Du verwechselt hier in meinen Augen zwei Sachen: verfassungsfeindliches Handeln und mutmaßlich verfassungsfeindliche Meinungsäußerungen. Gingest du nach letzterem, könntest du pauschal fast jeden bayerischen Stammtisch und drei Viertel der Boulevardzeitungen kassieren. Nur: hier ging es ja eben um die Meinungsäußerungen, du beziehst dich aber auf die Parteienlandschaft - und das ist eben nicht das gleiche.andreas @ 26 Feb 2013, 12:22 hat geschrieben: ja, aber denkst du, unsere Demokratie hätte wirklich funktioniert, wenn man nach dem Krieg Kommunisten und Nazis nicht verboten hätte?
Dennoch greife ich mal deine These auf:
Das ist eine weder verifizierbare noch falsifizierbare Aussage. Die Gegenfrage aber könnte lauten: "Hätte unsere Demokratie denn trotz Verbot der KPD, der NSDAP und der anderen Splitterparteien nicht auch scheitern können, wenn es einen entsprechenden Zulauf zu diesen Gruppen gegeben hätten?". Was ich damit meine ist folgendes: du kannst unerwünschten Parteien, bishin zum Verbot so viele Knüppel zwischen die Beine werfen wie du willst, wenn es den entsprechenden Zulauf gibt bringt dir das nichts, das musste 75 Jahre zuvor schon Bismarck einsehen, er hat die SPD auch nicht klein bekommen, es waren einfach zu viele. Die Weimarer Republik ist auch nicht an rechten und linken Extremisten zerbrochen, sondern (natürlich nicht monokausal) an der Uneinigkeit der Weimarer Koalition (SPD, DDP, Zentrum, teilw. noch DVP und BVP). Es wäre völlig egal gewesen was Nazis und Kommunisten gemacht hätten, zum fraglichen Zeitpunkt hatte die Weimarer Koalition eine Mehrheit und selbst im Präsidialkabinett Brüning musste der Laden nicht hochgehen (gut, retrospektiv weiß man, dass Brüning fünf Meter vor'm Loch verhungert ist).
Die beiden großen Parteiverbote der 50er Jahre, also NSDAP und KPD, waren natürlich medienwirksam, aber nicht von großer Tragweite, die entsprechenden Leute waren ja nicht einfach weg: die KPD hat sich als DKP neu manifestiert, die Nazis, so sie nicht im Gefängnis waren, haben diverse Sachen versucht, als prominentestes Beispiel die beinahe erfolgreiche Unterwanderung der hessischen und nordrhein-westfälischen FDP... geschehen ist der Rückfall in die Diktatur dennoch nicht.
Was ich damit sagen will: es ist ein gefährlicher Trugschluss, wenn man meint, man könne Probleme durch ein Parteiverbot lösen. Entweder das Parteiverbot ist aufgrund von zu geringer Unterstützung der betroffenen Parteien "unnötig" oder es ist bei entsprechendem Zuspruch wirkungslos. Ich gebe allerdings durchaus zu, dass auch mir der Gedanke gefällt der NPD wo immer es geht ans Bein zu pinkeln und es mir auch lieber wäre dieses Gesocks aus den Parlamenten heraus zu haben (auch wenn mir das im Rahmen des standardmäßigen politischen Prozess lieber wäre als durch ein Verbot), aber grundsätzlich muss die Prinzipientreue unabhängig von einer politischen Großwetterlage Gültigkeit behalten. Hier gehts nur teilweise um Idealismus sondern mehr um tatsächliche Gefahren: heute verbieten wir die NPD - wahrscheinlich auch zu Recht, morgen muss die Linkspartei dran glauben - teilweise auch zu Recht, da geistern einige herum, die mit der Demokratie nicht viel zu tun haben, übermorgen sinds dann die Grünen - und spätestens hier wirds eigentlich nicht mehr haltbar, nächste Woche steht dann die SPD auf der Abschussliste, weils der CDU gerade in den Kram passt. Natürlich ist das übertrieben, aber es ist ein durchaus nicht unbekanntes Schema wie de facto Diktaturen entstehen können.
Dementsprechend ist es eigentlich mehr ein Failsafe einer Demokratie auch Meinungen zuzulassen, die gegen die Demokratie selbst gerichtet sind - man muss vielleicht irgendwann eine Grenze ziehen, aber das darf nur eine ultima ratio sein.
Edit: Deutsch