fuzzen neben der Autobahn (A9) und neben der Bahnstrecke (München-Ingolstadt) gestanden. Was meinst du habe ich in der Stunde länger und lauter gehört? Die Autobahn hat in der Stunde 60 Minuten durchgerauscht mit Spitzen bei Lkw und Motorrädern, die Züge waren mal kurz da und waren dann weg, es war von der Schiene her ruhig. Vor allem die Regionalzüge wurden von der Autobahn ganz deutlich übertönt.

Zitat: "Der Straßenverkehrslärm ist in den Industrieländern die bei weitem stärkste Quelle der Lärmbelastung."
die Trassen verbrauchen keinen Platz
Die A9 ist auf den ersten Blick deutlich breiter als "Bayerns schnellste Bahnachse" oder wie das mal geheißen hat.
und der Antrieb ist absolut umweltfreundlich (es gibt ja keine Dieselloks) und der Strom für Triebwagen für die E-Loks und ET´s kommt aus der Steckdose, ääh Oberleitung (dem Fahrdraht?) usw.
Die Eisenbahn ist sehr energieeffizient, deswegen wurde sie erfunden. Von "im Betrieb emissionsfrei" hat niemand gesprochen, obwohl es mit heutiger Technik, würde man sie einsetzen, sogar schon möglich wäre! Diese Möglichkeit bietet kein anderes in Serie gebautes Verkehrssystem, wenn man vom Kurzstrecken-Pkw mit Elektromotor absieht. Aber schonmal einen emissionsfreien Lkw gesehen? Oder gar ein emissionsfreies Flugzeug? Segelflieger zählen nicht, die kommen ja ohne Motorkraft nicht nach oben und eignen sich für den Transport von Gütern und Personen weniger. In der Schifffahrt gibt's Segelschiffe, ja...
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Musikus
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Beitrag von Musikus »

Rohrbacher @ 19 Aug 2009, 00:49 hat geschrieben: Die A9 ist auf den ersten Blick deutlich breiter als "Bayerns schnellste Bahnachse" oder wie das mal geheißen hat.
Nicht nur das, vor allem sind Straßen, gerade Autobahnen im Vergleich zu Bahnstrecken eine ökologisch schwer überwindbare Schneiße. Sie produzieren lokal große Mengen an Lärm, Strassenabwässern, Flächenversiegelung und Abgasen, und sind für Bodentiere ungleich schwerer oder garnicht zu überqueren. Naja nur nebenbei. :lol:
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Beitrag von Autobahn »

Rohrbacher @ 19 Aug 2009, 00:49 hat geschrieben:Die Eisenbahn ist sehr energieeffizient, deswegen wurde sie erfunden.
Das ist mir neu, ich dachte immer, dass die erste Eisenbahn 1831 von Friedrich Harkort errichtet wurde. Den ersten Kraftwagen hat der Sohn eines Lokomotivführers erst 1886 zum Patent angemeldet. Stimmt nicht? Doch, hier lesen.

Aber das Thema heißt immer noch: Schienen weg in Ostdeutschland. Und nicht, wie man mit welchen Konzepten mehr Fahrgäste generieren kann und dann gebetsmühlenartig auf positive Beispiele im Westen der Republik verweist. Und schon gar nicht hat es etwas mit Straßen (die einen mehrfachen Nutzen haben) zu tun.


Ich bin heute beim Fuzzen neben der Autobahn (A9) und neben der Bahnstrecke (München-Ingolstadt) gestanden. Was meinst du habe ich in der Stunde länger und lauter gehört? Die Autobahn hat in der Stunde 60 Minuten durchgerauscht mit Spitzen bei Lkw und Motorrädern, die Züge waren mal kurz da und waren dann weg, es war von der Schiene her ruhig. Vor allem die Regionalzüge wurden von der Autobahn ganz deutlich übertönt.
Ich stehe manchmal an dieser Stelle. Die A59 ist als Hintergrundgeräusch mit einem gleichmäßigen Brummen zu hören. Kommt aber ein ICE, IC oder ein RE übertönen die Züge sogar das Gespräch mit den Nebenstehenden. Und dass in einer sehr unangenehmen schrillen Frequenz. Zur Info, es ist die KBS 415
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Autobahn @ 19 Aug 2009, 16:10 hat geschrieben: Aber das Thema heißt immer noch: Schienen weg in Ostdeutschland. Und nicht, wie man mit welchen Konzepten mehr Fahrgäste generieren kann und dann gebetsmühlenartig auf positive Beispiele im Westen der Republik verweist. Und schon gar nicht hat es etwas mit Straßen (die einen mehrfachen Nutzen haben) zu tun.




