Die breite Masse der jungen wie alten Russen und Ukrainer dürfte zu Alkohol und Tabak allerdings auch eine etwas andere Einstellung haben, als die Masse der grün-bio-fit-lifestyle-gesunderzogenen Deutschen mit ihren horrenden Steuern insbesondere auf letztgenannte Waren.Michi Greger @ 9 Dec 2014, 19:58 hat geschrieben:Also alles was man nachts und Sonntags unbedingt einkaufen können muß...:rolleyes:

Zu jeder Nachtzeit an Handyguthaben zu kommen, kann in Kiew übrigens für Einheimische wie Touristen elementar bzw. sogar lebensnotwendig werden. Handy-Verträge sind dort im Vergleich zu Deutschland fast unbekannt, außer vielleicht Geschäftsleuten hat eigentlich jeder Prepaid. Ein konkretes Beispiel: Betriebsschluß in Kiew ist im Oberflächenverkehr meist zwischen 21 und 23 Uhr (letzteres nur auf Hauptlinien), bei der Metro fahren die letzten Züge täglich kurz nach null Uhr. Ein Nachtnetz gibt es nicht, wie in München bis 1994. Kiew ist deutlich größer als München und die Metro erschließt viele Stadtbezirke nichtmal ansatzweise. Es kann also - je nachdem, in welchem Außenviertel man wohnt - durchaus sein, dass man schon nach einem normalen abendlichen Kinobesuch ein Problem hat, überhaupt noch irgendwie nach Hause zu kommen. Wenn man nun in einer minus 20 Grad kalten Winternacht um kurz nach 23 Uhr an einer Metro-Station in der Peripherie strandet, um festzustellen, dass der letzte Anschluß-Trolleybus um 22.53 Uhr weg ist, willst Du nicht ohne Handyguthaben dastehen, denn dann brauchst Du ein Taxi, und das wirst Du mal abgesehen von größeren Kreuzungen im Zentrum (wo rund um die Uhr immer welche stehen) oder wirklich großen Metro-Knoten auf den Außenästen nicht so einfach finden, sondern das musst Du Dir dann eben telefonisch bestellen.
Übrigens haben diese Kioske oft auch Kondome und Hygieneartikel, und auch Blumenläden sind in Kiew rund um die Uhr geöffnet. Man ist halt dort einfach spontaner mit Verabredungen bzw. Einladungen und es werden grundsätzlich Blumen und vielleicht noch Alkohol und/oder Pralinen mitgebracht (egal ob zur Liebsten oder ob zu Familientreffen, Einladungen bei Kollegen etc, bei letzteren allerdings wohl weniger mit Kondomen), mit leeren Händen zu kommen wie in Deutschland oft üblich wäre dort ein grober Fauxpas.
Nicht wirklich.Michi Greger @ 9 Dec 2014, 19:58 hat geschrieben:Also genau das, was man vielleicht in einer (fremden) Stadt gerne zu "unüblichen" Zeiten brauchen könnte.

Vielleicht ist das einfach ein völlig legitimer Wunsch nach mehr Lebensqualität, der für jeden normal ist, der unter 65 ist und noch irgendwas vom Leben haben will, außer abends und nachts immer nur daheim rumzusitzen. Für mich ist es jedenfalls Lebensqualität, wenn ich abends ohne Blick auf die Uhr noch in einer (egal ob fremden oder eigenen) Stadt unterwegs sein kann, egal ob mit Freunden oder allein, und weiß, wenn ich jetzt Lust und Hunger oder Durst auf irgendwas habe, egal ob Fruchtsaft, Schokolade, Nüsse, Eis, egal ob ich noch spontan zu jemandem eingeladen werde und noch was mitbringen soll bzw. will, wenn mir irgendwas ausgeht (und seien es nur Papiertaschentücher im Winter) dann muß ich eben nicht zu McDonald's als einziger verfügbarer Anlaufstelle und ich muß auch nicht den dreifachen Preis der Tankstelle bezahlen (die ich im Zentrum meist ohnehin nicht finden werde) oder den ganzen Abend mit triefender Rotznase rumlaufen oder gar zur Verabredung, sondern ich kann mir das Zeug einfach an jeder Ecke kaufen! Auch wenn ich eine Reise vorhabe, will ich eigentlich nicht schon 10 oder 14 Tage vorher planen, was ich nach der Rückkehr zu Hause im Kühlschrank haben muß/will, weil ich Samstagabend um 21 Uhr nach Hause komme und dann bis Montagabend nach der Arbeit keinerlei Möglichkeit zum Einkauf habe. Was hier in Deutschland und insbesondere in Bayern abgeht, ist eine massive Verminderung der Lebensqualität und auch Freiheit von 99% der Bevölkerung zugunsten des "Schutzes" von 1% der Bevölkerung, was an sich schon pervers ist, aber noch dadurch verstärkt wird, dass viele Leute vielleicht lieber spätabends arbeiten würden (Studenten/Schlaftyp Eule/Leute mit zwei Jobs/abends kann der Partner aufs Kind aufpassen, tagsüber nicht und viele mögliche Gründe mehr), aber nicht dürfen. Ich bekomm in puncto Ladenschluß in Bayern jedesmal wieder das Kotzen, egal ob ich aus den USA, Asien, aus London, der Ukraine oder aus Tschechien zurückkomme. Nirgendwo macht man der Masse der Leute das Leben so schwer wie hier.Michi Greger @ 9 Dec 2014, 19:58 hat geschrieben:Die Meinung "Ich muß meine Zigaretten und mein Bier jederzeit überall kaufen können; auch Sonntag früh um 7 Uhr! Und da hat gefälligst ein Laden aufzuhaben!"
