146225 @ 8 Nov 2021, 06:51 hat geschrieben:Was du dezent übergehst, ist dass es einzig und allein am Auftrag liegt, was eine Eisenbahn leisten soll.
Im Gegenteil. Ich nähere mich schon seit geraumer Zeit von der Seite, dass Ausschreibungen und auch freier Wettbewerb nicht das leistet, was es braucht, damit Verkehrswende eben keine leere Worthülle mehr ist.
146225 @ 8 Nov 2021, 06:51 hat geschrieben:So wie man eine ach so böse Ausschreibung auch mit eindeutigem Schwerpunkt auf Qualität gestalten kann, wenn man das denn möchte und bereit ist, die dafür entstehenden Kosten zu tragen
Natürlich kann man ausschreiben, biete mir das beste was ihr habt. So macht das u.U. ein milliardenschwerer Autokonzern, der z.B. Prüfstände bauen will, wo man um irgendwelche Tausendstel genauer messen kann als die anderen. Jetzt ist es aber so, dass im Bahnverkehr Geld schon eine Rolle spielt und wie im Falle meiner Kreisstadt die Bereitschaft eben nicht mehr da ist, Geld dafür auszugeben, dass der Privatunternehmer einen riesen Reibach macht und man selbst gleichzeitig für zig Jahre an einen Vertrag gebunden ist oder man wie in der letzten Zeit entsprechend kurze Verträge über teils nur zwei Jahre macht, die dann aber extrem teuer ist und gleichzeitig in der Praxis nicht die Qualität bringen, die man möchte. Außerdem sind bei externe Vergabe an einen Busbetrieb keine Synergieeefekte mit dem Bauhof möglich = Kosteneinsparungen, was im Falle des Bahnverkehrs beispielsweise der Güterverkehr wäre. Und wie gesagt, im Eigenbetrieb geht das mit einer schwarzen Null, man spart die Ausschreibungsebene und kann gerade auf Bundesebene beim Einkauf von Infrastruktur und Rollmaterial ganz andere Skaleneffekte und eine Marktmacht erzielen, die dafür sorgt, dass ich auch viel eher und günstiger genau das bekomme, was ich möchte und nicht das was mir der Hersteller gerade reindrücken will.
Ich erreiche zusätzlich, wenn ich diese Macht nutze um eine eigene herstellerübergreifende Fahrzeugplattform zu entwickeln auch den Vorteil, dass ich über bestimmte Schnittstellen bei Komponenten weniger von bestimmten Herstellern abhängig bin und mehr Gleichteile habe. Das ist im Ausschreibewettbewerb in der Praxis komplett unmöglich, da man keinen Bewerber für den kompletten Laden finden wird mit der Finanzkraft der Bundesrepublik und gleichzeitig dem Willen so ein gigantisches Unternehmen, das verkehrswendemäßig locker nochmal 50-100% größer sein müsste als heute alle EVU zusammen, komplett ohne Gewinnerzielungsabsicht zu betreiben.
146225 @ 8 Nov 2021, 06:51 hat geschrieben:Wenn eine neue "Bayrische Landesbahn" von der CSU den Auftrag kriegt, alle Strecken unter den berüchtigten 1000 Nutzern aufzugeben, wird genauso das passieren wie wenn die heutige BEG die Weisung bekommt, so etwas gar nicht mehr erst auszuschreiben.
Völlig richtig. Deswegen kürzt sich der politische Wille in der ganzen Gleichung auch komplett raus.
146225 @ 8 Nov 2021, 06:51 hat geschrieben:Du redest gerne von möglichen Einsparungen durch einheitliche Strukturen,
Unabhängig ob sie drüber reden, die von Flixbus, Ryanair, VW und Tesla machen's. Und seit's die Eisenbahn nicht mehr macht, geht einiges schief ...
146225 @ 8 Nov 2021, 06:51 hat geschrieben:ich sage: es kann auch wieder ein nicht mehr zu störender Schlendrian in eine neue "Behördenbahn" einziehen - gibt ja keine Wettbewerber mehr, die bei der nächsten Ausschreibungsrunde durch bessere Leistungsangebote einem in die Quere kommen könnten.