Ich stehe manchmal an dieser Stelle. Die A59 ist als Hintergrundgeräusch mit einem gleichmäßigen Brummen zu hören. Kommt aber ein ICE, IC oder ein RE übertönen die Züge sogar das Gespräch mit den Nebenstehenden. Und dass in einer sehr unangenehmen schrillen Frequenz. Zur Info, es ist die KBS 415
Oh doch, genau darum geht es. Es gibt übrigens genug Beispiele auch im Osten wie ein gutes Angebot mehr Fahrgäste generieren kann. Die Frage ist doch die: Will man versuchen die Gegnden auf einem bevölkerungsmäßg wenigstens halbwegs bewohnten Level zu halten oder gibt man sich dem Schicksal hin und schaut der Völkerwanderung aus den Ostteilen Deutschlands einfach zu?
Entscheidet man sich für ersteres muß man große Anstrengungen auf sich nehmen und noch deutlicher als jetzt in diese Regionen investieren um die attraktiver zu machen. Dazu gehört auch ein vernünftiges Verkehrsnetz mit Eisenbahn. Die notwendigen Mittel könnte man (in Maßen) von den immer noch stark geförderten Boomregionen (die in der Wirtschaftskrise keier so nennen will) Dresden, Leipzig, Halle, Potsdam,... abziehen.
Nachteil: Wenn die Rechnung nicht aufgeht, hat man ordentlich Kohle verpulvert.
Setzt man auf die zweite Lösung, macht man sich einmal unter der verbleibenden Bevölkerung keine Freunde, erhält sozial und wirtschaftliche und damit auch kriminelle Probleme in diesen Regionen und schleift als BRD ständig unterentwickelte Regionen mit, deren Unterhaltskosten zwar reduziert sind, aber deren eigener Beitrag dazu noch geringer ausfällt.

Aus meiner Sicht bleibt nur eine Möglichkeit, alles auf ein Pferd setzen und die blühenden Landschaften die Kohl einst versprochen hatte anzustreben. Und dazu gehört eine umfassende Infrastruktur!

Aber man baut lieber mit Fördergeldern in Dresden ne sackteure Brücke und verspiel dabei auch noch ein Zukunftsfaktor der ganzen Region, nämlich den Weltkulturerbetitel... :wacko:
Rohrbacher
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Beitrag von Rohrbacher »

Das ist mir neu
Kann schon sein, aber die Eisenbahn wurde wirklich erfunden, weil man damit schnell und mit wenig Aufwand große Lasten über Land transportieren konnte. Das ist auch heute noch so.
Ich stehe manchmal an dieser Stelle. Die A59 ist als Hintergrundgeräusch mit einem gleichmäßigen Brummen zu hören. Kommt aber ein ICE, IC oder ein RE übertönen die Züge sogar das Gespräch mit den Nebenstehenden. Und dass in einer sehr unangenehmen schrillen Frequenz. Zur Info, es ist die KBS 415
Richtig. Der gewaltige Unterschied ist der, dass der ICE kommt und dann wieder weg ist. Deswegen fällt der Zug auch auf. Ein Dauerschallpegel von z.B. 80 dB wie nahe an einer Autobahn ist aber wesentlich gefährlicher für's Gehör als ein kurzzeitiges Ereignis, das sich langsam auf- und wieder abbaut und vielleicht auf 100 dB (Güterzug in geringer Entfernung) in der Spitze kommt, vor allem weil man ihn ziemlich schnell durch Gewohnheit "überhört". Moderne Regional-ET und Personenzüge, die nicht 200 km/h oder schneller fahren, sind natürlich deutlich leiser. Der Zug wird aber immer als lauter wahrgenommen, weil er eben die meiste Zeit des Tages gar nicht zu hören ist. Es ist es aber nicht.