Ja, natürlich, ich kann alle meine Einkäufe immer Tage und Wochen im Voraus planen und schon vor dem Urlaub und immer nur abends nach der Arbeit oder samstags erledigen. Ja, ich kann mich abends nach der Arbeit hungrig und müde eine Stunde lang abhetzen, bis ich alles zusammenhabe und um 19.59 Uhr im letzten der drei Geschäfte, die ich brauche, an der Kasse stehe. Ja, ich kann mich jedesmal beim Einkauf halb totschleppen, weil ich es nur ein- oder zweimal die Woche nach der Arbeit noch in den Supermarkt schaffe statt jeden Tag, wie ich gerne würde oder müßte (manchmal hab ich dann doch noch was anderes vor). Ja, ich kann in den Wochen vor Feiertagen und langen Wochenenden ewig lange Zettelchen schreiben, was ich alles einkaufen muß, damit es für fünf Tage reicht und an welchen Tagen ich in welchen Laden muß, damit ich nicht vergesse, sämtlichte Sachen in Drogeriemarkt, Getränkemarkt, Supermarkt, Discounter, Buchladen bis zum Abend vor dem Feiertag etc. einzukaufen. Nein, ich muß wegen des bayrischen Ladenschlussgesetzes ganz sicher nicht verhungern.
Aber es nimmt mir jegliche Spontaneität, jegliche Flexibilität, jegliche Leichtigkeit, es nimmt mir die Erlaubnis, mal menschlich zu sein und was zu vergessen oder umzuplanen (sonntags doch lieber Lust auf Geschnetzeltes statt auf Nudelauflauf?) oder spontan noch zum Grillen zu Freunden zu kommen um 21 Uhr und was mitzubringen, es nimmt mir den Spaß, meine Freizeit abends mit Spazieren und entdecken zu verbringen und unterwegs schnell was zu trinken/essen, ohne dass ich immer nur zum Goldenen Bogen gehen muß oder die horrenden Preise der Gastronomie zu bezahlen, nur weil ich an nem heißen Sommerabend Durst habe, es nimmt mir die Möglichkeit, abends nach der Arbeit erst zu spazieren/Freunde zu treffen etc., solange es im Sommer noch hell ist und dann erst um 22 Uhr auf dem Heimweg einzukaufen statt es andersrum zu machen und somit erst nach Hause zu müssen oder vollbepackte Tüten überall rumschleifen zu müssen.
Die einzigen Profiteure des jetzigen Ladenschlusses sind die Gastwirte und fies-verbitterte Rentner (ganz schlimm hier vor allem die Hausfrauen), die außer Haushalt, Lebensmitteleinkäufen und Sachen mies machen nichts zu tun haben ("früher hamma des auch gschafft, sogar mit drei Kindern, und mit Ladenschluss um 18 Uhr" - ja, fiese Oma, aber früher gab's auch sämtliche Geschäfte des täglichen Bedarfs vor der Haustür statt den Discounter und Drogeriemarkt im Gewerbegebiet an der Hauptstraße hinten mit 15 Minuten Fußmarsch, früher hat man meist um 6 Uhr morgens zu arbeiten angefangen und war um 15 Uhr wieder draußen und nicht um 19 Uhr abends wie heute, und früher war die Hausfrau oft nur halbtags oder gar nicht berufstätig, bzw. die Leute haben noch in Familien statt in Single-Haushalten gelebt, wodurch eine Person für die Versorgung von mehreren Leuten sorgen konnte).
Genauso wie heutzutage Hochflur-Trambahnen nicht mehr salonfähig sind, weil jeder sofort jammern muß, wenn man nicht mitkommt oder 5 Minuten auf den nächsten Niederflurkurs warten muß, ist auch unser Ladenschluß völlig aus der Zeit gefallen. Ja, ich kann auch immer alles bis 20 Uhr einkaufen. Ja, ich kann den Kinderwagen auch in den P-Wagen raufheben und nach drei Stationen wieder raus. Es ist alles kein Problem. Nur Lebensqualität ist das ganz sicher nicht, zumal man es den Menschen einfacher machen könnte.
Mit den ewigen Neinsager-"Argumenten", wer es nicht schafft, bis 20 Uhr einzukaufen
- der schafft es auch bis 22 Uhr nicht
- der muß halt morgens früher aufstehen und das Arbeiten anfangen
- der hat sicher keine Familie und keine Kinder
- der kann halt einfach nicht planen
- der ist faul oder schlecht organisiert
- der erwartet in seiner asozialen Grundhaltung, dass andere abends und nachts für ihn schuften
- der muß halt dann die höheren Preise an der Tankstelle bezahlen
müßte ich auch sofort den öffentlichen Nahverkehr abends nach 20 Uhr komplett einstellen. Denn wer dann nicht zu Hause sitzt, schafft es auch bis 22 Uhr nicht, der muß halt morgens früher aufstehen und seinen Tagesablauf vorverlegen, der erwartet, dass andere für ihn abends und nachts schuften, und der muß halt dann die höheren Preise für ein Taxi bezahlen.