TramPolin @ 2 Sep 2010, 00:30 hat geschrieben: Anders in der Schweiz: Per Volksbegehren soll die Todesstrafe wieder eingeführt werden. Besonders pikant: Auch, wer noch vor der Gesetzesänderung mordet, soll später hingerichtet werden. Dabei gilt doch eigentlich der Grundsatz: Es muss nach den Gesetzen verurteilt werden, die zum Tatzeitpunkt gelten. Sonst kann ja der Verbrecher sagen: Also, wenn ich gewusst hätte, es könnte die Todesstrafe dafür geben, hätte ich die Tat nicht begangen. Außerdem: Der Verurteilte soll innerhalb von 3 Monaten exekutiert werden. Also keine strengen, jahrelangen Überprüfungen wie in den USA, die noch einigermaßen Sicherheit geben, dass man auch einen wirklich Schuldigen staatlich tötet. Inzwischen wurde bekannt, dass alles nicht ernst gemeint war:
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/33/33180/1.html
Es ist aber schon erschreckend, dass in der Schweiz so was möglich ist, in Bayern ist es natürlich nicht zulässig.
Das war, sarkastisch ausgedrückt, allerdings nur ein "PR-Stunt" von einer Gruppe Hinterbliebener. Die Initiative wurde am Tag nachdem sie eingereicht wurde wieder zurückgezogen. Die Antragssteller wollten, wie sie selbst sagten, nur Aufmerksamkeit erregen (da der Gesetzgeber in ihren Augen nur die Täter schützen würde und generell ja viel zu lasch agiere).
Ich gebe dir durchaus recht, dass diese Idee absolut widerlich ist, allerdings wäre das wohl in keinster Weise mehrheitsfähig gewesen und selbst wenn das Volk es angenommen hätte, dann wäre es nicht durch den Nationalrat oder den Ständerat gekommen (der muss, entgegen weitverbreiteter Meinung immernoch zustimmen, auch wenn er das quasi immer tut). Gibt selten Initiativen wo sich alle Parteien sofort einig sind, das war eine, wo sogar die SVP nicht aus der Reihe tanzte.
Scheint auch, als ob man sich damit nicht wirklich viele Freunde gemacht hat. Wer nicht über die Geisteshaltung der Initianten wettert, beschwert sich darüber, dass sie das Mittel der Volksinitiative missbraucht haben. Zumindest die Kosten werden dem Antragssteller wohl nun in Rechnung gestellt. Allerdings ist fraglich, ob die Initiative überhaupt zugelassen worden wäre. In der ersten Phase, also bis die 100.000 Unterschriften gesammelt sind, wird der Antrag lediglich auf formale, nicht inhaltliche, Korrektheit geprüft.
Ganz so absolut ist das Recht des Volksbegehrens auch in der Schweiz nicht: der unter Schweizern verbreitete Witz, das Volk hätte die demokratische Macht die Demokratie abzuschaffen (man ist sich der Gefahr der Demagogie durchaus bewusst, spätestens seit 2007) ist z.B. gar nicht möglich, da es die Grundfesten der eidgenössischen Bundesverfassung angreifen würde und von daher nicht zulässig wäre.
Aber um zurück zum Thema zu kommen:
Ich halte das Thema Volksentscheid nach wie vor für bedenklich, gerade mit dem Blick Richtung Schweiz (wie du ja weißt, verbringe ich sehr viel Zeit da). Nur ein paar Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit, so richtig dicke Fische wie EU-Beitritt mal ausgelassen, da zu komplex.
1. Minarett-Verbot.
Noch am Abstimmungssonntag in der Früh wurde nicht darüber spekuliert wer gewinnt, sondern mit wie viel Prozent das abgelehnt wird. Jeder war sich seiner Sache recht sicher, die Umfragen zeigten ein klares Übergewicht auf der Nein-Seite. Es kam bekanntlich anders, am Montag fragte sich dann jeder, wie's dazu kommen konnte. Ganz einfach: Volksentscheide in der Schweiz haben meist keine 50% Stimmbeteiligung, die Gegner des Minarettverbots haben in der Annahme, dass das ja locker klappt, schlichtweg "vergessen" abzustimmen. Nun hat man ein Gesetz, dass vom "Volk" pro forma legitimiert wurde, de facto aber keine Mehrheit bei den Wählern hat.
2. Gesundheitsinitiative
Das die Schweiz ein Problem mit ihren Krankenkassen hat, ist ja nichts neues. Dennoch wurde vor etwa einem Jahr eine Initiative eingereicht, die auch Homöopathie in den Katalog der Grundversicherung (in etwa wie unsere gesetzliche Kasse) aufnehmen sollte. Zum Entsetzen Vieler wurde das angenommen. Das liegt jetzt nicht daran, dass die Schweizer so auf Globoli stünden, sondern, dass die Mehrheit der Ja-Stimmer den Unterschied zwischen Homöopathie und Phytomedizin (Medikamente auf pflanzlicher Basis, allerdings mit erwiesener Wirksamkeit - in der Pharmazeutik zumindest unter diesen Kriterien völlig unstrittig) nicht kannten.
Naja, jetz muss halt jeder den esotherischen Fimmel einiger Weniger finanzieren... ist natürlich sehr witzig, wenn selbst Arbeitslose und Volljährige Schüler ohne Einkommen je nach Kanton mal 500SFr für die Krankenkasse abdrücken müssen (und nein: es gibt keine Ausnahme).