Die viel befahrene Bahnstrecke in rund 200m Entfernung ist subjektiv nicht lauter, als die Autos, die immer wieder durch meine Wohnstraße fahren. Dazwischen ist Ruhe bzw. leise der Straßenlärm (!) aus der Umgebung zu hören.
Aber das Thema heißt immer noch: Schienen weg in Ostdeutschland. Und nicht, wie man mit welchen Konzepten mehr Fahrgäste generieren kann und dann gebetsmühlenartig auf positive Beispiele im Westen der Republik verweist. Und schon gar nicht hat es etwas mit Straßen (die einen mehrfachen Nutzen haben) zu tun.
Du musst schon auf die Argumente eingehen... Ob die Beispiele aus dem Westen stammen ist wurscht oder ist im Osten irgendwas grundlegend anders? Nichts ist anders. Auch dort wohnen Leute, die nach dem selben Grundgesetz gleich behandelt werden müssen und auch in den neuen Ländern gelten die selben Regeln für Fahrgastpotenziale. Übrigens passiert tief im Westen im Ruhrgebiet das selbe wie in Ostdeutschland, die Leute werden weniger. Nur an wenigen Orten wie in Südbayern werden es momentan noch mehr.

Natürlich muss man auf solche Entwicklungen reagieren, aber man kann Ostdeutschland nicht künstlich "entmieten" und sagen, hier eckeln wir alle raus, damit wir keine Straßen und Schienen mehr unterhalten müssen, auch wenn es natürlich sehr praktisch wäre, wenn alle Deutschen an einem Fleck leben würden und der Rest leer wäre. Wenn man aber mal mit etwas Abstand draufschaut, dann ist es so. Deutschland ist dieser Fleck. Fahr' mal durch Nordnorwegen, dann weißt du was wirklich "wenig besiedelt" ist... Ostdeutschland ist nur für deutsche Augen wirklich leer, besonders wenn man im Ruhrgebiet wohnt. ;)

Die Beispiele aus dem Schwarzwald sind auch nicht so verkehrt, da laufen auch im Grunde die Leute weg und die Touristen kommen überwiegend mit dem Auto. Aber dadurch dass man sie quasi per Kurkarte gratis Bus und Zug fahren lässt, sind die Busse durchaus voll, obwohl die Orte ziemlich klein sind, weit auseinander liegen und der Tourismus schon deutlich bessere Tage gesehen hat! Wer fährt heute noch in den Schwarzwald oder in den Harz? Mit dem Billigflieger Mallorca oder mit'm Auto nach Ungarn ist doch viel billiger und viel cooler...
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Beitrag von Hot Doc »

Autobahn @ 19 Aug 2009, 16:10 hat geschrieben: Ich stehe manchmal an dieser Stelle. Die A59 ist als Hintergrundgeräusch mit einem gleichmäßigen Brummen zu hören. Kommt aber ein ICE, IC oder ein RE übertönen die Züge sogar das Gespräch mit den Nebenstehenden. Und dass in einer sehr unangenehmen schrillen Frequenz. Zur Info, es ist die KBS 415
Hier ist dir aber ein oft gemachter schwerwiegender Fehler bei der Beurteilung unterlaufen:
Wenn da ein Zug kommt kann der so leise sein wies nur geht, er wird die Gesamtlautstärke Autobahn + Zug erhöhen. Diese Erhöhung fällt dir als Passant natürlich als störend auf und wird dem Zug zugeordnet, was aber nicht richtig ist. Du müßtest dich da eigentlich mal hinstellen wenn die Autobahn gesperrt ist und den Zug anhören und dann nur mal die Autobahn alleine und das beides vergleichen.
Es ist gut möglich (wenn nicht sogar wahrscheinlich), daß der Zug leiser ist (und sogar trotz schriller Frequenzen nicht störender) als die Autobahn. Nur durch das Zusammenspiel der beiden kommt es einem so vor, als wäre der Zug besonders laut, da man ihn ja aus dem Autobahnsumpflärm so heraushört. Das ist aber ein Irrtum!
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Autobahn
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Beitrag von Autobahn »

Hot Doc @ 19 Aug 2009, 17:17 hat geschrieben:Hier ist dir aber ein oft gemachter schwerwiegender Fehler bei der Beurteilung unterlaufen:
Bist Du Dir da ganz sicher? Woher willst Du mein Lärmempfinden kennen? Natürlich ist es subjektiv. Aber objektiv ist der Zuglärm auch deutlich stärker, auch wenn er nur einen relativ kurzen Moment dauert. Und wenn Du in das Kursbuch schaust, wie viele Züge hier pro Tag durchrasen, kann man nicht von "da kommt manchmal ein Zug" sprechen. Für mich ist neben den messbaren Dezibel auch die Frequenz entscheidend. Metallische Geräusche empfinde ich unabhängig von der Lautstärke generell als unangenehm.