Du redest von der Theorie. In der Praxis reden wir davon, dass die Landesbahn jetzt dann wohl den Abellio-Betrieb in BaWü übernehmen muss, weil im praktischen Wettbewerb Leistung eben ziemlich relativ ist und deswegen dauernd irgendwelche Züge ausfallen, sodass Verkehrswende, wie du richtig feststellst, mit den derzeitigen Bedingungen eben nichts als eine leere Worthülse ist. Und sorry, du vergisst, dass ein Teil des Wettbewerbs immer auch ist, eine Leistung selbst zu erbringen. Wenn man feststellt, dass das absolut beste Angebot das ist, das man seine Landesfahrzeuge zum Landestarif mit ggf. den Landeslokführern über die Landesbahn am besten durch Einsparung der Ausschreibungen betreibt, zieht die Privatwirtschaft eben nach den Regeln des Wettbewerbs den kürzeren.
Und wie gesagt, ob der "Schendrian" bei einer ausschreibenden BEG sitzt oder bei einer den Verkehrsdurchführenden, dann ist der einzige Unterschied, dass erstere tausend Möglichkeiten hat für das Spiel mit'm Schwarzen Peter. Das ist ungefähr so seriös und demokratisch durchschaubar wie ein Hütchenspieler vom Jahrmarkt. Die Menschheit wird nie erfahren, warum die neuen Skoda-Züge für den MüNüX für Fahrräder noch untauglicher sind als die IC1. Der Hersteller sagt, wurde von der DB so bestellt, die DB sagt, wurde von der BEG so ausgeschrieben, die BEG sagt, war das beste Angebot am Markt, der Markt sagt, der Hersteller hat's halt so angeboten. Im Zweifel alles Geschäftsgeheimnisse, die mich als Fahrgast und Steuerzahler aber ziemlich teuer kommen, zumal wenn man genau sechs von den Zügen baut, die BEG aber immer noch keinen Stundentakt bestellt. Wir werden auch nie erfahren, was der ganze Vorgang bei einem Eigenbetrieb gekostet hätte und was da rausgekommen wäre, vielleicht auch ohne das vielleicht gar nicht freiwillige Experiment "mal nix von Siemens". Der Vorteil ist eigentlich nur, dass wegen dem elendslangen Verzug, der nur deswegen kein Chaos geworden ist, weil der Betreiber die DB gebleiebn ist und nicht Go Ahead oder so nicht nur keine Lokfuhrer gehabt hätte, sondern auch noch für fast fünf Jahre durckertüchtige Ersatzzüge hätte besorgen müssen. Dass die alten MüNüX-Wagen und DB Regio gerüchteweise für den Übergang auf der schwäbischen Alb nochmal auftauchen, ist sicher kein Zufall.
Davon, dass wir eine neue "Behördenbahn" haben, redest übrigens mal wieder nur du. Framing nennt man das.
146225 @ 8 Nov 2021, 06:51 hat geschrieben:Ich plädiere noch immer dafür, aus den Erfahrungen mit Vergaben im Wettbewerb jene Modelle auszuwählen und weiter zu entwickeln, welche sich bewährt haben - zum Beispiel, dass ein Fahrzeughersteller die Wartung mit übernimmt und nach Verfügbarkeit seiner Züge bezahlt wird
Hat sich das denn bewährt? Und was kostet der Bumms in absoluten Zahlen und bei welcher Skalierung? Das ist ja letztlich vereinfacht gesagt eine Art Betriebsausfallversicherung, die die Hersteller irgendwo einpreisen. Meine Erkenntnisse über Fahrzeugflotten mit Gummirädern kommen zu dem Schluss, dass das eine prima Sache ist, wenn man ein Kleinunternehmen ist ohne eigene Werkstatt und Kompetenz in der Sache oder wenn man z.B. nur eine "leere Hülle" ist wie Abellio BaWü, die dem Land mehr oder weniger nur eingekaufte Leistungen weitervermitteln. Schon bei einer Flottengröße wie sie viele regionale DB-Betriebe oder viele Stadtwerke meist haben, würde man sich dafür dumm und dämlich zahlen. Viele Stadtwerke sind selbst bei der Haftpflicht Selbstversicherer. Und wenn wir jetzt nur mal 80% des deutschen SPFV/SPNV mal als Bezugsgröße nehmen, weil wir annehmen, dass vielleicht noch ein paar Privat- und Landesbahnen übrig bleiben, dann sind wir definitiv in einer Größe, wo es wohl viel billiger ist die Haftplicht über 100 Mio. Euro über eigene Rücklagen abzudecken. Wir reden wir ggf. über einen Betrieb mit an die 10.000 Triebfahrzeugen, wenn man die Verkehrsverlagerung mal grob durchdenkt.
