imp-cen @ 11 Oct 2012, 19:41 hat geschrieben: Ich mein, im Leben, Arbeiten, Atmen, Essen, Trinken, Lieben gibts doch kaum nen Unterschied - der Hauptunterschied besteht halt im Sex?
Klar will man sich nicht auf den kleinen Nenner reduzieren lassen, aber eigentlich triffts doch so perfekt?
Danke für das Stichwort - genau zu dem Thema wollte ich heute Abend ohnehin noch etwas schreiben
Generell ist ja das, was zwei Leute in ihrem Bett machen, Sache von diesen Personen, und das braucht sonst keiner wissen. Ein Paar, das dreimal die Woche in den Swingerclub geht - das hat keine Auswirkungen auf das Leben, weil das in der Regel keiner erfährt der es nicht wissen soll.
Schwul zu sein dagegen ist da ganz anders - das hat auf das ganze Leben Auswirkungen, bei manchen mehr, bei manchen weniger. Es geht ja nicht nur um um Bettgeschichten, sondern auch um Beziehung und Partnerschaft - und das ist in der Gesellschaft im Gegensatz zum Swingerclubbesuch halt doch etwas, was durchaus in der Öffentlichkeit steht.
Hier gleich mal ein Beispiel von heute: Es ging um eine Terminfindung. Ich meinte, ein bestimmter vorgeschlagener Tag geht bei mir nicht, und da kam dann gleich der Kommentar, ob ich den Tag schon für meine Freundin verplant habe - eigentlich eine ganz normale Frage, für Schwule dagegen nicht. Jetzt habe ich zwei Möglichkeiten - entweder ich weiche aus, oder ich sage dass es keine Freundin gibt und auch nie geben wird, weil ich schwul bin. Auch wenn es heute in der Regel kein Problem mehr ist, schwul zu sein, und die wenigsten Leute Probleme damit haben - man weiß nie, ob die Person, mit der man gerade redet, nicht eventuell doch ein Problem damit hat. Klar, ernsthafte Gedanken macht man sich darüber mit der Zeit nicht mehr, aber ein kleines bisschen Unwohlsein dürfte doch jedem bleiben.
Es gibt dafür den schönen Begriff "Coming Out", der genau diesen Vorgang beschreibt - und es ist eben so, dass das Coming Out nie endet, sondern sich bei jedem, mit dem man zu tun hat, wiederholt. Mit der Zeit nimmt man das ganze viel gelassener, aber eine gewisse Nervosität bleibt doch immer - und manchmal wählt man halt doch die Variante ausweichen. Wenn man ausweicht stellt man sich aber wiederum die Frage, was passiert wäre, wenn man ehrlich geantwortet hätte - was ja für die Zukunft irgendwann noch ansteht.
Im Freundes- und Bekanntenkreis ist das Risiko ja noch einigermaßen kalkulierbar, aber wie sieht es in der Arbeit oder in der Schule aus? Den Leuten dort kann man nicht einfach aus dem Weg gehen, wenn es Probleme gibt. Einfach immer Ausweichen und Lügen ist auch keine Dauerlösung. Bei manchen Berufen ist so etwas noch kritischer. Nehmen wir zum Beispiel Lehrer - was passiert, wenn die Eltern der Schüler das Erfahren?
Wenn man zu einem Fest nebst Freundin/Ehefrau eingeladen ist - nimmt man dann den Freund/den Ehemann mit? Wie reagieren die Leute?
Wie findet man überhaupt einen Partner? Bei Heteros muss "nur" gegenseitige Liebe bestehen - bei Schwulen dagegen liegt die Chance, dass eine Person für die man sich interessiert, auch schwul ist, bei nur 10% - und selbst wenn man Glück hat und diese Person wirklich schwul ist, scheitert es in vielen Fällen eben daran, dass die Liebe nicht erwidert wird.
Das sind alles Dinge, die nun wirklich nicht unter den Oberbegriff "Sex" fallen.
Das, was ich jetzt geschrieben habe, ist aber nur ein Aspekt des Coming Out, der auch als "äußeres Coming Out" bezeichnet wird.