Ich bin oft und gerne in einem nahe gelegen Naturschutzgebiet unterwegs. Dort höre das Vogelgezwitscher und das Blätterrauschen und sonst nichts. Oder doch? Ja, ich höre die ICE´s obwohl das Gelände deutlich tiefer liegt. Natürlich nicht so laut, wie unmittelbar an der Trasse. Aber ich höre keine Autobahn, auch keine sonstigen von Menschen erzeugten Geräusche. Gerne kannst Du Dir die Stellen auf der Karte anschauen (an Pos 4 kommt manchmal ein Auto, das war es aber schon). Dabei ist mir klar, dass ein Messgerät dies unter dem Vogelgezwitscher kaum anzeigen würde.

Ich wohne Luftline ca. 300 m neben jener KBS, die an dieser Stelle mit Lärmschutzwänden versehen ist. Paralell dazu verläuft die A 59, ebenfalls mit Lärmschutz. Selbstverständlich höre ich ein leises Summen von der Autobahn. Wenn aber ein ICE kommt, verstärkt sich das Geräusch. Manchmal, z.B. gerade im Moment, höre ich auch einen Flieger, der in der Warteschleife des Flughafens Köln-Bonn herumkreist. Vorher waren es zwei ICE, die sich gerade hier begegneten. Weitere Umweltgeräusche gibt es nicht, es sei denn, die Nachbarn grillen :). Alles ist aber nicht wirklich laut. Ich dokumentiere hier lediglich, dass mein Gehör noch nicht von Walkman/MP3-Playern verdorben ist.
Rohrbacher @ , hat geschrieben:.....und auch in den neuen Ländern gelten die selben Regeln für Fahrgastpotenziale.
Sehr treffend formuliert. Fahrgastpotentiale ist genau das Stichwort. Bei allen positiven Beispielen war ein solches Vorhanden. Auch bei meinem Lieblingsbeispiel, der Regiobahn, die am kommenden Wochenende ihr 10-Jähriges feiert. Diese hat auf der Linie von (unter DB-Regie) zuletzt 512 Fahrgästen pro Tag im Jahre 1998 einen Zuwachs auf 19.900 hingelegt. Das ist eine Steigerung von 3.900%.

Städte im Einzugsbereich (ohne Düsseldorf und Neuss):

Mettmann: 937 EW/Km², 39.857 absolut
Erkrath: 1.746 EW/Km², 46.957 absolut
Kaarst: 1.121 EW/Km², 42.001 absolut

Und nun schauen wir einmal auf Rheinsberg. Einem idyllisch gelegenen Ort in Brandenburg, im Landkreis Ostprignitz-Ruppin. Bis in das Fahrplanjahr 2007 verkehrten dort noch Regionalbahnen! Und wer nicht weiß, wo das ist, hier der Link zur Karte

Rheinsberg hat 8.814 Einwohner oder 27 pro Km². Siehst Du da ein Potential? Ich eher nicht. Die ehemalige Löwenberg-Lindow-Rheinsberger Eisenbahn endete in Rheinsberg, es war also eine Stichstrecke. Heute ist Rheinsberg mit Bussen an den Bahnhof Neuruppin angebunden.
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Beitrag von Electrification »

@Autobahn,
ich frage mich wirklich warum du so viel Zeit verwendest dauernd deine immer wiederkehrenden Argumente durchkaust, keine anderen Argumente akzeptierst und warum verbringst du überhaupt so viel Zeit in einem Eisenbahnforum, wo sie doch nur Kosten verursacht, deine wertvollen Steuergelder. In irgend einem Autoforum könntest du leichter lästern, da stimmen alle mit ein und es bleibt dir überlassen wie du dort mit den Leuten umgehst die am liebsten jeden Zentimeter mit Autobahnen zupflastern wollen (les dir mal Beiträge im Autobahnforum durch, so unrealistisch ist es hier noch nie geworden).
Ich bin mit Sicherheit keiner der jeden Zentimeter Schiene retten will, aber es gibt genug Strecken mit Potential die gegen die Wand gefahren wurden und dann wird diesen verfälschten Statistiken und Aussagen auch noch geglaubt und Beifall geklatscht. Der Filzenexpress z. B. hätte das beinahe mitgemacht und ich wette, du hättest diese Einstellung verteidigt, weil du wieder mal Einwohnerzahlen rausgesucht hättest und den Pressemitteilungen geglaubt hättest, was man vorher getan hat um unattraktiv dazustehen hätte nicht interessiert, es wird behauptet "es lohnt sich nicht" und ein gewisser Kreis glaubt das vorbehaltlos. Im Osten gibts dutzende Filzenexpresse (natürlich nicht Hohenwulsch - Kalbe und derartige Strecken, von denen redet keiner!) und hier wird mit den gleichen Mitteln gearbeitet. Man sollte jeder Strecke eine Chance geben und wenn sie bei gutem Taktverkehr mit perfekten Anschlüssen immer noch keine Fahrgäste hat, dann kann man einstellen, aber nicht mit fadenscheinigen Pseudoargumenten oder weil ein Bü im Weg ist oder die kreiseigene Busgesellschaft den Parallelverkehr nicht einstellen will. Hier kann man auch Potentialanalysen ausarbeiten, aber natürlich von unabhängiger Seite und nicht wo das Ergebnis vorher schon feststeht bzw. das Ergebnis gewünscht wird.