Viele der historischen Bundesbahnwagen stammten übrigens vom Aw Karlsruhe oder Aw Neuaubing. War günstiger und die einzige Möglichkeit schnell an so hohe Stückzahlen zu kommen wie sie die Regierung und die Bevölkerung haben wollte. Wie heute einfach "Bombardier" oder "Uiuiui, gaaaanz schwierig, vielleicht in 10 Jahren ..." sagen, wäre den Beamten damals zu viel Schendrian gewesen. :ph34r:
Genauso wie wir als Land selbst in der Lage sein müssen, so depperte Masken und sowas zu produzieren, müssen wir auch wieder viel mehr Kompetenz bei der Bahn-Infrastruktur selbst haben. Es ist ja auch kein Geheimnis, dass im Straßenbau vieles schneller geht, weil die Straßenbauämter und auch die "Autobahn GmbH" weder totgespart sind noch an einem Markt für letztlich "einen" Kunden, aber viel Stiller-Post-Kommunikation agieren. Der staatliche Straßenbau ist viel schlanker aufgestellt. Auch deswegen kann der Bahnwettbewerb nicht klappen, der bestellende Kunde letztlich in jedem Gebiet ein Monopol hat und da so viel Mist bauen kann wie er will. Und das kriegt man auch nicht weg.
146225 @ 8 Nov 2021, 06:51 hat geschrieben:noch eine vollständige Rolle rückwärts zu praktizieren.
Nochmal: Von einer Bundesbahn auf Behördenebene und der vollständigen Rücknahme des Netzzugangs (siehe insbesondere meine Ausführungen zum Güterverkehr) hab ich außerhalb des retrospektivischen Kontextes nie gesprochen. Aber das was Stadtwerke können, wenn sie an der Basis Verkehrswende machen wollen, muss auch auf Bundesebene möglich sein.
146225 @ 8 Nov 2021, 06:51 hat geschrieben:Wenn die politischen Rahmenbedingungen bestenfalls unsicher sind
Auch nochmal: Guten oder schlechten Einfluss aus der Poltik wirst du nie ausschalten können. Am ehsten noch, du gibt's den Bahnverkehr komplett in den freien Markt ohne jegliche Bestellung und staatliche Einflussnahme auf das Angebot. Aber das wäre die Variante mit dem allermeisten "Schlendrian", quasi zu bewundern in vielen Regionen Bayerns im Regionalbusverkehr. Trotzdem meine ich, ist der Eigenbetrieb die Variante, wo sich schlechter Einfluss, gerade weil er sehr direkt erfolgen kann, am ehsten vermeiden lässt. Wenn alle auf "die Bahn" schimpfen und alle sagen "das ist der Markt/ein privates Unternehmen", kann sich die Politik zurücklehnen, wackelt mit jedem verspäteten Zug auch die Wiederwahl irgendwelcher Leute wackelt, hat ein funktionierender Bahnbetrieb eher Priorität. Man vergleiche das auch mit den politischen udn verkehrlichen Systemen der Schweiz oder in deutschen Städten, wo die Bekanntheit des Bürgermeisters auch nur bei den Fahrgästen in der Regel sehr viel größer ist als die des Chefs der Verkehrsbetriebe.
Auch deswegen sind Autobahnen in Deutschland "komischerweise" immer Chefsache.