Für viele ist das "innere Coming Out" aber ebenfalls ein schwerer Teil. Nehmen wir mal einen schwulen Jugendlichen, der sagen wir mal 14 Jahre alt ist, und merkt, dass er schwul ist. Er hat erstmal niemanden, mit dem er darüber reden kann. Schwule kennt er nur aus dem Fernsehen , und ein großer Teil der Fernseh-Schwulen sind absolute Klischees (kann man sich mit Thomas Hermanns oder Ralph Morgenstern identifizieren?). Vielleicht kommen noch ein paar blöde Kommentare von den Eltern zu den Klischee-Schwulen im Fernsehen. In der Schule wird "bist Du schwul?" sowieso als Schimpfwort genutzt, entsprechend garniert mit deftigen Witzen.
Wie geht es einem solchen Jugendlichen wohl? Eine Antwort liefern unter anderem die diversen Statistiken zu Suiziden - auch wenn die Zahlen schwanken, kommt bei allen mir bekannten Studien raus, dass die Zahl der Suizidversuche bei schwulen Jugendlichen um ein mehrfaches höher ist als bei Heteros - sich selbst ein Bild machen will, benutze bitte eine Suchmaschine des Vertrauens, man findet genug zu dem Thema.
Effektiv sind die Probleme zumindest in Deutschland nahezu immer geringer als die Befürchtungen - aber das weiß man halt erst hinterher. Ein Grund dafür ist, dass die blöden Kommentare über Schwule in der Regel nicht ernst gemeint sind, sondern halt so dahingesagt werden, weil den meisten nicht bewusst ist, was sie damit auslösen können - aber woher soll das der schwule Jugendliche wissen? Und viele Heteros stellen sich unter Schwulen sonstwas vor, und sind dann total verwundert, wenn sie mal einen "echten" vor sich haben und feststellen, dass das jemand ganz normales ist.
Aber auch wenn die Probleme meist geringer sind - immer noch zu oft ist ein freiwilliges oder unfreiwilliges Outing in der Schule oder auch Arbeit Grund für Mobbing, und auch dass die Eltern Probleme damit haben, kommt nach wie vor vor.
Wann das innere und das äußere Coming Out kom mt, ist sehr unterschiedlich - manche erledigen beides gleich mit 14, andere schaffen es erst mit 50 und nach drei Kindern (um mal wieder auf das was es laut Autobahn gar nicht gibt zurückzukommen), letztendlich macht aber jeder Schwule diesen Prozess in irgendeiner Form durch.
Für mich ist übrigens der Hauptgrund dafür dass ich weitestgehend geoutet bin dass ich anderen Schwulen, die ihr Coming Out noch nicht beendet haben zeigen will, dass sie nicht die einzigen sind - und viel von dem was ich über das Thema weiß und worauf auch dieser Beitrag basiert weiß ich aus den Gesprächen, die da häufig entstehen (und mit Sex definitiv nichts zu tun haben). Schwulsein ist noch weit davon entfernt normal zu sein - zu echter Normalität wird es erst kommen, wenn sich so viele Schwule geoutet haben, dass es einfach für alle selbstverständlich ist.
Und dann darf man auch nicht vergessen, dass wir hier in Mitteleuropa riesiges Glück haben. In den USA geht momentan die Suizidrate von schwulen Jugendlichen steil bergauf, die Diskriminierung und das Mobbing wächst. In Russland und anderen osteuropäischen Ländern geht die Polizei massiv gegen Schwule vor, und in islamischen Ländern wird man teilweise noch dafür gesteinigt.
Ich hoffe damit etwas verständlicher gemacht zu haben warum es eben nicht richtig ist, das Schwulsein auf den Sex zu reduzieren.
Ansonsten, wer noch etwas zu dem Thema wissen will, kann mich auch direkt (z.B. per persönlicher Nachricht oder E-Mail) anschreiben.
Ansonsten, weil ich drauf aufmerksam gemacht wurde, noch ein moderativer Hinweis:
Bitte bedenkt bei euren Beiträgen, dass hier auch jüngere User mitlesen. Darum bitten wir, auf genauere Beschreibungen sexueller Handlungen hier zu verzichten. Danke!
Bis zur vollzogenen Anbringung von ausreichenden Sandstreuapparaten an allen Maschinen haben die Bahnwärter bei aufwärtsgehenden Zügen auf stärkeren Steigungen die Schienen ausgiebig mit trockenem Sand zu bestreuen und für die Bereithaltung eines entsprechenden Vorrathes zu sorgen.
Fahrdienstvorschrift bayerische Staatsbahnen 1876