So, ICH bin auch ein Steuerzahler und ich zahle gerne für den ÖPNV, so wie viele andere, daher will ich das Steuerzahlerargument nicht mehr hören.

Es gibt auch im Osten genug Strecken die bei entsprechendem Angebot erfolgreich sind und wenn man bedenkt das viele Strecken trotz Bevölkerungsrückgang tw. starke Fahrgastzuwächse haben, dann ist das bewundernswert. Wenn man sowas beschneidet, dann treibt man die Abwärtsspirale doch nur weiter an.
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Beitrag von 146225 »

Autobahn @ 19 Aug 2009, 22:48 hat geschrieben: Rheinsberg hat 8.814 Einwohner oder 27 pro Km². Siehst Du da ein Potential? Ich eher nicht. Heute ist Rheinsberg mit Bussen an den Bahnhof Neuruppin angebunden.
Bei fast 9.000 Einwohnern in überschaubarer Nähe zu Berlin möchte ich durchaus eine ausbaufähige Grundlage attestieren. Zumindest scheint Rheinsberg und seine Umgebung in der Mark Brandenburg Potentiale im Freizeitverkehr der Hauptstadt zu haben, im Sommer gibt es da nämlich durchaus Zugverker, siehe Fahrplan der KBS 209.54

Wetten, im Winterhalbjahr sitzen weniger Leute im Bus als im Sommer im Zug ?
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Beitrag von JeDi »

In anderen Regionen würde man da wohl einen gut gefüllten HVZ-30-Minuten-Takt fahren...
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Beitrag von 146225 »

JeDi @ 19 Aug 2009, 23:44 hat geschrieben: In anderen Regionen würde man da wohl einen gut gefüllten HVZ-30-Minuten-Takt fahren...
Klar, selbstverständlich elektrisch. Aber ich glaube der VBB muß noch dazu lernen. Ob der Enztäler Kurzbahnsteige eigentlich auch für Dörfer in der Mark Brandenburg geeignet ist ? Wär doch mal ne nette Entwicklungshilfe ;)
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Beitrag von JeDi »

Ob Rheinsberg dann auch eine Straßenbahn kriegt? :D
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Beitrag von KnutR »

JeDi @ 19 Aug 2009, 23:44 hat geschrieben:In anderen Regionen würde man da wohl einen gut gefüllten HVZ-30-Minuten-Takt fahren...
146225 @ 20 Aug 2009, 00:04 hat geschrieben:Klar, selbstverständlich elektrisch. Aber ich glaube der VBB muß noch dazu lernen. Ob der Enztäler Kurzbahnsteige eigentlich auch für Dörfer in der Mark Brandenburg geeignet ist ? Wär doch mal ne nette Entwicklungshilfe  ;)
JeDi @ 20 Aug 2009, 00:11 hat geschrieben:Ob Rheinsberg dann auch eine Straßenbahn kriegt? :D
Ein wenig mehr Sachlichkeit in Diskussionen wär ja mal gar nicht schlecht!
Es geht eben darum, dass das Rheinsberger Modell eben genau das falsche ist. Im Sommer Zug und im Winter Bus.
Man muss eben auch dort einen durchgängigen Verkehr anbieten. Dass man mit diesem Fahrplan keine Leute in die Züge/ Busse holt sollte klar sein.

Btw: Knapp 10.000 Ew ist für eine brandenburgische Gemeinde im nördlichen Teil viel - das wurde schon richtig hervorgehoben. Und da sollte auch entsprechender Verkehr stattfinden.
Mit freundlichen Grüßen aus Berlin
Knut Rosenthal

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